Hocker plädiert für bessere Veterinärkontrollen

Landwirtschaft

Stalleinbrechern das Notstandsargument nehmen

Dr. Gero Hocker

Dr. Gero Hocker ist agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und stellte sich jüngst in einer TV-Sendung einem Tierrechtler entgegen. Im Interview mit Herd-und-Hof.de beschreibt er die FDP-Politik zu den Themen Stalleinbruch, Kontrollen und Koalitionspolitik

Herd-und-Hof.de: Millionen Konsumenten nutzen in diesem Sommer wieder die Angebote zum „Offenen Hof“. Allein 200 Landwirtschaftliche Betriebe empfangen in Brandenburg mit der gleichnamigen „Landpartie“ an zwei Tagen am 09. und 10. Juni in diesem Jahr Hunderttausend Gäste aus Berlin und Brandenburg. Die Landwirtschaft ist beliebt wie nie. Und mit der Digitalisierung wird sie technisch ständig attraktiver. Dennoch: Landwirte werden stellvertretend für gesellschaftliche Fehler auch als Buhmann hingestellt, wenn zu viel Nitrat im Trinkwasser ist und Tierwohlstandards nicht eingehalten werden. In Ihrer ersten Bundestagsrede am 18. Januar haben Sie versprochen, dass sich die FDP nicht am Bauern-Bashing beteiligen möchte. Welche ersten Erfolge konnten Sie im deutschen Parlament diesbezüglich erringen?

Gero Hocker: Wir können dazu beitragen, die Diskussion über Landwirtschaft im Deutschen Bundestag wieder ausgewogener zu gestalten. Uns geht es darum, unsere mittelständischen landwirtschaftlichen Betriebe fit zu machen für die Zukunft, Bürokratie abzubauen und technische Innovationen zu befördern, die sowohl Fortschritte in ökologischen, ökonomischen als auch sozialen Problemstellungen unserer Zeit bedeuten. All dies hat während der Abwesenheit der FDP im Bundestag eine zu kleine Rolle gespielt. Von der Opposition aus damals Grünen und Linken wurden zu dieser Zeit oft nur Anschuldigungen und Vorwürfe an die Landwirtschaft geäußert, die wie beim Thema Glyphosat jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten. Wir als Freie Demokraten hingegen wollen eine positive Diskussion über die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft führen. Dafür ist das Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft ein gutes Beispiel. Dazu haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Chancen aufzeigt, wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, aktuelle Herausforderungen in der Landwirtschaft zu lösen. Die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Zur Diskussion über die richtigen Rahmenbedingungen tragen wir als Opposition konstruktiv bei.

HuH: Die Arbeit außerhalb des Parlaments ist möglicherweise viel härter. Mitte Mai saßen Sie bei „stern tv“ dem Tierrechtler Friedrich Mülln gegenüber. Dieser rechtfertigte Stalleinbrüche durch das Recht auf zivilen Ungehorsam. Waren Sie innerlich wirklich so cool, wie es nach außen hin schien?

Hocker: Die Anschuldigungen von Herrn Mülln gegenüber meinem Heimatland Niedersachsen und gegenüber jeder Form der Tierhaltung waren haarsträubend und es gehört echt Disziplin dazu, hier angemessen und nicht zu emotional zu reagieren. Wenn ich mich allerdings nicht bereit erklärt hätte, bei diesem Interview Rede und Antwort zu stehen, wären Herrn Müllns falsche Aussagen unkommentiert geblieben und das wollte ich auf keinen Fall einfach so hinnehmen. Mittlerweile habe ich große Zweifel daran, dass die Hinweise an die Veterinärbehörde tatsächlich nicht anonym erfolgt sind. Dann hätte Herr Mülln in der Sendung dreist gelogen! Vieles spricht gegenwärtig dafür.

HuH: Dröseln wir mal auf, was das Oberlandesgericht Naumburg für den Fall des Landgerichtes Magdeburg betätigt hat [1]. Im ersten Teil hat das Gericht den Stalleinbruch durchaus über den Paragraphen 123 StGB verurteilt. Erst das Heranziehen des „Rechtfertigenden Notstands“ über Paragraph 34 StGB hat das Gesamturteil erweitert. Ist die Öffentlichkeit vor Bildern verwesender Tiere zu schützen, sind Landwirte vor illegalen Filmaufnahmen zu schützen oder sind die Tiere vor solchem Haltungsmanagement zu schützen? Ist nicht auch die Mehrheit der ordentlichen Landwirte vor solchen schwarzen Schafen zu schützen?

