Im Jahr des Edelschweins
Landwirtschaft
Edelschwein auf der MeLa gewürdigt
Seit Februar ist in China das Jahr des Schweins. Ein Tier mit ritterlichem, toleranten und ehrlichem Charakter. In Mühlengeez wurde auf der MeLa das Deutsche Edelschwein zum Tier der Landwirtschafts- und Ernährungsmesse gekürt.
Schwein gehabt
Die Vorfahren unseres bekannten Hausschweins stammen sämtlich von den Wildschweinen der Art Sus scrofa ab, die über Europa, Asien und Nordafrika verstreut lebten und in Europa vor etwa 6000 Jahren domestiziert wurde. In Asien wahrscheinlich noch früher.
Die Fütterungs- und Haltungsbedingungen waren jedoch mit den heutigen in keiner Weise zu vergleichen. Die Hütehaltung im Wald erforderte Härte, Widerstandsfähigkeit, Marschfähigkeit und Spätreife. Bis zum Mittelalter wiesen die Tiere kaum wesentliche Veränderungen auf. Kelten und Germanen nutzten die großwüchsigen Landschweine, die hochbeinig waren und Hängeohren aufwiesen, flachrippig und spätreif waren. Die Römer sprachen mit Ehrfurcht vor den Schweinen aus den Wäldern, deren Gewicht sie mit 1000 Pfund angaben. Mehr als das Doppelte eines großen Ebers von heute. Allerdings, so Dr. Matthes vom Institut für Tierproduktion Dummerstorf, die von römischen Autoren nachgesagten 40 cm Speckdicke sind wohl übertrieben.
Aus der lange Zeit praktizierten Hütehaltung und Eichelmast im Wald, resultiert auch das Sprichwort „Schwein gehabt“. Morgens haben die Schweinehirten die Tiere im Dorf eingesammelt und die Bewohner gefragt, ob sie auch ein Schwein zum mästen haben.
Schwung in die Schweinezucht brachten die Engländer im 18. Jahrhundert mit dem Import von portugiesischen und chinesischen Schweinen. Kleine schwarze Schweine kamen aus der portugiesischen Kreuzung und die großen weißen aus chinesischer Herkunft, die als Large White bezeichnet wurden. Ziel war es, schnell Fleisch und Fett zu erhalten. Die beginnende Industrialisierung erforderte energiereiche Lebensmittel und die Bevölkerung wuchs. Spätreifen Schweine waren nicht mehr marktgerecht und das extensive Weideverhalten zu langsam.
Mit Stehohren zum Erfolg
Im 19. Jahrhundert entstand dann das deutsche Edelschwein, dass mit Abfällen aus Industrie und Handel gefüttert wurde. Es unterschied sich deutlich von den bisherigen Landrassen und hatte einen verkürzten Kopf, kurze Beine und breiten Rumpf. Sie stammen von den Large White ab, die auch als Yorkshire bekannt sind und die weltweit bedeutendste Schweinerasse ist.
Das Deutsche Edelschwein (DE) trug zu Beginn noch die Bezeichnung „weißes“ im Namen, der aber im Zeitverlauf wegfiel. „Edel“ waren die Tiere, weil die unveredelten Landschweine mit den englischen Large White züchterisch verbessert wurden. Das DE eignet sich in hervorragender Weise dazu, in kurzer Zeit Kartoffeln in Schweinefleisch umzusetzen.
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Ferkel/Wurf |
Aufgezogene |
Würfe pro Jahr |
Aufgezogene Ferkel pro Sau und Jahr |
DE 1930 |
9,8 |
7,3 |
1,32 |
12,9 |
DE 2006 |
12,6 |
11,1 |
2,51 |
27,9 |
Zuchtfortschritt nach Angaben Hybridschweinezuchtverband Nord/Ost e.V. |
Die ersten Edelschweine in England hatten allerdings alles andere als einen guten Ruf. G.H. Schnee schrieb 1862 in seiner Encyclopädie der Landwirtschaft: „Die Edelschweine kann und muß man sogar bald schlachten; die gemeinen Schweine dagegen kann man ohne Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit lange Zeit leben lassen, ja sogar muß man sie, um sie auf ihren höchsten Werth zu bringen, ein paar Jahre älter werden lassen, wie die Edelschweine.“ Bei schlechter Witterung „friert und fiebert“ es im Freien. Die Landrassen waren ja bewegungsfreudig und dem robusten Weideverhalten angepasst.
Heute steht das DE in der Hybridzüchtung zusammen mit der Deutschen Landrasse auf der Mutterseite, deren Linie meist mit Pietrain eingekreuzt wird. Die Hybridkreuzung ist, so Dr. Matthes, eine Antwort auf die Verbrauchernachfrage und vereint das Beste aus allen verwendeten Rassen. Heute verzehrt der Durchschnittsdeutsche 40 kg Schweinefleisch im Jahr.
Berliner Karbonadenschwein
Die „alten“ Berliner kennen das deutsche Edelschwein als Karbonadenschwein. Karbonade bezeichnet das gebratene Rippenstück. Die Agrarprovinz Pommern mit leichtesten Böden und großen Entfernungen zu den Ballungsräumen war auf den Kartoffelbau angewiesen und die großen Güter bedienten die Nachfrage nach magerem Fleisch mit dem DE.
Züchter Ernst Schlange begründete auf dem Gut Schönigen die erste Herdbuchzucht mit 3 Ebern und 43 Zuchtsauen. In Danzig wurde das DE dann 1904 als selbstständige Rasse anerkannt, worauf sich in Stettin 1922 der Verband Pommersche Schweinezüchter gegründet hat. Hier fand das DE sein zu Hause und wurde in rund 50 Jahren rein gezüchtet, um seine Rassemerkmale zu stabilisieren.
Lesestoff:
Die Züchterarbeit des Hybridzuchtverbandes finden Sie im Internet unter www.schweinezucht-mv.de
Die Kritik an den neuen Edelschweinen wurde zitiert aus der Doktorarbeit von Dr. Martina Habicht, Veterinärmedizin der FU Berlin: Untersuchungen auf Wechselwirkungen zwischen philosophischen Ansichten und landwirtschaftlicher Tierhaltung in Altertum, Mittelalter und Neuzeit im heutigen mitteleuropäischen Kulturkreis: www.diss.fu-berlin.de/2004/213/
Mehr über Schweine finden Sie im Deutschen Schweinemuseum in Ruhlsdorf, 14513 Teltow, Dorfstraße 1.Geöffnet ist das Museum jeden Donnerstag zwischen 11:00 und 17:00 Uhr. Erwachsene 2, Kinder 1,50 Euro. Gruppen vereinbaren unter schweinemuseum@aol.com einen Termin.
Links zu den bisherigen MeLa-Tieren finden Sie auf Herd-und-Hof.de hier.
roRo; Fotos: MeLa Messe