IGW während schwieriger Zeiten

Landwirtschaft

Ratlos in das Marktjahr 2016

Selten fand eine Internationale Grüne Woche in einem so trüben Marktumfeld statt wie in diesem Jahr. Selbst der Deutsche Bauernverband traut seinen Durchhalteparolen nicht mehr. Der Ausblick auf die Märkte 2016 fiel in diesem Jahr aus. Eine Besserung der Marktpreise ist für 2016 nicht in Sicht. Der Bund Deutscher Milchviehhalter blickte auf die immer wieder zurückgenommenen Prognosen des Jahres 2015 zurück: Die Preiswahrheit hat allen Optimismus überdeckt, seit dem selbst Wachstumsbetriebe vor dem Aus stehen. Niedrige Preise resultieren nicht zwingend in der Betriebsaufgabe, weil die Betriebe Kapitaldienste nach ihren Investitionen zu leisten haben. Wie lange machend die Banken das noch mit?

Kein Licht am Horizont

Nach aktueller Umfrage des Deutschen Bauernverbandes (DBV) geben 20 Prozent der Betriebe eine „angespannte Liquiditätslage“ an. Zwei Prozentpunkte mehr als im September und sieben Prozentpunkte mehr als im Juni. Bei den Futterbaubetrieben stecken 27 Prozent in einer Liquiditätsklemme.

Sie machen den ruinösen Wettbewerb der negativen Preisspirale mit, weil Liquidität vor Rentabilität geht. Zunächst einmal. Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter sagte zu Herd-und-Hof.de, täglich melden sich verzweifelte Milchviehhalter, die gerade noch den die variablen Kosten oder, schlimmer, noch gerade den Cash Flow bedienen können. Wer seine Schulden noch überblicken kann, der will aufhören.
Konjunkturbarometer des DBV:

Im zurückliegenden Wirtschaftsjahr haben die Landwirte 35 Prozent ihres Einkommens verloren, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Die letzten sechs Monate sind also noch nicht einmal dabei – die kommenden sechs Monate auch nicht. Die Preiskriese hat den Strukturwandel bereits verschärft. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) haben ist die Zahl der Milchvieh- und Schweinehaltenden Betriebe um vier Prozent zurückgegangen. Der Strukturwandel verschärft sich und wird sein wahres Ausmaß erst gegen Ende 2016 zeigen.

Sigmar Gabriel hat Öl in das Feuer geschüttet, weil er mit der Fusionserlaubnis zwischen Tengelmann und Edeka den für die Landwirte und Lebensmittelhandel falschen Trend signalisiert. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bereitet große Sorge, dass sich der Wettbewerb in Agrar- und Ernährungssektor „vertikal und nicht horizontal“ ausbreitet. Er habe keinen Freudentanz angesichts der Entscheidung aufgeführt, aber Wettbewerbsrecht gehöre nun einmal zum Wirtschaftsministerium.

Auch Ernährungsbranche leidet

Auch die Ernährungsindustrie hat Sorgenfalten auf der Stirn. „Nach dem schlechtesten Jahresergebnis seit vier Jahren steht die Ernährungsindustrie in Deutschland unter enormen Druck“, sagte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Die niedrigen Preise im Handel bieten kein Investitionsvolumen mehr. Minhoff fordert die Politik auf, „kostenintensive Vorschriften“ zu vermeiden.

Zum Vorjahresvergleich sank der Umsatz um 3,4 Prozent auf 166,3 Milliarden Euro. Der Preisverfall liegt in Deutschland bei 2,3 Prozent, im Ausland aber auch bei 2,2 Prozent. Die Absatzmengen gaben um 1,1 Prozent im letzten Jahr nach. Und im letzten Jahr konnte die Branche den Verlust im Binnenmarkt nicht über einen steigenden Export ausgleichen. Die Exportquote konnte zwar auf 33 Prozent gesteigert werden, aber die Konkurrenz aus Übersee und Marktzugangshürden haben den Absatz um 0,1 Prozent auf 54,3 Milliarden zurückgeführt. Auch hier sind mehr Problemfelder als Hoffnungshorizonte in Sicht, wie BGA-Chef Anton Börner zu Jahresbeginn sagte [1]. Ob eine hohe Zahl an Flüchtlingen für „die richtige“ Nachfrage sorgt ist zweifelhaft. Die Biokunden mit seinem Umschwung zu einem anderen Lebensstil und neuer Ernährungsweise hat Jahrzehnte gebraucht. Die neuen Bürger werden hingegen wie zu Hause gewohnt erst einmal nach Preis kaufen. Die Gewinner im Lebensmittelhandel stehen dadurch bereits fest.

