52.000 Larven je Kubikmeter Wasser

Landwirtschaft

Nachhaltige Miesmuschelzucht

>Schon Asterix wusste, dass Muscheln nur in Monaten mit einem "r" gegessen werden sollen. Zu seiner Zeit war das auch richtig, denn die gekühlte Transportkette gab es damals noch nicht. Mittlerweile kann man zu jeder Jahreszeit Muscheln genießen und die Fischer sorgen dafür, dass die Weichtiere auch im Sommer viele Algen finden, um "gut im Fleisch zu stehen".
Herz- und Jakobsmuscheln, Austern und eben die Miesmuscheln gehören zu den Weichtieren und schützen sich mit einer schmucken Kalkschale, die von Kindern am Strand eingesammelt werden. Die Miesmuschel hat ihren Namen nicht von einem garstigen Temperament, sondern leitet diesen aus dem alten norddeutschen Namen für Moos ab. Wie Moos besiedelt sie Pfähle und Steine. Am bekanntesten ist die blaue Miesmuschel mit ihrer glatten Schale. Das Fleisch der Weibchen ist orangefarben, dass der Männchen weiß. Als schwierig gilt das Tier noch deswegen, weil es sich seine Mahlzeiten aus dem Wasser filtert. Rund 100 Liter Seewasser durchfließen die Muschel pro Tag, weswegen je nach Standort einige Umweltgifte in ihr hängen bleiben. Die meisten Muscheln werden allerdings in speziellen Meereswasserbecken gereinigt, bevor sie in den Handel gelangen.
Sie liefern hochwertiges und leicht verdauliches Eiweiß, weil sie kein Kollagen für Sehnen aufweisen. Sie beinhalten wenig gesättigte Fettsäuren, haben kaum Kohlenhydrate und bieten viel Vitamin B.

Reiche Ernte aus der Nordsee
Entlang der gesamten Nordseeküste ist die Muschelfischerei ein traditioneller Aquakulturzweig mit Jahreserträgen von rund 100.000 Tonnen, berichtete jetzt das Forschungszentrum Terramare in Wilhelmshaven. Zwar fahren Deutsche und Dänen mit ihren Kuttern zu den Muschelbänken raus und fischen, was die Natur bereit hält. Doch hier gibt es auch wie in den Niederlanden Bodenkulturen von Miesmuscheln, die gezielt von den Fischern betrieben werden.
Dabei werden die bläulichen Jungtiere von Wildbänken aufgefischt und andernorts in günstigen Bereichen als "Muschelsaat" ausgesät. Auf diesen speziell ausgewiesenen Plätzen wachsen die Tiere bis zur Tellerreife heran. Die haben sie in ein bis zwei Jahren mit einer Größe von etwa fünf Zentimeter erreicht.
Allerdings sind nicht in jedem Jahr ausreichend Jungmuscheln vorhanden, schreibt der Biologe Dr. Uwe Walter in dem neusten Heft des Terramare, das sich mit nachhaltiger Miesmuschelzucht beschäftigt. Voraussetzung für ausreichend Muschelbrut sind so genannte Brutfälle. Damit bezeichnen die Meeresbiologen eine Art konzentriertes Absetzen von Muschellarven in bestimmten Bereichen des Wattenmeeres. Es handelt sich dabei um ein unregelmäßig eintretendes Ereignis, das zudem nicht immer einen für Fischer interessanten Umfang erreicht. Das wechselhaft natürliche Angebot von Saatmuscheln führt letztlich zu schwankenden Anlandungsmengen konsumreifer Muscheln. In Niedersachsen gibt es nur noch fünf Kutter, die auf Muschelfang gehen - ein sowieso schon kleiner Wirtschaftszweig. Darüber hinaus sieht sich die seit etwa 100 Jahren kommerziell betriebene Miesmuschelfischerei zusätzlich einem Interessenkonflikt mit dem Naturschutz ausgesetzt.

Nachhaltige Verfahren gesucht
Daher suchen die Experten nach Zuchtverfahren, die den Bestand der Miesmuscheln garantiert und gleichzeitig auch das Absammeln der Saatmuscheln verbessert. Sie haben beobachtet, dass selbst in Jahren mit unzureichenden Brutfällen trotzdem immer wieder ein dichter Besatz im Unterwasserbereich von Küstenbauwerken und Seezeichen, wie Bojen oder Pfählen vorhanden ist. So untersuchte Dr. Walter wann Muschellarven im Wasser auftreten. Er fand heraus, dass sie ganzjährig vorhanden sind, wobei der Monat Mai mit bis zu 52.000 Larven pro Kubikmeter Wasser den Spitzenmonat bildet. Dann versuchte er neuartige Kulturverfahren aus Irland und Spanien auf die Nordseeküste zu übertragen. Dort werden die Saatmuscheln in strömungsarme Meeresbuchten gebracht. Das ist an der Nordseeküste einfach nicht gegeben. So entwickelte er als Ersatz eine Langleinenkonstruktion.
Von einer langen Leine als Rückgrat hängen spezielle, mit hölzernen oder aus Plastik hergestellten Querknebeln oder eingespleißten Leinenbüscheln versehene vertikale Leinen im Wasser. Das sind die Kollektor-Leinen. Walter wies nach, dass mit derartigen Kollektoren eine ausreichende Muschelsaat zu gewinne ist. 210 Testkollektoren erbrachten während des Testzeitraum über fünf Tonnen Saatmuscheln, die sich von den traditionell gewonnen Saatmuscheln überhaupt nicht unterscheiden.

Terramare in Wilhelmshaven
Das Forschungszentrum Terramare ist ein eingetragener Verein als Zentrum für Flachmeer-, Küsten- und Meeresumweltforschung. Die Forscher geben eine Berichtsreihe mit ihren aktuellen Ergebnissen heraus. Unter dem Titel "Nachhaltige Miesmuschel-Anzucht im Niedersächsischen Wattenmeer" erfährt der Leser auf 80 Seiten aktuelles über die Forschung. Vorangestellt sind Hintergrundinformationen von einem Muschelfischer und der Nationalparkvertretung. Der Bericht kostet 7,50 Euro und ist direkt erhältlich bei www.terramare.de (ISSN 1432-797X).

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