Herausforderungen biologischer Sicherheitsforschung

Landwirtschaft

Gentechnik: Problem der Forschung oder der Kommunikation?

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert nicht nur die Forschung, sondern auch die Sicherheitsforschung der Biotechnologie. In diesem Jahr geht der aktuelle Rahmenplan mit einem Etat von 10 Millionen Euro zu Ende und das BMBF stellte zu diesem Anlass in Berlin Ergebnisse und Perspektiven der biologischen Sicherheitsforschung vor.

Aufgaben des Staates
Fazit von Staatssekretär Michael Thielen aus dem BMBF: „Der Weg der Biotechnologie ist nicht immer schnurgerade.“ Auf der einen Seite fordern klimatische Veränderungen und Verbraucherwünsche nach neuen Produkten die Wissenschaftler heraus, auf der anderen Seite sei der wichtigste Partner für Wissenschaft, Züchter, Handel und Politik der Verbraucher. Der jedoch steht der Gentechnik äußerst ambivalent gegenüber. In Verbindung mit Umweltschutz und Energieversorgung sieht Thielen eine positive Grundhaltungen der Kunden, dem Einsatz zur Produktivitätssteigerung stehen sie jedoch ablehnend gegenüber.
Der Staat hat in diesem Bereich drei Aufgaben: Die Bedeutung des Wissenschaftsstandortes für Deutschland herausstellen, denn es sei risikoreicher, das Feld anderen zu überlassen. Den Forschern müssen Rahmenbedingungen für den internationalen Wettbewerb gegeben werden – und der Staat müsse einen Beitrag zur Sicherheit biotechnologischer Innovation leisten.

Ein sicheres Designprodukt?
Prof. Dr. Reinhard Hehl von der Universität Braunschweig findet Beispiele als Vorbild der Übertragung eines fremden Gens in den DNS-Bausatz des Wirts in der Natur. Das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens dringt in verletzte Bäume ein und baut ein bestimmtes eigenes Plasmid in das Erbmaterial der Pflanze ein, die diese Gene mit multipliziert. Der Mensch mache bei der grünen Gentechnik nichts anderes. Um fremde Gene in die Kulturpflanze zu bringen kopieren die Wissenschaftler diese Methode.
Schieflage gibt es allerdings in der Sicherheitsforschung. Die meisten Projekte haben sich damit beschäftigt, die Auswirkungen des eingeschleusten Abschnitts auf seine Aufgabe zu begrenzen. Nur jeweils ein Projekt gab es im Bereich der sequenzspezifischen Integration des Genabschnitts und der Begrenzung der Ausbreitung. Die eigene Frage, ob es ein sicheres Designprodukt gibt, beantwortete er als Wissenschaftler: Das Risiko möglicher Auswirkungen sind meist theoretischer Natur: „Ein Produkt ist nur so sicher, wie das eingeführte Gen.“

Transgene Bäume
Die meisten Freisetzungsversuche von transgenen Bäumen gibt es in den USA. In Deutschland wurde bislang nur mit der Zitterpappel und der Pappel experimentiert, sagte Prof. Dr. Francois Buscot von der Universität Leipzig. Bei den langlebenden Bäumen ist die Freisetzung anders zu handhaben, wie bei Ackerpflanzen, die nach einem Jahr wieder abgeerntet sind. Über einen Zeitraum von 120 Jahren muss die gewünschte Genexpression auch zum Ende hin noch wirksam sein und durch die Standorttreue der Bäume sind die Interaktionen zur Umwelt ausgeprägter als auf dem Feld.
Im Obstbau werden Edelreise auf Wurzelstöcke gepfropft. Man konnte bereits zeigen, dass ein transgener Wurzelstock seine Pilzresistenz auf die gentechnisch unveränderte Krone übertragen konnte, weil die Wirkung systemisch über die Versorgungsleitungen des Phloems nach oben getragen wird. So vermeide man einen transgenen Apfel, der derzeit bei Verbraucher keine Chance hätte, meinte Prof. Buscot. Allerdings sind die Effekte nur kurzfristig.
Bei wird untersucht, welche horizontalen Auswirkungen eine gentechnische Veränderung hat. Viele Bäume haben in ihren Zellen Bakterien oder Pilze beheimatet, die als endophytische Organismen das Zellgewebe besiedeln. Obwohl ein Gentransfer nicht nachgewiesen werden konnte, schlägt Prof. Buscot vor, auf endophytenfreie Pflanzen zurückzugreifen.
Der Einsatz transgener Bäume hat Grenzen. Ein Wald ist ein Hort der Biodiversität, die durch Wiederaufforstungsprojekte transgener Bäume gefährdet sein könnte. Hingegen sind kontrollierbare Flächen für den Einsatz geeignet. Pappeln könnten auf Bodensanierungsflächen eingesetzt werden, um Schwermetalle industrieller Hinterlassenschaft aus dem Boden aufzunehmen. Auch im Non-Food Bereich der Energieversorgung sei eine gute Kontrolle realisierbar. Voraussetzung ist jedoch, dass die transgenen Bäume steril seien. Im Gegensatz zu den im neuen Gentechnikgesetz festgelegten Abständen für Mais von 150 und 300 Metern, reichen diese nicht aus. Pollen von Bäumen kann viele Kilometer weit verfrachtet werden.

