45 Jahre Dauerfeldversuche in Groß Kreutz

Landwirtschaft

Wissenschaft für die Praxis

Einer der unbekanntesten Lebensräume liegt direkt vor uns. Meist kaum beachtet, doch verhindert er den Fall in das Bodenlose: Genau eben dieser ? der Boden. Nicht nur Staub und Dreck, sondern Medium für alle Pflanzen, die mit ihren Wurzeln die Nährstoffe aus dem Boden beziehen. Bei Schwermetallen wird uns der Kreislauf bewusst, dass über Boden, Pflanze und Tier unsere Abfälle wieder auf unserem Teller landen können. Boden baut sich aus Gestein mit organischer Substanz über Hunderte von Jahren auf und kann innerhalb von Stunden zerstört werden.

Boden ist mehr als Sand und Gestein

Der Boden lebt. Er ist ein Gefüge aus Poren, Wasser, Gerölle und Lebewesen: Ein Quadratmeter Ackerboden enthält in seinem Profil 120 Millionen mehrzellige Lebewesen, 10 hoch 11Einzeller und 10 hoch 16 Bakterien. Die Bodenkundler beschäftigen sich mit diesem Lebensraum und verfolgen gerade über Dauerfeldversuche langfristige Veränderungen. In Groß Kreutz bei Werder wurde das 45jährige Jubiläum der Dauerfeldversuche mit einer Fachtagung gefeiert. In Abänderung des Programms kam auch Brandenburgs Agrarminister Wolfgang Birthler vorbei und lobte die Versuche. Gerade bezüglich des Bodens sei es wichtig, zu untersuchen, ?wie unter unseren, auch politischen Bedingungen eine nachhaltige Landwirtschaft durchgeführt werden kann?. Zur guten fachlichen Praxis der Bauern gehört die standortspezifische Bodenbearbeitung, die das Bodengefüge erhält, Bodenverdichtung vermeidet, sowie Fruchtfolgewechsel, Erhaltung des Humus und Anbau von Gehölzen und Hecken gegen Winderosion. Gerade der Landwirtschaft werfe man öfters vor, der Ökonomie wegen die vorhandenen Ressourcen auszubeuten. Dies stimme nicht, so Birthler.

Gefährdung des Bodens

Der feste Boden unter unseren Füssen ist ein sensibles Gut, das weltweit durch Desertifikation und Versalzung unwiederbringlich verloren gehen kann. Prof. Dr. Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamts, zieht auch für Brandenburg Bilanz. Das Bundesland ist stolz auf seinen Gewässerreichtum. Doch 80 Prozent der existierenden Fließgewässer sind nichts weiter als künstlich angelegte Meliorationsgräben. Das sei besonders deshalb ungünstig, weil rund 10 Prozent des Gesamtwasserangebotes durch Tiefenentwässerung ungenutzt entschwindet. In Trockenjahren merken die Bauern das sehr deutlich.
Gerade in Brandenburg sind die Böden mit sandigem Lehm und lehmigen Sand sehr leicht und dennoch verdichtungsgefährdet. Sobald schwere Traktoren auf der Pflugsohle fahren werden Poren, die den Boden mit Wasser und Sauerstoff versorgen, zusammengedrückt. Auf solchen Schichten kann sich Wasser sammeln und zu Staunässe führen. Auch Wurzeln können Verdichtungsschichten nur schwer durchwachsen. Matthias Freude fand auch auf Stilllegungsflächen noch Jahre nach der letzten Bearbeitung Bodenverdichtungen.
Ein weiteres Problem der Brandenburger Böden sind Schwermetallrückstände, die an der Mulde und in den Elbtalauen der Prignitz mit Quecksilber und Cadmium unzulässig kontaminiert sind: ?Nicht alles davon kommt aus Tschechien.? In diesen Gebieten ist ökologische Landwirtschaft nicht möglich.
In seinem Fachvortrag ging Matthias Freude auch auf die Versiegelung der Böden ein. Täglich sind es in der Bundesrepublik 113 ha, in Brandenburg 7 ha, die unter Asphalt und Beton verschwinden. Hier läuft Wasser nur noch oberflächig ab. Die verwendeten Flächen stammen zu 50 Prozent aus der Landwirtschaft und zu 30 Prozent aus der Fortwirtschaft. Er benannte allerdings auch einen Weg, den Sachsen einführen will: Für jeden Quadratmeter neu versiegelte Fläche muss auch wieder Quadratmeter Fläche entsiegelt werden.
Zu den Dauerfeldversuchen bekannte der Referent, dass selbst er noch vor einigen Jahren seinen Studenten mitteilte, dass die Menge an Stickstoff, die aus der Luft in den Boden eingetragen wird, in der Größenordnung von 10 ? 13 kg N pro Jahr und Hektar sei. Messungen aus den Versuchen jedoch korrigieren diesen Wert stark nach oben: Es sind über 40 kg, die einerseits dadurch nicht mehr gedüngt werden brauchen ? die jedoch auch andererseits das Verschwinden der Orchideen aus Brandenburg begründet. Orchideen, wie beispielsweise der Frauenschuh, meiden Stickstoff.

