Heterosis statt Gentechnik

Landwirtschaft

Pflanzenzüchterkonferenz in Hohenheim

„Ertragssteigerungen um 30 bis 70 Prozent – und das ohne Gentechnik“, hält Prof. Dr. Albrecht Melchinger bei vielen Kulturpflanzen für möglich. Neue Erkenntnisse und Methoden wecken berechtigte Hoffnungen, weswegen Anfang September die Hohenheimer Pflanzenzüchter-Konferenz ganz unter das Motto „Heterosis“ steht. Insgesamt werden sechs Jahre Forschungsarbeit vorgestellt.

Bizarres Phänomen
Heterosis soll im zweiten Weltkrieg mit kriegsentscheidend gewesen sein. US-Züchter konnten ihre Erträge mit einem Schlag verdoppeln. Selbst als verheerende Dürren das Land heimsuchten, blieben die neuen Sorten ertragsreicher – so sehr, dass die USA Überschüsse produzieren konnte und die Verbündeten in der UdSSR mit Nahrungsmitteln unterstützten.
Der Trick: Sie züchten degenerierte Pflanzenzuchtlinien, indem sie diese immer wieder mit sich selbst bestäuben. Werden zweier solcher Linien dann miteinander gekreuzt, liefert das Saatgut „extrem hohe Erträge“, so Dr. Melchinger.
Züchter kennen diesen Effekt als „Heterosis“, deren Ursache lange rätselhaft blieb. Entsprechende Hybriden gibt es heute bei Zuckerrüben, Mais und Tomaten und seit den 1980er Jahren auch bei Roggen. Gegenüber den normalen Saaten stiegen die Erträge alleine durch diese Technik um 20 Prozent. Neben Deutschland arbeitet derzeit vor allem China an der Hybridtechnik. Auf der Hälfte der chinesischen Reisfeldern wachsen Hybriden, die rund 30 Prozent mehr Ertrag liefern.
„Angesichts der Erwartungen der Forscher, die sie an die Gentechnik knüpften, ist die Hybridtechnik in den vergangenen Jahrzehnten eher stiefmütterlich behandelt worden“, so Prof. Melchinger.

Renaissance der Heterosis
Der Pflanzenzüchter sieht allerdings zwei Trends, die für eine Renaissance der Hybridtechnik sprechen. Neue molekularbiologische Methoden lieferten ein tieferes Verständnis, was den Heterosis-Effekt hervorruft. Es sind nicht, wie lange vermutet, einzelne Heterosis-Gene, die durch die neue Linie geklont wurden. Der Effekt entsteht, weil die Gene in ihrer Gesamtheit mehr als die Summe ihrer Einzelteile sind. Neue Computersoftware kann solche komplexen Systeme heute gezielt nachstellen und Heterosis besser voraussagen.
Der zweite Erfolg betrifft die Menge. Eine Saatgutfirma muss für die Erzeugung einer Hybride mehr als 10.000 Inzuchtlinien für jede Elternseite schaffen. Daraus können dann 100 Millionen Hybride im Jahr erzeugt– allerdings nur ein Bruchteil davon kann auch getestet werden. Anhand von Genomanalysen kann heute ein aussichtsreicher Hybridkandidat bereits schnell am Embryo erkannt werden. Der wird dann gezielt aussortiert und vermehrt. In wenigen Jahren werden die Pflanzenzüchter noch weiter sein, prognostiziert Dr. Melchinger: Dann wäre es machbar, das Erbgut der Inzucht-Eltern zu entschlüsseln und alle 100 Millionen Hybride vorherzusagen.

Der Heterosis-Kongress findet zwischen dem 07. und 09. September statt.

roRo

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