Hummeln als Pflanzenzüchter
Landwirtschaft
Wie Bestäuberinsekten in die Evolution eingreifen
Viele Blütenpflanzen sind zumindest teilweise auf tierische Helfer angewiesen, damit der männliche Pollen auf die Narbe des weiblichen Griffels übertragen wird. Bestäuberinsekten sichern aber nicht nur die Fortpflanzung, sondern haben offenbar auch großen Einfluss auf die Evolution der Pflanze. Wird sie zum Beispiel bevorzugt von Hummeln besucht, ist sie größer und duftet stärker. Das hat eine aktuelle Studie der Universität Zürich aufgedeckt.
Für ihre Experimente verwendeten die Schweizer Wissenschaftler Rübsen (/Brassica rapa/), der eng mit dem Raps verwandt ist. Sie teilten die Pflanzen in drei Gruppen mit je 36 Individuen, wobei eine Gruppe nur von Hummeln, die zweite nur von Schwebfliegen und die dritte von Hand bestäubt wurde. Alle anderen Faktoren und auch die Besuchsraten der Insekten waren identisch. Nach neun aufeinanderfolgenden Generationen analysierten sie die Pflanzen und fanden überraschend deutliche Unterschiede. In der „Hummel-Gruppe“ waren die Pflanzen größer und hatten stärker duftende Blüten mit mehr UV-Farbanteil. Das ist das Spektrum, das von Bienen und ihren Verwandten gesehen wird. Die von Schwebfliegen bestäubten Exemplare waren kleiner, und ihre Blüten blühten später und verströmten einen weniger starken Duft. Außerdem bestäubten sie sich deutlich häufiger selbst.
Die Bestäuber treffen eine Auslese – ähnlich wie ein Züchter, erläutern die Biologen das Phänomen im Fachjournal „Nature Communications“. So passen sich die Pflanzen ihren Präferenzen an. Die zunehmende Selbstbestäubung ist dadurch zu erklären, dass Schwebfliegen keine besonders effizienten Bestäuber sind. Wird nicht genug Pollen übertragen, muss sich die Pflanze selbst helfen.
Auch in der Natur ist die Zusammensetzung der Bestäuberinsekten einem Wandel unterworfen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass auf diese Weise evolutive Prozesse angestoßen werden können. So sind in den letzten Jahrzehnten die Bienen durch den starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Verarmung der Landschaft immer seltener geworden. Die Folge ist, dass immer mehr Pflanzen von Fliegen bestäubt werden. Dadurch kann die Selbstbestäubung zunehmen, was langfristig zu einer geringeren genetischen Variabilität und einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führt. Allerdings sind noch viele Fragen offen. In kommenden Studien soll das komplexe Zusammenspiel zwischen Bestäuber und Pflanze weiter erforscht werden.
Heike Kreutz, www.bzfe.de