Dauerfeldversuche

45 Jahre Groß Kreutz wird mit Brandenburgs Agrarminister gefeiert. Ansonsten ist die deutsche Dauerfeldversuch-Szene wenig öffentlichkeitswirksam. Als vor einigen Jahren die englischen Varianten ihre 150-Jahr-Feier hatten, kam die Queen vorbei und übernahm das Patronat. Gegenwärtig gibt es weltweit inklusive Grasland rund 600 Dauerversuche die bereits über 20 Jahre währen. 25 davon laufen seit über 100 Jahren. Deutschland mit 90, Ungarn mit 75, sowie Russland (60) und USA (55) haben die meisten Experimentierfelder. Der älteste Versuch läuft seit 1876 in Nordamerika, wobei alle 20 Jahre die Parameter umgestellt wurden, beklagt Prof. Dr. Dr. hc Martin Körschens vom Hallenser Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. In seinem Vortrag führt er auch aus, dass die Versuche in Groß Kreutz mit 45 Jahren zwar noch recht jung sind, dafür jedoch modern ausgelegt und stabil verlaufen. Insgesamt sind 600 Versuche weltweit jedoch zu wenig, da jeder Versuch natürlich nur die standortspezifischen Eigenschaften wiederspiegeln kann. Doch gibt es vermehrt Netzwerke, die international vergleichbare Ergebnisse sammeln und auswerten. Deswegen behalten die Versuche ihre wissenschaftliche Berechtigung. Gleichgewichte im Boden stellen sich auch erst nach 40 bis 50 Jahren ein um Erkenntnisgewinne aus den Versuchen zu erzielen. Als Beleg führte er auch zwei Beispiele an, die durchaus gängigen politischen Aussagen widersprechen können. So seien 50 Prozent höhere Erträge nur zu erzielen, sofern 4-mal mehr Energie, die 5-fache Düngermenge und der 10-fache Pestizid-Einsatz investiert werden. Versuchsergebnisse zeigen, dass die Werte völlig überzogen sind. In der EU gibt es Strategiepapiere für den Bodenschutz, in denen es heißt, dass Böden mit einem Gehalt an organischer Substanz unter 3,6 Prozent sich im Vorstadium zur Wüste befinden. Das gelte, so Martin Körschens, dann für weite Teile Brandenburgs und Polens. Auf sandigen Böden stellen 3,6 Prozent organische Substanz das Optimum dar.

Ausgewählte Ergebnisse von Versuchen

1. Auf Brandenburgs Sandböden ist die Humusbildung optimal, wenn jährlich 50-75 kg N aus Stalldung zusätzlich zur mineralischen Düngung gegeben werden. Dazu müssen etwa 150 dt frischer Stalldung pro Hektar ausgebracht werden. Die dafür benötigte Tierdichte von 1,5 Großvieheinheiten (eine Kuh entspricht etwa 1 GV) wird in Brandenburg mit 0,5 GV/ha weit unterschritten.
2. Im Vergleich verschiedener Düngerarten (jeweils nur organisch und mineralisch) hat sich gezeigt, dass mit Stalldungeinsatz der Humusgehalt des Bodens auch ohne mineralische Düngung erhalten werden kann.
3. Die ?Ökologische Fruchtfolge Güterfelde? zeigt, dass mehrjährig höhere Erträge bei Silomais und Getreide bei Pflugeinsatz erzielbar sind, hingegen Kleegras positiv auf pfluglose Bearbeitung reagiert.
4. Pfluglose Bearbeitung (Mulchsaat, Direktsaat) wirkt bodenfruchtbarkeitsfördernd, da in der Ackerkrume höherer Humus- und Kaliumgehalt zu finden ist.

roRo

Zurück