Hitze und Dürre und die Attributionsforschung
Landwirtschaft
Der Beispielsommer 2022
Der Vegetationsbericht der Europäischen Gemeinschaftsforschung von diesem Montag ist eindeutig. „Die Erträge für Mais, Sonnenblumen und Sojabohnen in Europa sind mit acht bis neun Prozent drastisch nach unten revidiert worden. Sie befinden sich sogar deutlich unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt. Es ist eindeutig: „Die Betrachtungsperiode der letzten drei Monate war durch eine extreme Hitze und Trockenheit in vielen Regionen Europas geprägt.“
Vorsichtig fragen Menschen sich, ob das schon der Klimawandel ist oder nur ein weiteres Extremjahr. Diese Fragen beantwortet die Attributionsforschung, die aktuelle Witterung mit dem nicht mehr in Frage gestellten Trend der langfristigen Erwärmung verbindet. Heute können Forschende beziffern, wie stark sich die Wahrscheinlichkeit, mit der Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Wirbelstürme auftreten, durch den Klimawandel verändert. Jedoch funktioniert diese Attribution bei verschiedenen Wetterereignissen unterschiedlich gut.
Attributionsforschung
Dr. Jakob Zscheischler, Gruppenleiter, Department of Computational Hydrosystems, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, stuft die Wetterereignisse ab: „Bei Hitzeextremen ist der Einfluss des Klimawandels sehr klar und wir können mittlerweile sagen, dass quasi jede Hitzewelle durch den Klimawandel in ihrer Intensität verstärkt wurde. Da Hitzewellen Ereignisse sind, die am oberen Rand der Temperaturverteilung stattfinden, lässt sich dieser Zusammenhang recht einfach herstellen: Ein Verschieben der Temperaturverteilung hin zu wärmeren Temperaturen führt zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen. Dementsprechend werden Kältewellen seltener. Für Starkniederschläge wissen wir auch recht gut, dass sie durch eine Erhöhung der mittleren Temperatur intensiver und häufiger werden, da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen kann, welches dann bei einem Niederschlagsereignis als Regen fällt. Für Dürren ist der Zusammenhang generell schwieriger. Einerseits hält die wärmere Atmosphäre mehr Wasser, was im globalen Mittel zu erhöhtem Niederschlag führt. Auf der anderen Seite entziehen warme Temperaturen dem Boden mehr Wasser durch Verdunstung, was in vielen Regionen häufiger zu trockenen Böden führt. Für Stürme ist der Zusammenhang mit dem Klimawandel schwächer und schwieriger herzustellen.“
Prof. Dr. Friederike Otto, Professorin am Environmental Change Institute, University of Oxford und im Global Climate Science Programme, Vereinigtes Königreich, leitet daraus ab, dass die Klimaforscher mathematisch die Wetterereignisse besser voraussagen können. Grundsätzlich gilt: „Aber vor allem jetzt, denn der Klimawandel ist hier und ob er in der Zukunft ähnlich wie jetzt ist oder schlimmer wird, hängt davon ab, wie viele Treibhausgase wir in Zukunft emittieren.“
Mit Blick auf die Hitzewellen und kaum zu löschenden Waldbrände stellt Dr. Karsten Haustein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Atmosphärische Strahlung, Institut für Meteorologie, Universität Leipzig, fest: „Hitzewellen sind mittlerweile sehr leicht zu attribuieren – also dem Klimawandel zuzuordnen –, da fast immer ein klares Änderungssignal in den Daten zu finden ist. Teilweise finden wir ein um den Faktor 10 bis 100 erhöhtes Risiko für die heißesten Ereignisse. Da der global beobachtete Temperaturanstieg von circa 1,2 bis 1,3 Grad vollständig menschengemacht ist, kann jede statistisch nachweisbare Änderung auch entsprechend dem Menschen zugeschrieben werden.“ Richtig gefährlich werden lange Hitzewellen wie im Jahr 2003.
Innerhalb Europas variieren die Auswirkungen. In Nordeuropa nehmen die Niederschlagsmengen zu, in Südeuropa, wo es in diesem Jahr besonders viele Waldbrände gibt und die eigene ernte die Selbstversorgung gefährdet, gibt es nach Zscheischler häufigere und intensivere Dürren.
Auch wenn die Ereignisse, Hitze, Niederschlag und Dürren getrennt auftreten können, sehen die Attributionsforscher auch die komplexen Zusammenhänge. Dr. Haustein: „Mehr Hitze sorgt für mehr Verdunstung und somit bei gleichbleibendem Niederschlag für trockenere Böden. Selbst mehr Niederschlag in Summe muss nicht weniger Dürre bedeuten, da die Anzahl trockener Tage zunimmt – bei gleichzeitiger Zunahme der Niederschlagsintensität, wenn es mal regnet. Die Gefahr, dass die Sommer zusätzlich sogar regenärmer werden, steigt insbesondere in Ostdeutschland weiter an. Mit zunehmender Dauer der Trockenphasen nimmt selbstredend auch das Waldbrandrisiko zu. Kommt dann noch Wind dazu – was im Sommer bei trockenen Wetterlagen sehr häufig ist –, wird es kritisch.“ Und das nicht nur im mediterranen Raum, sondern auch in Ostdeutschland.
Der Sommer 2022 mit seinen Extremen gilt nach Ansicht der Attributionsforscher als Beispielsommer im weiteren Klimawandel.
Landwirtschaft
Von der Iberischen Halbinsel bis zu Rumänien und vom nördlichen Italien bis zu den Benelux-Ländern hat das Sommerwetter 2021 die Winter- und Sommerkulturen getroffen. Nur die Landwirte in einem breiten Streifen von Österreich bis in das Baltikum hatten normale Wachstumsbedingungen.
In den von Hitze betroffenen Regionen gab es von den fünfthöchsten gemessenen Temperaturen an aufwärts alle Rekordmessungen bis zu Hitzerekorden. Ähnliches gilt für die gemessenen Trockenheiten alleine in Deutschland.
Im ganzen westlichen Mittelmeerraum lagen die gemessenen Tagesdurchschnittstemperaturen im Juni zwischen vier und sechs Grad über den Langzeitmessungen. Die Temperatursummen lagen zwischen 100 und 150 Prozent über den Langzeitwerten.
Die Landwirtschaft wird das ab sofort einplanen müssen.
Roland Krieg
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