Herbsttagung BÖLW
Landwirtschaft
Klimaschutz durch Öko-Landbau
Wie für die gestrige Herbsttagung des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bestellt, fand die Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young durch eine Umfrage heraus, dass mehr als drei Viertel, genau 78 Prozent, der Verbraucher grundsätzlich bereit sind bis zu zehn Prozent mehr für Biolebensmittel auszugeben. Eine Studie ohne Überraschungswert, lieben die Deutschen doch Ökoprodukte schon seit längerem. Würden sie diese Liebe jedoch auch an der Kasse umsetzen, dann würde der Biomarkt das nicht verkraften. Die heimische Produktion kann noch nicht einmal die 37 Verbraucher bedienen, die ihrer Vorliebe auch Taten folgen lassen. Die Studie unterstreicht jedoch den Megatrend Öko.
Ob allerdings Verbraucher beim Kauf von Bioprodukten auch die Nachhaltigkeit der Welt im Hinterkopf haben, bezweifelte Staatssekretärin Ursula Heinen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium BMELV in ihrer gestrigen Grußrede zur BÖLW-Tagung. Mehr sei den Verbrauchern an der transparenten Produktion und Regionalität gelegen. Der Ökomarkt komme den Verbrauchern durch Fertigprodukte in seinen Wünschen immer mehr entgegen, was den Boom wiederum verstärkt.
Relative Vorzüglichkeit Ökolandbau
Vorstandsvorsitzender des BÖLW Dr. Felix Prinz zu Löwenstein sieht im Ökolandbau durchaus noch vieles im Fluss. Das Motto „Klimaschutz durch Öko-Landbau“ knüpft nahtlos an die Aufgabenstellung des letzten Jahres an: 100 % Bio. Die zentrale Frage sei: „Wie können wir zu welchen Kosten erzeugen, was wir essen wollen? Können wir uns den Öko-Landbau noch leisten, wo doch Energie und Kraftstoffe auf den Feldern wachsen müssen?“ Die Euphorie im Energiepflanzenanbau hätte mit „ausgewachsenen Maiswüsten und Abholzen des Tropenwaldes manchen kollateralen Schaden übersehen“. Begriffe wie „Humus“ und „Fruchtfolge“ seine in den Planungspapieren nicht immer vertreten.
Da kommt es gerade recht, dass die Mittel für das Bundesprogramm Öko-Landbau nicht gekürzt werden und vermehrt in die Ökoforschung gehen, versprach Ursula Heinen. Zudem seien im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) 2008 Mittel für neue Konzepte der ökologischen Tierhaltung und Investitionszuschüsse zur Umstellung der Anbindehaltung vorgesehen.
Reine PR-Maßnahmen müssten nicht mehr finanziert werden, weil die Bauern aus unternehmerischen Gründen begännen, auf Biolandwirtschaft umzustellen.
Die Landwirtschaft ist Hauptbetroffene und Mitverursacher der Klimaveränderung, führte Heinen aus. Darin hat der Ökolandbau mit seiner Humuswirtschaft und dem Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel seine klimaschonende Vorzüglichkeiten.
Ökolandbau nur ein Teilmarkt
Derzeit reduziert sich die Klimadiskussion in der Öffentlichkeit auf große Autos und die beiden Landbewirtschaftungsweisen ökologisch und konventionell. Das sind jedoch nur Teilmärkte, die im großen Ganzen nicht alles bewirken können. „Klimawandel ist Marktversagen“, hebt Prof. Dr. Stephan Dabbert, Ressourcenökonom der Universität Hohenheim hervor. Das Verhalten aller resultiert in einer Schuld, bei der ein einzelner nur wenig etwas ausrichten kann. Deswegen müssen Steuerungsinstrumente geschaffen werden, die dann gut seien, wenn sie die folgenden Fragen beantworteten: Welchen Nettobeitrag zum Klimaschutz leistet es, haben sie negative Effekte auf andere Bereiche, wie hoch sind die Kosten, wer trägt diese und gibt es einen institutionellen Rahmen für deren Umsetzung?
Berechnungen haben gezeigt, dass Klimaschutzziele am ehesten wirksam werden, wenn der Aufwand wenig kostet. Wie beim Gesetz vom abnehmendem Ertragszuwachs erhöht ein zu leistender hoher Aufwand den Gewinn nur wenig. Prof. Dabbert stellt dabei die Energiepflanzendiskussion infrage. Sie mache die Lebensmittel knapper und damit teurer und koste sehr viel Geld je eingesparte Kohlendioxideinheit. Das Aufforsten von Wäldern ist viel billiger und hat mengenmäßig größere Effekte.