Hocker: Aus meiner Sicht sind drei Dinge zu schützen: Die Tiere vor gesetzwidrigen Haltungsbedingungen, die Mehrheit der Landwirte vor den schwarzen Schafen und die Landwirte vor Einbrüchen in ihre Ställe. Um alles drei zu erreichen, müssen aus der Bestätigung des Urteils des Landgerichtes Magdeburg durch das Oberlandesgericht Naumburg die richtigen Schlüsse gezogen werden. Das Gericht hat in dem besagten Fall das Wohl der Tiere über den Schutz des Eigentums gestellt und aus diesem Grund drei Stalleinbrecher freigesprochen. Das Urteil ist zu akzeptieren und die Unabhängigkeit der Justiz darf hier nicht in Frage gestellt werden. Eine notwendige Schlussfolgerung und wesentliche Herausforderung für die Zukunft ist es aus meiner Sicht, die Veterinärverwaltung in Deutschland in die Lage zu versetzen, Verstöße gegen geltende Gesetze in der Tierhaltung effektiv zu verfolgen und aufzudecken. Auf diese Weise können Tiere effektiv vor gesetzwidrigen Haltungsbedingungen bei den schwarzen Schafen unter den Tierhaltern geschützt werden. So kann es uns auch gelingen, dass Freisprüche von Stalleinbrechern aufgrund des „Rechtfertigenden Notstands“ in Zukunft der Vergangenheit angehören. Damit wären Landwirte effektiver vor Einbrüchen geschützt.

HuH: Wird die Koalitionsaussage, Einbrüche in Tierställe stärker zu bestrafen, dem Komplex gerecht?

Hocker: Nein. Die Aussage aus dem Koalitionsvertrag, Einbrüche in Tierställe stärker zu bestrafen, wird dem Themenkomplex in doppelter Hinsicht nicht gerecht. Erstens, weil sie nichts zur Verhinderung von Tierleid bei den schwarzen Schafen unter den Tierhaltern beiträgt. Zweitens, weil Stalleinbrüchen durch die Umsetzung des Vorschlags der Großen Koalition nicht effektiver vorgebeugt würde. Gerade die Bestätigung des Urteils des Landesgerichtes Magdeburg zeigt, dass Gerichte das Wohl der Tiere und den Schutz des Eigentums abwägen und Stalleinbrecher teilweise freisprechen. Dagegen würden eine bessere Ausstattung der Veterinärämter und effektivere Kontrollen der Betriebe helfen, damit der „Rechtfertigende Notstand“ in Zukunft nicht mehr als Begründung für Stalleinbrüche herhalten kann. Darüber hinaus wären Vereine, die ein Geschäftsmodell zum Einwerben von Spenden beispielsweise unter dem Deckmantel des Tierschutzes betreiben und zu Straftaten aufrufen oder diese nachträglich rechtfertigen, von einer stärkeren Bestrafung von Einbrüchen gar nicht betroffen. Gerade solche Vereine befördern Gesetzesverstöße wie Stalleinbrüche aber massiv. Der Vorschlag der Großen Koalition wird also weder den Tieren noch der Mehrzahl der Landwirte gerecht, die vor den schwarzen Schafen sowie illegalen Filmaufnahmen geschützt werden müssen.

HuH: Ihre Lösung?

Hocker: Wer tatsächlich ernsthaft über Tierschutz und Tierhaltungsbedingungen diskutieren möchte, darf Extremisten nicht auf den Leim gehen. Ein Beispiel: PETA wurde von deutschen Gerichten und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits vor Jahren zur Einstellung der Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ verurteilt und rechtfertigt bis in die Gegenwart öffentlich Gesetzesverstöße wie Stalleinbrüche und Sachbeschädigung. Eine Organisation verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Ich bin der Auffassung, dass die Förderung der Allgemeinheit nicht vereinbar ist mit der Begehung, dem Aufruf zu oder der nachträglichen Rechtfertigung von Straftatbeständen. Deshalb sollte dies zukünftig ein weiteres Kriterium sein, um Organisationen als gemeinnützig oder nicht gemeinnützig einzustufen. So haben wir Freien Demokraten es auch in einem Antrag formuliert, den wir in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Darin fordern wir die Bundesregierung auf, bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit auf eine entsprechende Regelung hinzuwirken. Wer dauerhaft und in vollem Bewusstsein gegen die Regeln unseres Gemeinwesens verstößt, darf nicht weiterhin in den Genuss der Gemeinnützigkeit kommen. Das ist neben einer besseren Ausstattung der Veterinärverwaltung ein weiterer wesentlicher Teil unserer Lösung bei diesem Thema.

