Holzenkamp mahnt sachliche Justierung an

Landwirtschaft

Die Kriegsfolgen für das Agrar- und Ernährungsgewerbe stehen noch aus

Die guten Wirtschaftszahlen des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) 2021 waren schon überholt, als der DRV sie am Dienstagvormittag vorstellte.

Dabei waren die vergangenen Pandemiejahre schon alles andere als ein Zuckerschlecken. Trotzdem hat sich 2021 der Umsatz von 64,5 Milliarden Euro aus dem Jahr 2020 auf 68 Milliarden Euro erhöht. „Das Geschäftsjahr war weiterhin von den Einflüssen der Corona-Pandemie geprägt. Hinzu kamen der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest und erhebliche Wetterturbulenzen. Aber der wirtschaftliche Erfolg unserer Unternehmen zeigt, dass sie einmal mehr flexibel die sich ergebenden Chancen genutzt haben“, bilanziert DRV-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers.

Die Warenwirtschaft bleibt die umsatzstärkste Sparte im Deutschen Raiffeisenverband. Sie verzeichnete ein Wachstum von 9 Prozent auf 41 Milliarden Euro. Ausschlaggebend dafür waren die zweistelligen Preisanstiege in den Bereichen Saatgut, Düngemittel, Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Energie und Baustoffe, wohingegen die verkauften Mengen rückläufig waren. Dass sich die Energiepreise innerhalb von zwölf Monaten teilweise vervierfacht hatten, wirkte vor allem kostentreibend auf energieintensive Produkte wie Düngemittel und Futtermittel. Die deutsche Getreideernte fiel mit 42 Millionen Tonnen leicht unterdurchschnittlich aus, und die Rapsernte erreichte mit 3,5 Millionen Tonnen nur Vorjahresniveau. Die nach der Ernte einsetzende Preisrallye konnten die Genossenschaften durch geschicktes Agieren am Markt und professionelles Risikomanagement für sich gewinnen. In der Mischfutterherstellung verteuerten die insgesamt knapper werdenden Versorgungsbilanzen bei Getreide die Komponenten. Zusätzlich sorgten logistische Herausforderungen für Anspannung am Markt. Bis zum Kriegsbeginn in der Ukraine bereiteten die steigenden Futter-, Energie- und Düngemittelpreise die größten Sorgen.

Mit Beginn des Russlandkrieges hat sich die Situation noch einmal dramatisch verschärft. DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp nahm sich die Zeit, zu differenzieren. Was in Deutschland und Westeuropa Verbraucher über steigende Lebensmittelpreise droht, ist für die Länder des globalen Südens eine Frage der puren Existenz. Mit Ausnahme von Sonnenblumenöl, das Deutschland zu 98 Prozent importiert, und davon die Hälfte aus der Schwarzmeerregion stammt, ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert.

Landwirte denken in anderen Zeiträumen als Verbraucher. Jetzt läuft witterungsabhängig die Frühjahrsbestellung. Der nächste Zeitpunkt für eine Veränderung auf dem Feld ist im Herbst nach der Ernte. Dann wird die Saat für die Ernte 2023 gelegt. Was die Landwirte seit Wochen stark belastet sind die um das Vierfache gestiegenen Düngerkosten, die Verdoppelung des Diesels und die Verteuerung der Energie. Jetzt im Frühjahr wird über die gestiegenen Kosten der Aussaat für 2022 gesprochen und der Verkauf von alterntiger Ware aus der Schwarzmeerregion.

Lassen sich diese Aufgaben bis zum Herbst noch teuer bewältigen, stehen die Herausforderungen im Herbst 2022 erst noch aus. Wenn es in der Ukraine und in Russland auch keine neue ernte mehr gibt. Dann wird die Nahrung weltweit richtig knapp. Denn, so Holzenkamp, in den vergangenen fünf Jahren hielt die Getreideproduktion mit der Nachfrage gerade Schritt und die Versorgungslage blieb eng. Ein Ernteloch 2022 hat bislang noch niemand wirklich durchgespielt. Und jedes Jahr braucht die Welt 40 Millionen Tonnen Getreide für die steigende Weltbevölkerung mehr.

Neujustierung ist kein Abbruch der Transformation

In der aktuellen Diskussion über die Agrarpolitik in neuer Zusammensetzung zwischen Ernährungssicherheit und Umweltschutz spricht Holzenkamp auch von einer Neujustierung der Prioritäten – aber unterstreicht gleich mehrfach, dass dieses keine Kehrtwende von der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit bedeutet.

„Temporär“ heißt sein Zauberwort. Die Nutzung von ökologischen Vorrangflächen für die Futternutzung 2022 gilt EU-weit als ausgemacht. Die Pflicht zur Flächenstilllegung ab 2023 gilt aber auch schon ab Herbst dieses Jahres, wenn die Fruchtfolgen festgelegt werden. Da gelte es, die eine oder andere Maßnahme temporär zu überdenken. Nach Holzenkamp wird aber schon wieder in der schwarz-weiß-Diskussion Öko-Industrielandwirtschaft gedacht und gefordert. Biotechnologie und der integrierte Pflanzenschutz sind Lösungen, die im Einsatzrahmen der digitalen Landbewirtschaftung eine neue Balance finden könnten.

Mit Blick auf den Ökomarkt sollten vor allem Handelshemmnisse beseitigt werden. So wird es eine Knappheit an GVO-freiem Futter geben. Und auch Biofutter wird knapp. Temporäre Ausnahmen von starren Regeln könnten auch dem Ökolandbau das Überleben anhaltend sichern.

Exportbeschränkungen wie sie Ungarn gerade eingeführt hat und Extensivierungen führten zu weiterer Angebotsverknappung und Verteuerung der Lebensmittel.

Lesestoff:

Wie viele Krisen verträgt die Welt? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-viel-krisen-vertraegt-die-welt.html

Roland Krieg

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