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Landwirtschaft
Kölner entschlüsseln Resistenzmechanismus der Gerste gegen Mehltau
>Der Mehltau ist eine bei Getreide häufig auftretende Pilzerkrankung, bei der nur durch regelmäßigen Fungizideinsatz große Ertragseinbußen in der Landwirtschaft verhindert werden. Einige Getreidesorten sind jedoch von Natur aus gegen den Mehltaupilz immun. Bei der Gerste sind es beispielsweise Sorten, die einen Defekt im Mlo-Gen haben und mittlerweile flächendeckend in Europa angebaut werden. Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln ist es nun zusammen mit Kollegen in Großbritannien, Frankreich und Dänemark gelungen, das Geheimnis dieser Resistenz zu lüften und dabei gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Kulturgeschichte der Pflanzenzüchtung zu werfen. Im heute erscheinenden Fachmagazin "Nature" ist es sogar die Titelgeschichte.Immunsystem bei Pflanzen
Auch Pflanzen besitzen ein ausgeklügeltes mehrstufiges Immunsystem, das es ihnen ermöglicht, Parasiten zu erkennen und zu töten. Für die Erkennung von Parasiten ist eine regelrechte Armada von pflanzlichen Rezeptoren verantwortlich - praktisch ein Radarsystem, das Pflanzenzellen den Angriff von Schaderregern signalisiert. Will ein Parasit dieses Immunsystem überwinden, muss er entweder das Radar der Rezeptoren unterlaufen oder zelluläre Immunreaktionen lahm legen. Der Echte Mehltau (Erysiphe graminis) hat sich für die letztere Variante entschieden und manipuliert zu diesem Zweck ein in der pflanzlichen Zellmembran von Gerstepflanzen vorkommendes so genanntes MLO Protein. Dieses Protein wird im DNA-Erbgut von dem zugehörigen Mlo-Gen synthetisiert. Seit längerer Zeit war bekannt, dass im Labor erzeugte Mutationen im Mlo-Gen entweder zu einer fehlerhaften Bauanleitung oder sogar zum Fehlen des ganzen Proteins führen und dadurch dem Mehltauparasiten die Grundlage entziehen, mit deren Hilfe er die Immunantwort der Pflanze sabotiert. Damit hat er keine Chance.
Natürliche Resistenz
Tatsächlich gibt es aber auch eine natürlicherweise entstandene Mutation im Mlo-Gen, die Pilzresistenz zur Folge hat: es sind die aus dem Hochland von Äthiopien stammende Landrassen, primitive Zuchtformen der Gerste. Sie sind nach einer Expedition Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erstmals nach Europa gebracht worden. Diese Mutation spielt in der Landwirtschaft deshalb eine bedeutende Rolle, weil sie zu etwa 70 Prozent in der deutschen Sommergerste eingekreuzt ist. Auch in den europäischen Nachbarländern sind die Sorten weit verbreitet. Saatguthändler werben beispielsweise mit dem Satz. "Sehr gesunde und standfeste Braugerste, durch frühere Reife für alle Anbaulagen geeignet. Geringe Mehltauanfälligkeit durch mlo-Resistenz". Die mlo-resistenten Sorten haben sich in den vergangenen 30 Jahren im Feldanbau dauerhaft bewährt und den Einsatz von Fungiziden gegen den Mehltaupilz überflüssig gemacht. Sommergerste liefert übrigens einen der Rohstoffe für Bier und Whiskey.
Verwirrende Trümmer
Wie der Mechanismus der Resistenz funktioniert untersuchten die Kölner Max-Planck-Forscher Ralph Panstruga und Paul Schulze-Lefert. Sie stießen auf ein Bruchstück des Mlo-Gens, das mehrfach wiederholt im Genom der resistenten Sorte auftaucht. Ungefähr zehn direkt benachbarte Wiederholungseinheiten dieser Gen-Trümmer konnten die Wissenschaftler nachweisen. Sie liegen praktisch "stromaufwärts" auf der DNA; direkt neben dem regulären Gen. "Die Genbruchstücke werden mit dem normalen Gen abgelesen", erklärt Schulze-Lefert. "Damit ist aber das ursprüngliche Leseraster in der Regel nicht mehr zu erkennen, und das MLO-Protein kann nicht produziert werden." Die Wiederholungen der Trümmer verwirren den Ablesemechanismus. Wenn zufällig trotzdem das richtige Muster zur Erstellung winziger Mengen des Proteins führt, kann der Parasit dann noch auf den Blättern der Gerste wachsen ? mit bloßem Auge allerdings kaum sichtbar.
Kulturgeschichte der Gerste
Aber auch eine andere Frage hat das Interesse der Kölner Max-Planck-Forscher geweckt: Wann entstand diese Veränderung des Mlo-Gens in der freien Natur? Eine Art "genetischer Fingerabdruck" der äthiopischen Landrassen verriet, dass die Mutation erst "kürzlich" - wahrscheinlich vor weniger als 10 000 Jahren - entstanden ist; ein Zeitraum, der mit der Kultivierung der Gerste durch den Menschen gut übereinstimmt. "Wir vermuten, dass die mehltauresistenten Landrassen möglicherweise von äthiopischen Ureinwohnern als vorteilhaft erkannt und vermehrt worden sind", sagt Ralph Panstruga. Das wird heute als gute fachliche Praxis bezeichnet.
Die heutzutage in Europa angebauten Gerstensorten sind einander außerordentlich ähnlich: es gibt nur drei Grundtypen, während Wildgerste eine nahezu unbegrenzte genetische Vielfalt aufweist. Diese genetische Verarmung unserer Kultursorten stellt nach Ansicht der Forscher durchaus ein Problem dar; denn es fehlt an einer "gesunden" Vielfalt von Bauanleitungen für Rezeptoren des pflanzlichen Immunsystems - die Zuchtformen, die immer wieder ausschließlich verwendet werden sind daher verstärkt krankheitsanfällig. Die außerordentliche Effizienz des in Wildformen vorkommenden Repertoires von Immunrezeptoren könnte auch erklären, warum sich in den Wildformen die mlo-Resistenz offensichtlich nicht durchsetzen konnte. Der Ausfall des Mlo-Gens hat nämlich, neben der wünschenswerten Mehltauresistenz, auch andere Effekte: So altern die Blätter schneller. In der Zuchtform für die Landwirtschaft spielt das allerdings keine Rolle, sondern nur für die Wildform in der freien Natur. Deshalb ist es wichtig, dass Bauern auch seltenere Früchte anbauen, die keinen ökonomischen Profit erzielen. Internationale Genbanken helfen den kommenden Anforderungen, immer mehr Menschen mit immer weniger Land ernähren zu müssen, durch vielfältige Sorten, gerecht zu werden.
roRo