HuH: Der Verband der Lebensmittelkontrolleure feierte vor kurzem in Berlin sein 40jähriges Jubiläum. Der neue Chefkoordinator beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft war dabei, als Gutachter und Lebensmittelchemiker Prof. Prof. Dr. Ulrich Nöhle kritisierte, dass Unternehmer zwar Steuerprüfung und Schwarzarbeiterkontrolle fürchten, für die amtliche Lebensmittel- und Veterinärkontrolle aber zuerst einmal einen Kaffee kochen [2].  Wird da zu lasch vorgegangen und dem „rechtfertigenden Notstand“ Vorschub gewährt?

Hocker: Dass Tierhaltungsbetriebe in einigen Bundesländern im Durchschnitt nur alle 15 Jahre überprüft werden, ist zu wenig. Ein Grund dafür ist die teilweise mangelhafte Ausstattung der Veterinärverwaltung mit Personal. Wo nötig, sind hier die Länder in der Verantwortung, Abhilfe zu schaffen. Oft werden jedoch auch die falschen Schwerpunkte gesetzt. Es kann nicht sein, dass beispielsweise die Geburt von Kälbern oder die Verbringung von Wirtschaftsdüngern innerhalb kurzer Fristen an die entsprechenden Datenbanken zu melden sind und jeder kleinste Verstoß penibel nachverfolgt wird, der Staat seine Behörden aber bei seinen ureigenen Aufgaben nur unzureichend ausstattet. Die Einhaltung von geltendem Recht in der Tierhaltung zu kontrollieren, gehört ausdrücklich dazu! Die Konsequenz daraus darf nicht die Privatisierung des Rechts, sondern ausschließlich die Stärkung des Rechtsstaates sein - etwa mit finanziellen Ressourcen, Personal und der richtigen Prioritätensetzung.

HuH: Zum Abschluss noch einmal auf die Fernsehsendung geblickt: Von der Ackerbaustrategie bis zum Tierwohllabel und Reformulierung von Rezepten in der Ernährungsindustrie. Welche Chancen geben Sie dem sachlichen Dialog bei den künftigen Aufgaben?

Hocker: Wir als Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag sind immer zu sachlichem Dialog bereit. Wir werden alle Diskussionen konstruktiv begleiten, wenn es darum geht, unsere mittelständischen landwirtschaftlichen Betriebe fit zu machen für die Zukunft, Bürokratie abzubauen und technische Innovationen voranzubringen, die sowohl Fortschritte in ökologischen, ökonomischen als auch sozialen Problemstellungen unserer Zeit bedeuten. Auf der anderen Seite werden wir Freien Demokraten als Opposition immer dann den Finger in die Wunde legen, wenn insbesondere die Bundesregierung einem falschen Zeitgeist hinterherläuft und Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung nicht den nötigen Raum gibt. Letzteres deutet sich aktuell beispielsweise bei der Diskussion um die Verwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat an. Unsere Initiative im Bundestag, militanten (Tierrechts)organisationen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, scheint sich im Übrigen zu einem guten Beispiel für eine sachliche Diskussion zu entwickeln. Auch Kollegen aus anderen Fraktionen haben grundsätzliche Sympathie für unseren Ansatz geäußert. Da kommt meiner Meinung nach tatsächlich etwas für die richtige Sache ins Rollen - auch aus der Opposition heraus können gute Argumente offenbar verfangen!

Herzlichen Dank für das Gespräch

Lesestoff:

[1] Sie taten es wieder: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/stalleinbruch-sie-taten-es-wieder.html

[2] Kontrollen wieder zu Kontrollen machen: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/lebensmittelkontrolle-2030.html

Die Fragen stellte Roland Krieg; Foto: Gero Hocker

Das Interview erschien zuerst in der Sonderausgabe der vfz Vieh und Fleisch Handelszeitung zur Jahrestagung des Bundesverbandes Vieh und Fleisch am 22. Juni

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