Sankappa besitzt drei Hektar Land. Der indische Kleinbauer lebt in Vittalpura, Nord-Karnataka. Das Dorf liegt im trockenen Hochland von Dekkan; hier fallen nur etwa 500 Millimeter Regen und begrenzt auf einen Zeitraum von drei Monaten. Getreide können die Bauern unter diesen Umständen nur einmal im Jahr anbauen: von Juli bis Oktober. Wie schon seine Vorfahren und alle übrigen Bauern im Dorf baut Sankappa eine bestimmte Kolbenhirse an (Setaria italica). In den letzten Jahren fiel regelmäßig zu wenig Regen und 2003 waren es weniger als 300 Millimeter. „Bei allen anderen Früchten hatten wir bei diese extreme Trockenheit eine Missernte“, berichtete Sankappa. „Hätten wir die Kolben-Borstenhirse nicht gehabt, wäre meine Familie und mein Vieh verhungert.“ Die Sorten, die die Bauern von Vittalpura anbauen und sie immer wieder für das folgende Jahr aufbewahren, haben eine ausgezeichnete Trockentoleranz. |
Aufwändige Stoffstromanalysen von Prof. Dr. Hülsbergen, Lehrstuhl für Ökologischen Landbau an der TU München, haben auf Betriebsebene tatsächlich gezeigt, dass Ökobetriebe mehr Kohlenstoff sequestrieren können, während der konventionelle Nachbarbetrieb Kohlenstoff freisetzt. Werden allerdings die Lebensmittelprodukte verglichen, dann vermischen sich die Analysepunkte und es gibt keine relativen Vorzüglichkeiten mehr. Klimaunfreundlich bleibt dann eine ganze Produktgruppe wie das Fleisch – egal ob ökologisch oder konventionell.
Für Prof. Dabbert gibt es noch viel Forschungsbedarf, um belastbare Daten zu erhalten. Das ist vor allem notwendig, um den Steuerungsinstrumenten eine Entscheidungsbasis zu geben.
Er verwies auf den langen Weg, den der Ökolandbau zurücklegen musste, um allgemein als gewässerschonend zu gelten.
Wasserbetriebe haben bereits angefangen, den Ökolandbau in ihren Wassereinzugsgebieten finanziell zu unterstützen. Der Ressourcenökonom machte jedoch deutlich: Einen Königsweg aus dem Klimawandel ist der Ökolandbau alleine nicht.
Opfer und Täter
Die relativen Vorzüglichkeiten des Ökolandbaus resultieren nach Prof. Hülsbergen in den mit 5 – 10 Gigajoule je Hektar nur halb so großen Energieaufwand gegenüber der konventionellen Landbewirtschaftung. Zudem ist der Ökolandbau ein Stickstoffmangelregime und tendiert, weniger Emissionen je Fläche auszustoßen als der konventionelle, so Dr. Dietrich Schulz vom Umweltbundesamt (UBA). Allerdings nicht generell. Kleegras-Mulchsysteme emittieren bei ihrer Nutzung sehr viel klimarelevantes Lachgas. Hier muss noch geforscht werden.
Generell gilt die Tierhaltung als der Klimatreiber in der Landwirtschaft schlechthin. Sie wird durch die weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch noch weiter intensiviert und kleine Tierhalter haben bereits begonnen, ihre Produktion einzustellen. Große Mastanlagen entstehen wegen der Nachfrage in der Nähe von Millionenstädten oder in der Nähe von Häfen, weil hier Importfutter angelandet wird.
Die Landwirtschaft ist auch Opfer. In der EU sind rund 112 Millionen Hektar, das sind 12 Prozent der Landmasse, durch Wassererosion und 42 Mio. ha durch Winderosion gefährdet. Ein Drittel der Böden gilt als verdichtet und stark verdichtet. Daher plädiert Dr. Schulz für ein europäisches Bodenschutzgesetz. Die Böden in Ordnung zu halten sei Vorrausetzung für die Erreichung des Millenniumsziels, die Anzahl der hungernden Menschen zu halbieren.
Bis März 2008 will das UBA erste regionale Anpassungsszenarien für eine internationale Konferenz vorstellen. Die Bundesregierung will für Deutschland bis Ende 2008 mit solchen Szenarien festlegen, wie auf den Klimawandel zu reagieren sei.
Lesestoff:
Die Arbeitsergebnisse des Nachmittags werden erfahrungsgemäß auf der Seite www.boelw.de hinterlegt werden.
Ökolandbau und Klima waren auch Gegenstand einer Tagung auf der BioFach 2007.
Roland Krieg