Mais gegen Diabrotica
Den meisten Verbrauchern ist der Mais bekannt, der gegen den Maiszünsler resistent ist. Im letzten Jahr ist ein Projekt zu Ende gegangen, dass vorausschauend Maispflanzen hervorbringen sollte, die gegen Diabrotica, den Maiswurzelbohrer, resistent sind. Auch dieses Resistenzgen stammt aus dem Bacillus thuringiensis. Es ist das Gen Cry3Bb1. Prof. Dr. Ingolf Schuphan von der RWTH Aachen fasst die Ergebnisse zusammen. Nur 0,14 Nanogramm Gen lassen sich auf einen Milligramm Boden finden. Es ist aber instabiler als das Zünslerwirkgen und akkumuliert nicht im Boden an. Es wird nicht in tiefere Bodenschichten verfrachtet und hat keinen Einfluss auf die Bakteriengemeinschaft des Bodens.

Mit Risiko entspannt umgehen
Die Experten wollten aber nicht nur ihre Forschungsergebnisse austauschen. Sie hatten mit Prof. Dr. Gerd Gigerenzer einen Psychologen und den Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung eingeladen. Er referierte über den Unterschied zwischen gefühlten und objektiven Risiken und wollte den Wissenschaftlern den Flaschenhals nahe bringen, der zwischen ihrer Arbeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz steht. Sein Credo: Die Gesellschaft in Deutschland braucht einen Weg, mit Risiko entspannter umzugehen.
Zum einen fehlt vielen Menschen ein Bezugspunkt zu technischen Risiken. In den ersten zwölf Monaten nach dem Anschlag auf das World Trade Center sind beim Versuch, das Flugzeug als risikoreiches Reisemittel zu meiden, 1.500 Menschen mehr auf den amerikanischen Autobahnen umgekommen, so seine Risikoanalyse. Zweitens gibt es gerade in Deutschland die Illusion der Sicherheit. Drittens stehen ausgerechnet die Protagonisten der Gentechnik, Politik und Industrie, in der Glaubwürdigkeitsskala ganz unten. Oben befinden sich Umweltschutz- und Verbraucherorganisationen.
Was in Deutschland fehle, ist die Populärwissenschaft, die sprachlich die Tätigkeiten in den Forschungslaboren den Alltagsverbrauchern nahe bringt. Hier fordert Prof. Gigerenzer mehr Mut von den Experten.
Bereits in der Schule sollen die Menschen lernen, mit Unsicherheiten umzugehen. Dazu gehört auch das richtige Lesen von statistischen Zahlen. Einhundert Prozent Steigerung kann der Sprung von einem auf zwei Siebentausendstel sein. Was hört sich dramatischer an?
Und zum Schluss kann die Forschung selbst noch etwas beitragen, die richtige Kommunikation zu finden: Sie kann herausforschen, wo bei den Konsumenten Ängste und Vertrauen liegen. Man brauche für den mündigen Bürger keinen Menschen mit technischem Optimismus.
In der Diskussion äußerten Wissenschaftler, dass sie sich fühlten, als liefen sie mit ihrer Arbeit gegen ideologische Fenster. Verbraucher sollten sich auch einmal die Frage stellen, wer ein Interesse an einer objektiven Darstellung der grünen Gentechnik hätte? Klartext wolle man auch mit den Medien reden, die letztlich darüber entscheiden, was in ihrer Schlagzeile steht. Es müsse nicht immer nur das Populäre sein.
Generell sollen Ehrlichkeit und Offenheit an erster Stelle stehen. Dazu gehört, so ein Vorschlag, zur Präsentation einer Lösung auch die vollständige Angabe anderer Lösungen. Es muss nicht allein die grüne Gentechnik sein.

Lesestoff:
Von der Tagung wurde ein Videomitschnitt gemacht, der auf der Seite www.biosicherheit.de zu sehen sein wird.
Differenzierte Untersuchungen über die Einstellung zur Gentechnik sind in diesem Jahr auf der Betriebsebene in England und bei Verbrauchern in Deutschland gemacht worden. Die Ergebnisse weichen von den üblichen 80-Prozent-Ergebnissen ab.
Unkontrollierte Ausbreitung ist eines der Gegenargumente gegen die Gentechnik. Sterile Pollen könnten dem vorbeugen.
Die Gentechnik ist wesentlich weiter verbreitet, als Verbraucher annehmen. Die Neuartige Lebensmittelverordnung hat den einen oder anderen stutzen lassen.

Roland Krieg

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