70.000 Hektar Brandenburg unter Generalverdacht

Landwirtschaft

Afrikanische Schweinepest in Groß Drewitz

Es ist soweit: ASP in Deutschland

Die Straßen im Brandenburger Landkreis Spree-Neiße führen über sanfte Hügel. Polnische Radiostationen senden stärkere Sendesignale von der nahe liegenden Grenze aus polnischen Wojwodschaft Lebus. Auf den Weiden stehen Milchkühe, ein paar Kilometer weiter grasen Mutterkühe. Der Mais steht noch auf dem Halm und wartet auf den Häcksler. Zwischen den Getreidestoppeln grünt die Zwischenfrucht. Kleine Wäldchen und zusammenhängende Waldgebiete sorgen für eine abwechslungsreiche Landschaft. Rund 113.000 Einwohner verteilen sich im Landkreis. Mit 69 Einwohnern pro Quadratkilometer ist der Landkreis dünn besiedelt. Knapp jeder Fünfte lebt in der Kreisstadt Forst. In Groß Drewitz leben gut 400 Einwohner.

Die Drewitzer bekamen am Samstag Besuch vom halben Potsdamer Parlament. Bürgermeister Ralph Hohmeister aus Schenkendöbern führt 16 Ortsteile. Er war der erste am Ortseingang Groß Drewitz. Dann kamen die beiden Landräte Harald Altekrüger (CDU) und sein Berufskollege Rolf Lindemann aus dem Nachbarlandkreis Oder-Spree (SPD). Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (B90/Die Grünen) kam zeitgleich mit dem Landesbauernpräsidenten Henrik Wendorff. Die drei Minister Ursula Nonnenmacher (Gesundheit), Innenminister Michael Stübgen (vormals Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium) und Ministerpräsident Dietmar Woidke rundeten den Ortstermin um Amtstierarzt Helfried Körber ab. Einige Landwirte schauten ebenfalls vorbei.

Landesbauernpräsident Henrik Wendorff
Landesbauernpräsident Henrik Wendorff

Chronologie der Afrikanischen Schweinepest

Im Verlauf des Ortstermins wurde das amtliche Warnschild zur Afrikanischen Schweinepest am Ortseingangsschild aufgehängt. Der mobile Elektrozaun stand schon. „Das Virus war immer brisant“, sagte Landwirt Christoph Schulz aus dem rund vier Kilometer entfernten Atterwasch. Sein Marktfruchtbetrieb liegt etwa sechs Kilometer vom Fundort des Wildschweins entfernt, dessen Kadaver Ende der Woche die Afrikanische Schweinepest (ASP) bestätigt wurde. Jetzt ist der Fall der ASP in Deutschland eingetreten.

Ein Jäger fand den verwesten Kadaver am Freitag, den 04. September, an der Landkreisgrenze Spree-Neiße zu Oder-Spree in einem abgeernteten Maisfeld. Er meldete den Fund am Monat, den 07. September, dem Reviervorsteher. Der hat sich an den zuständigen Tierarzt gewandt, der nach gesetzlicher Vorgabe am 08. September Proben per Kurier in das Landeslabor nach Frankfurt/O. schickte. Der Verdacht auf ASP wurde am Abend des 09. September veröffentlicht und die Probe zur Bestätigung an das Friedrich-Loeffler-Institut gesandt. Die Fundstelle wurde desinfiziert. Am 10. September wurde das Ergebnis bestätigt und regional sowie bundesweit bekannt gegeben.

Axel Vogel, Landwirtschaftsminister in Brandenburg
Axel Vogel, Landwirtschaftsminister in Brandenburg

Der Landkreis arbeitet seit dem an einer Allgemeinverfügung, die eine Kernzone von drei Kilometer um den Fundort des Kadavers ausweist. Innerhalb dieser Kernzone wird von einer Person ein gemeldetes Hausschwein gehalten. In der 15 Kilometer reichenden roten Zone mit einem Verbringungsverbot von Hausschweinen liegen 16 Betriebe. Der dem Fundort am nächsten liegende Betrieb bewirtschaftet 150 Mastplätze, der größte besitzt 3.000 Tiere.

