Im Gespräch mit Romuald Schaber

Landwirtschaft

Milchstreik hält inne

Auf europäischer Ebene halten die Milchstreiks inne. Da beispielsweise Frankreich und Österreich den Bauern signalisiert habe, sich für eine Richtungsänderung in der europäischen Milchpolitik stark zu machen und ein inoffizielles Agrarministertreffen der EU für den 05. Oktober anberaumt ist, haben Teile der streikenden Milchbauern ihre Molkereien wieder beliefert. So hat am „Tag 15 der europäischen Milchbauernproteste“ der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) am Freitag zu einer Standortbestimmung nach Berlin geladen, um den europäischen Forderungen der Milchbauern auch in Deutschland noch einmal Schwung zu geben. Das Treffen von BDM und Deutschem Bauernverband (DBV) mit der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche soll eine Weichenstellung offenbaren.
Hans Foldenauer, Sprecher des BDM und Geschäftsführer des European Milk Boards, will dem nächsten „Milchgipfel“ aber keinen Vertrauensvorschuss geben, „weil die Politik in der Vergangenheit die Milchbauern zu oft im Stich gelassen hat“. Man will keine Rezepte von vorgestern, sondern eine neue Rahmenpolitik, bei der die Bauern selbstverantwortlich die Mengensteuerung verwalten und weitestgehend ohne staatliche Hilfe ihr Einkommen erzielen können. Dafür will der BDM auch nach der Wahl kämpfen, weil die Milchpolitik weiter auf der Agenda ganz oben stehe.
So versteht der BDM seinen Spruch „Wer die Bauern quält, wird nicht gewählt“, nicht als Aufruf zum Wahlboykott, sondern als Wahlaufruf. Die Bauern sollen in die Parteiprogramme schauen und so wählen, dass ihre Interessen nach der Wahl vertreten werden. „Es geht um den Milchmarkt der Zukunft!“, sagte Foldenauer
Das Abklingen des Lieferstreiks ist auch nur ein „inne halten“, erklärte BDM-Vorsitzender Romuald Schaber. Wenn das Europatreffen keine Signale für einen Richtungswechsel aussendet, dann gehen die Lieferstreiks intensiv weiter: „Eine klare Richtungsänderung muss erkennbar sein!“. Das gilt auch für das Treffen mit der Kanzlerin, die, was vor allem die Saldierungsvorschläge betreffe, „ihre Richtlinienkompetenz walten lassen sollte“.
Die Politik bemüht derzeit sanft steigende Preise auf dem Milchmarkt als Zeichen der Marktentspannung. Romuald Schaber warnt vor einer Fehleinschätzung. Rund 500 Millionen Liter Milch haben die Bauern nicht abgeliefert und zögen dadurch den Milchpreis am Spotmarkt auf 36 bis 38 Cent je Kilogramm. Die Erzeugerpreise folgen langsam nach – doch wenn die Politik mit verbesserten Rahmenbedingungen die Marktentwicklung nicht untermauere, dann werden die Preise in drei Monaten wieder auf einem Tiefpunkt angelangt sein. So wie im letzten Jahr nach dem deutschen Lieferstreik.
Eine gemeinsame Politik mit dem DBV scheint derzeit wenig vorstellbar. Exportsubventionen, Intervention und Quotenaufweichung sei Politik des DBV, gepaart mit Forderungen nach staatlicher Hilfe, so der BDM. Hingegen will er eine Richtungsänderung. Ein Kompromiss könne nur auf dieser Basis stattfinden, so Schaber .

Romuald SchaberIm Gespräch mit Romuald Schaber
In den letzten 14 Tagen haben die Agrarministerkonferenz und der Weltmilchgipfel verschiedene Blickwinkel auf den Milchmarkt gebracht, die in der Turbulenz des Lieferstreiks wenig Berücksichtigung fanden. Herd-und-Hof.de sprach mit Romuald Schaber über die Milcherzeugung jenseits des Streiks:
So formulieren nicht nur Tierärzte, dass es im Bereich des Herden- und Betriebsmanagements Einsparpotenziale auf den Höfen gebe, die bei Realisierung den Bauern helfen könnten, mit geringeren Preisen auszukommen.
Und in der Tat führt Romuald Schaber an, dass in manchen Betrieben „Reserven schlummern“. Gerade Tierärzte haben durch ihren Betriebsblick manche Ratschläge zur Hand, die umgesetzt werden könnten. Schwierig sei es aber gerade in den großen Betrieben, weil dort derzeit Arbeitskräfte entlassen werden und damit das Herdenmanagement zurückgefahren werden muss. Ein gerechter Marktpreis für die Milch könnte als Rückkopplung für den Betrieb die Tierbetreuung wieder optimieren. Der BDM fordere seit Jahren in der Ausbildung und Beratung, Herden- und Betriebsmanagement stärker zu berücksichtigen.
Die Frage, ob die vollen Futterscheunen des Erntejahres 2009 den Trend zur Nutzung heimischen Futters und Wiedererstarken der Grünlandstandorte begünstigen, bejahte Schaber direkt. Zum einen haben die Grünlandstandorte nur wenig Produktionsalternativen und halten an preiswertem Grundfutter fest, zum anderen bieten sich den Betrieben auf den guten Ackerstandorten mit der Biomasseproduktion für energetische und demnächst stoffliche Nutzung attraktivere Alternativen – und führen indirekt die Milchproduktion wieder in die Mittelgebirge zurück.
Dort aber steht der Milchviehbetrieb im Schwarzwald, der Rhön oder im Bergischen Land generell schlechter da, als der spezialisierte Betrieb auf fruchtbarem Boden. Da nach 2013 die derzeitige Agrar-Förderung neu aufgestellt werden muss, könnten diese Betriebe doch im gesellschaftlichen Auftrag für den Erhalt der Kulturlandschaft und der flächendeckenden Landbewirtschaftung sorgen, und bekommen eine Entlohung, in der die „Milcherzeugung eingeschlossen“ ist?
Das aber hält Romuald Schaber allerdings für nicht möglich. Gegenüber einem Weltmarktpreis könne die Milcherzeugung an solchen Standorten nicht alleine über Ausgleichszahlungen finanziert werden. Gerade für die junge Betriebsgeneration sei die Aussicht, nur „am Staatstropf zu hängen“ keine Option. Außerdem, so Schaber weiter, könne es nicht sein, dass die Milch mit ihren dezentralen Produktionsmöglichkeiten nicht mehr regional erzeugt werden könne, und stattdessen über weite Wege hinweg transportiert werden müsse. Milcherzeugung und Regionalität gehören für Schaber zusammen. Und der Preis muss das garantieren.
Und zuletzt bleibt noch die Frage nach einem Vierteljahrhundert Milchquote, das den Rückgang der Milcherzeuger von 400.000 auf derzeit rund 100.000 auch nicht verhindert hat. „Nicht verhindern sollte“, korrigierte Schaber. Die Quote wurde immer so bestimmt, dass sie einen Strukturwandel zugelassen hat, der aber sozial abgefedert und langsam von statten ging. „Jetzt haben wir einen Strukturbruch“, so Romuald Schaber und das ist der dramatische Unterschied zu den letzten 25 Jahren. Und wird nicht hingenommen.

Roland Krieg (Text und Foto [Archiv])

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