Helfen Gesetze auf dem Bodenmarkt?
Landwirtschaft
Bodentagung BMEL
Ve-Annissa Spindler hat in Mecklenburg-Vorpommern einen Milchviehbetrieb gekauft und bewirtschaftet ihn nach Demeter-Richtlinien. Ihr Siebengiebelhof liegt in Drenkow, etwa 70 Kilometer südöstlich von Schwerin in der Agrarlandschaft Prignitz-Stepenitz. Wenig Wald, viel Agrarfläche und 110 ha Pachtland. Dem Verpächter in Berlin-Zehlendorf kann die Jungbäuerin Jahrgang 1990 den Mehraufwand für einen Biobetrieb nicht klar machen. Er rechnet die Direktzahlungen für den Ökobetrieb in seine Pacht ein. Für andere Flächen gibt sie höhere Angebote ab, aber immer gibt es jemanden, der mehr bezahlt. Dann geht die Fläche weg. Ohne die BioBodengenossenschaft kann sie ihrem Milchvieh keine Futterflächen anbieten. Die BioBodengenossenschaft kauft freie Flächen auf und verpachtet sie längerfristig und damit günstiger als der aktuelle Markt an Biobetriebe. Die Betriebe haben jederzeit die Möglichkeit, die Flächen aufzukaufen. Mit den „Agronauten“ und „Kulturland“ gibt es noch weitere Organisationsformen, die Landwirten den Zugang zu Land ermöglichen und Flächen für die Landwirtschaft sichern, bevor nicht-landwirtschaftliche Investoren den Boden als Spekulationsobjekt besetzen.
Bodenpreise steigen rasant
Das Problem gilt als drängend. Das Thünen-Institut hat 2019 eine Landkarte der Bodenpreissteigerungen veröffentlicht. Im Nordosten, im Emsland und Bayern liegen die Teuerungsraten für einen Hektar Land bei 200 bis 450 Prozent in den Jahren 2008 bis 2018. Auf der Tagung „Boden ohne Bauern?“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Anfang März in Berlin hat Friederike Dexters-Grund vom Bund Deutscher Landjugend (BDL) weitere Beispiele aufgezeigt, bei der vor allem Junglandwirte kaum noch eine Chance sehen an freie Flächen zu kommen. Mitunter kennen die Landwirte die preisliche Schmerzgrenze, bei der sie ihren Betrieb wegen hoher Kauf- und Pachtpreise aufgeben müssen.
Einige Bundesländer haben in ihre Koalitionsverträge ein Agrarstrukturgesetz geschrieben, mit dem sie den Kaufpreisen einen Deckel verordnen und das Land den Landwirten übertragen wollen. Lediglich Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind bis zu einem Entwurf gekommen, der allerdings nicht weiter verfolgt wird. Fachanwalt für Agrarrecht, Götz Gärtner, weiß auch warum: Staatlichen Eingriffen in den Bodenmarkt stehen möglicherweise Grundgesetz und Europarecht entgegen, wie er in den DLG-Mitteilungen 02/2020 schreibt. In Sachsen-Anhalt hat der bis Jahresende beim BMEL tätige Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens an dem Entwurf mitgearbeitet. In Berlin sagte er jetzt, er habe die Unterstützung des Berufsstandes für eine Reform des Bodenmarktes vermisst. Denn es ist nicht so einfach. Der Deutsche Bauernverband hat kein Positionspapier dazu veröffentlicht. Als Dachverband müsse der DBV die verschiedenen Interessen der Landwirte vertreten, sagte Werner Schwarz vom DBV. Und da gibt es offenbar Landwirte, die mit den Preisen keine Probleme haben.
Ist Eigentum verpflichtend?
Der Boden ist für Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, mehr als Ware, sondern Lebensgrundlage. Das macht das Thema so explosiv. Hans Georg von der Marwitz (CDU) und Dirk Wiese (SPD) wollen im Bundestag das Thema weiter verfolgen. „Die Politik muss der Landwirtschaft eine Zukunft bieten“, sagte Wiese. Am Ende sei der Bodenmarkt auch eine soziale Frage. Er selbst kommt aus dem Sauerland, wo die Flächen ebenfalls schon schnell neue Käufer finden.
Für Albrecht Schünemann von der Deutschen Kreditbank AG (DKB) ist das Thema nicht neu. Der Flächenerwerb war bei den Landwirten schon immer ein Thema. Pro Jahr werden nicht mehr als 100.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verkauft. Das sind lediglich 0,5 Prozent der Gesamtfläche. Aus Sicht einer Bank ist das keine problematische Kenngröße. Das Problem liegt nach Schünemann tiefer. Seit 2014 übersteigen die Abschreibungen auf den Betrieben die Brutto-Investitionen. Seit 2009 steigt die Verschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe an. Die DKB muss sich vermehrt seit 2015 um Liquiditätssicherung kümmern und neu im Dienstleistungsportfolio ist die Nachfolgefinanzierung gerückt. Gegenüber anderen Wirtschaftssektoren ist die Landwirtschaft in eine Schieflage geraten. Pro Euro Betriebsvermögen werden lediglich 0,20 Euro Umsatz generiert. Wenn Betriebe wachsen wollen, sollten sie sich fragen, ob sie mit einem Flächenerwarb wachsen wollen oder können. Jeder Kauf belastet auch bei Eigenkapital die Liquidität. Mit den steigenden Bodenpreisen sinkt auch die Bodenrente. Wer heute Flächen kauft, kann den Kaufpreis auf dem Acker nicht mehr erwirtschaften. Dr. Aeikens hinterfragt, ob Landwirte wirklich Boden kaufen müssten. Als Unternehmer haben sie noch viele andere Stallschrauben, um am betrieblichen Erfolg zu schrauben. Werner Schwarz blickte auf das Jahr 1992 zurück. Seine Familie habe sich gegen den Weg in den Osten entschieden und das betriebliche Wachstum in der Schweinehaltung gefunden. Die Veredlung der Flächen über die Tierhaltung ist ohne Berücksichtigung der gesellschaftlichen Diskussion eine Möglichkeit der Flächenrefinanzierung.
Komplizierte Fragen
Der Bodenmarkt ist kompliziert und macht Lösungen nicht einfacher. In Brandenburg müssen die Landkreise bei Losgrößen für Nicht-Landwirte von mehr als zwei Hektar die Flächen zum Vorkaufsrecht an Landwirte ausschreiben. Die Flächen werden auch aktiv über den Landesbauernverband an seine Mitglieder beworben. Es gibt also Lösungen unterhalb eines Agrarstrukturgesetzes für die Bundesländer.
Dann sind da noch die share deals. Der Wechsel von Anteilen von Agrar-Kapitalunternehmen. Die sollen nach Wiese und von der Marwitz besteuert werden. Der Erwerb von Unternehmensteilen ist jedoch Gesellschaftsrecht und keine Ländersache mehr. Und in der Industrie sind share deals eine gern gesehene Beteiligungsform. Werber Schwarz will sie für die Öffentlichkeit transparent machen.
Ve-Annissa Spindler hat ihre eigenen Ansichten, wie mit landwirtschaftlichen Böden umgegangen werden sollte. Der Wert richtet sich nach Kriterien der Bodeneigenschaften vor Ort, ob auf einem Betrieb Nutztiere gehalten werden und die Wirtschaftsweise ökologisch oder mindestens für den Naturschutz sachgemäß bewirtschaftet werden.
Roland Krieg
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