Elektrozaun um die Kernzone steht

Wegen des Wochenendes konnte die entsprechende Allgemeinverfügung über die Zoneneinteilung rechtlich nicht überprüft werden. Daher folgt sie erst am Montag. Dennoch hat der Landkreis schon am Wochenende mit dem Bau des mobilen Elektrozaunes begonnen. Rund zehn Kilometer lang ist der Zaun aus der Landesreserve der Polizei Brandenburgs. Wegen der ASP-Ausbrüche in Polen haben Behörden Zaunreserven angelegt, den Krisenfall auch grenzüberschreitend geprobt. Axel Vogel sagte Herd-und-Hof.de, dass Brandenburg durch die Erfahrungen der Nachbarländer nicht bei null anfängt. Die baldige Ausmerzung der ASP in Tschechien und Belgien seinen positive Beispiele für das Land. Vogel will die ASP in „Tesla-Geschwindigkeit“ aus dem Land bannen.

Amtstierarzt Helfried Köberle mit Karte des Kerngebietes
Amtstierarzt Hilfried Kröber mit Karte des Kerngebietes

Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte am Ortsrand: „Wir haben die Lage bisher gut bewältigt.“ Bis Samstagabend soll der gesamte Zaun auch unter Strom stehen. Tierärztin Diana Holland vom Landesamt für Gesundheit versorgt mit dem privaten Handwerker Lothar Klick den vom Landesforstamt aufgestellten Zaun mit Strom. Wildschweine sind empfindlich gegenüber Strom. Die 6.000 Volt sind mehr als das Doppelte um die Tiere umkehren zu lassen. Solange die Wildschweine in der Kernzone genug zum Fressen haben, versuchen sie gar nicht erst, den Zaun zu durchbrechen. In der Kernzone gibt es jetzt ein Betretungsverbot, über das die Anwohner vorab per Handzettel mit den wichtigsten Inhalten aus der Allgemeinverfügung informiert wurden.

Priorität hat die Fallwildsuche

Bislang gibt es einen bestätigten Fall bei einem Wildschwein in einem Landkreis. Das nennt das Merkblatt zur Afrikanischen Schweinepest  Stufe 1. Es gilt, die Infektionskette zu unterbrechen und den Kontakt zwischen Wild- und Hausschwein zu unterbinden. Daher steht die Suche nach weiterem Fallwild jetzt an erster Stelle. Jäger und Landwirte sind dazu aufgerufen. Brandenburg greift auf das Hilfeangebot aus Schleswig-Holstein zurück, spezielle Suchhunde einzusetzen.  Ein Suchhund ersetzt zehn suchende Personen. Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher hat bei Innenminister Michael Stübgen nach Hilfe durch einen Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera angefragt. Sofern es der Einsatz zulässt, soll dieser demnächst über dem Kerngebiet fliegen. Das Kerngebiet soll möglichst schnell Wildschweinfrei sein.

Die Sorgen haben schon begonnen

Landkreis und Bundesland haben nach Woidke „alles veterinärhygienische Machbare“ im ersten Schritt erfüllt. Doch bei den Bauern haben die Sorgen bereits angefangen. Die Landwirte werden erst in dieser Woche in den Krisenstab mit Amtstierarzt Körbig eingebunden. Landwirt Schulz hält aktuell 250 Mastschweine, die er alle selbst schlachtet. Den Schulzenhof gibt es seit 1648. Vater Ulrich begann 1990 neu mit 80 Hektar und bewirtschaftet mit Sohn Christoph heute 800 ha Grün- und Ackerland. Die Familie mästet Rinder und Schweine, führt eine Hähnchenmast, eine Biogasanlage und eben eine eigene Metzgerei. Christoph Schulz darf seine Schweine weiterhin schlachten und verkaufen. Der Betrieb liegt lediglich in der roten Zone. Solange das Virus nicht in einen Hausschweinbestand eindringt, köchelt der erste ASP-Fall in Deutschland auf kleiner Flamme. Eigentlich.

Landwirt Christoph Schulz
Landwirt Christoph Schulz

Doch das tote Wildschwein sorgt bereits für größten Ärger und entzaubert den Begriff „Regionalisierung“. Nach Südkorea hat jetzt auch China die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch gestoppt. Die Berliner Politik hat mit ihrem Regionalisierungskonzept bislang mit Zitronen gehandelt und eine Möglichkeit ins Auge gefasst, die schnell von der Wirklichkeit überholt wurde.