Irrgarten Tierschutz

Die Decke ist erreicht. Das machte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) überdeutlich. Tierschutz bleibt bei Kunden beliebt. Kunden sind bereit, für Tierwohl mehr zu bezahlen – doch die Realität ist eine andere.

Weder Bio noch das Tierschutzlabel haben im Fleischbereich eine hohe Marktdurchdringung erreicht. Biokunden ernähren sich anders, vor allem fleischloser. Tierhalter sind entweder durch bereits getätigte Investitionen an die konventionelle Stallhaltung gebunden oder scheuen sich auf das Ökopferd zu setzen, weil ihnen auch dieser Markt zu unsicher ist. Klaus Müller, Vorstand des vzbv erklärte alle Tierschutzlabel unterhalb der Biosiegel für gescheitert. Bei der Initiative Tierwohl sind die Standards zu schwach, der Begünstigtenkreis zu klein und der Handel ist noch nicht einmal bereit, den Beitrag um zwei Cent je Kilo Fleisch zu erhöhen. Deshalb versteckt sich die Initiative Tierwohl auch auf der Grünen Woche vor einem handverlesenen Pressepublikum von zehn Personen! In einem Segment, in der Offenheit Pflicht ist.

Müllers Forderung ist eindeutig. Ohne klares und offen beworbenes Label mit klaren Standards unterhalb des Biosegments wird sich nach zehn Jahren vergeblicher Dauerdiskussion auch künftig nichts ändern. Müller spricht für klare Regeln in einem Nationale Tierschutzlabel aus. Hier sind Taten gefordert und Müller kann sich eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode vorstellen. Ob ein Nationales Tierschutzlabel mit der „freiwilligen Verpflichtung“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums vereinbar ist, wird Hauschef Christian Schmidt entscheiden müssen. Müller greift die 1,2,3-Kennzeichnung von Eiern auf und fordert diese einfache Qualitätsabstufung auch für die artgerechte Tierhaltung. Dem widerspricht Rukwied. Diese Kennzeichnung basiere nur auf einem Merkmal, weswegen sie so übersichtlich ist. In der Tierhaltung hingegen gebe es verschiedene Nutztiere in verschiedenen Haltungssystemen, was eine einfache Kennzeichnung kaum ermögliche.

Leider ist auf dem konventionellen Level der Tierwohlkennzeichnung genau das eingetreten, was jeder vermeiden wollte: Ein Wettbewerb. Alle Siegel befinden sich trotz Steigerungen auf kleinem Niveau. Eine Fusion zwischen der Initiative Tierwohl und dem Label des Deutschen Tierschutzbundes prüfen die Beteiligten über die Fachpresse. Präsident Thomas Schröder hat dazu ein eindeutiges Angebot gemacht: Die Initiative müsse eine 100prozentige Massenbilanzierung mit Nämlichkeit für eine Rückverfolgbarkeit einführen. Doch dazu müsse sich zunächst einmal die Branche positionieren.

Taten statt Reden

Einen wohlgemeinten Runden Tisch hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt mit Vertretern der Gegendemo „Wir haben es satt“ und der Gegen-Gegendemo „Wir machen Euch satt“ zu Beginn der Grünen Woche abgehalten. Sein Fazit: „Miteinander reden statt übereinander urteilen“. Ob ein Runder Tisch allerdings angesichts der wirtschaftlichen Situation der landwirtschaftlichen Betriebe noch ausreicht ist fraglich. Jetzt ist Zeit für Taten – sonst kommt die oder eine andere Agrarwende von ganz alleine.

Lesestoff:

[1] BGA erwartet ein schwieriges Jahr

Roland Krieg; Fotos: roRo

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-16“ anzeigen lassen]

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