Schließlich sind alle anderen Landkreise in Brandenburg ASP-frei. Im Land werden rund 200.000 Mastschweine gehalten. Doch selbst die heimische Fleischindustrie hält sich nicht daran. Der Zerlegebetrieb von Tönnies  in Weißenfels hat, wie andere deutsche Schlachthöfe die Annahme von Brandenburger Schweinen gestoppt. Sie hoffen offenbar, dass es der Politik gelingt, ohne märkische Schweine doch noch nach Asien liefern zu dürfen.

Die Brandenburger Schweinehalter kommen gerade aus der Tönnies-Krise und leiden noch unter dem Preisverfall der Überhänge aus der pandemiebedingten Werksschließung in Rheda-Wiedenbrück. Seit Freitag stauen sich die Schweine wieder zurück bis in die Sauenhaltung, berichtet Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Alleine die Nachricht üder den ersten ASP-Fall in Deutschland hat die aktuellen Schlachtpreise um 20 Cent auf 1,50 Euro pro Kilo zurückgenommen. „Für die Schweine haltenden Betriebe kommt die ASP jetzt on top dazu“, sagte Wendorff zu Herd-und-Hof.de. Die Brandenburger haben jetzt nur noch die Möglichkeit die Schweine bei Vion in Perleberg zu schlachten. Landwirt Schulz kritisiert die fehlende regionale Ausrichtung der Fleischproduktion.

Probleme beim Ackerbau

Doch spätestens jetzt wissen die Landwirte auch, dass der Ackerbau von der ASP genauso empfindlich getroffen wird. Der Landkreis hat rund 70.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Ob die Bauern ihren Mais, die Kartoffeln oder Rüben, deren Ernte erst beginnt, noch bergen dürfen ist ungewiss. Das allein wird schon teuer, doch für die Futterversorgung wird es richtig düster, legt Wendorff nach: Zwei Jahre Trockenheit, knappes Futter und jetzt müssen die Landwirte möglicherweise auch neues Futter auf dem Feld stehen lassen. Landwirt Schulze wollte in etwa zehn bis 14 Tage Futtergerste für 2021 ausbringen. Ob er auf die Felder darf, ist noch nicht entschieden. Der fehlende Futteranbau wird sind bemerkbar machen, die Fruchtfolge ist hin und sowohl der Düngeplan als auch der Saatguteinkauf sind hinfällig. „Die Landwirte wollen mit in den Krisenstab“, fordert Wendorff.

Liegt der Strom am Zaun an?
Strom liegt an

Neue Vermarktungswege

Henrik Wendorff verspricht sich von intensiven Gesprächen mit den Krisenstäben vor Ort und in Potsdam Lösungen. Der Mais könnte für als Rinderfutter und Substrat für Biogasanlagen weiterhin genutzt werden. Die Marktwege dürfen sich nicht mit denen für Schweinefutter und -fleisch vermischen, sagt er zu Herd-und-Hof.de. Wie realistisch das ist,  blieb offen. Er fordert eine tierfreie Pufferzone um das rote Gebiet, um eine Wiedereinschleppung des Virus zu verhindern. Polen habe die Intensivierung der Wildschweinjagd verpasst. Das dürfe in Deutschland nicht passieren. Jäger sollten unter anderem mit Nachtsichtgeräten ausgestattet werden.

War es das Wildschwein?

Wie lange das Virus schon in Deutschland ist, weiß niemand. Wäre das Wildschwein im Unterholz verendet, wüsste es heute noch niemand. Die Analyse über die Herkunft des Tieres ist derzeit offen. Es muss nicht zur westpolnischen Wildschweinpopulation gehören. Es kann das Virus auch über Mais oder Wurstreste aufgenommen haben. Der Landkreis Spree-Neiße und die Wojwodschaft Lebus haben einen intensiven Agrarhandel. Polnische Landwirte bauen Mais für deutsche Biogasanlagen an. Auch Futtergetreide kommt aus Polen.

Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte zwar noch am Freitag über den ASP-Fall: „Das ist also sehr begrenzt aus eine Region, auf einen Landkreis, bei einem Wildschwein.“  Die Auswirkungen sprechen aber eine ganz andere Sprache. Das Innenministerium wies eine stärkere Einreisekontrolle aus Polen auf Lebensmittel zurück. Der Agrarhandel ist gar nicht zu kontrollieren.

Roland Krieg

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