In Dänemark stirbt jedes dritte Bioferkel

Landwirtschaft

Ferkelsterblichkeit auf Biobetrieben

Das dänische Landwirtschaftsministerium hat in einer Studie die Ferkelsterblichkeit auf Biobetrieben von der Universität Aarhus untersuchen lassen. Das Ergebnis hat Schweinehalter und die Biobranche in Aufregung versetzt. Im Gegensatz zur konventionellen Haltung ist die Ferkelsterblichkeit im Biosegment mit 33 Prozent deutlich höher. Und das hat nach Ansicht der Experten konkrete Ursachen.
In Dänemark ferkeln die Sauen in Hütten ab, die im Freiland stehen. Das erschwert den Tierhaltern die Ferkelbeobachtung und sie bekommen nicht mit, wenn Ferkel in Schwierigkeiten sind. Zudem haben Füchse und Wildvögel freieren Zugang zu den kleinen Ferkeln.
Die Autoren Lene Juul Pedersen und Jan Tind Sorensen von der Fakultät für Tiergesundheit geben praktische Tipps, die Ferkelsterblichkeit zu senken. So soll der Zugang zu den Abferkelhüten für die Tierhalter leichter gewährleistet werden, damit sie bei zu großen Würfen Ferkel identifizieren können, die Hungern und an Schwäche leiden. Auch müssen die Tiere über geeignete Zucht besser an die Haltungsbedingungen angepasst werden. Tind Sorensen bringt die Lösung auf die folgende Formel: Biosauen sollen weniger, aber größere und robustere Ferkel zur Welt bringen. Dann könnte auch die Sau selber nach ihren Ferkeln schauen und den Aufwand für das Monitoring der Tierhalter verringern.

Besonderheit Dänemark

Die Haltung von Bioschweinen in Dänemark zeichnet sich wie in Großbritannien und Italien durch eine überwiegend ganzjährige Freilandhaltung aus. Die Vorteile sieht das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz bei der Entsprechung der Konsumentenvorstellungen, dem Aufwachsen in natürlicher Umgebung mit natürlichem Licht und einer effizienten Düngernutzung, wenn die Haltungs- und Fütterungsplätze regelmäßig umgesetzt werden.

Ferkelverluste

Die Nachteile liegen in einem hohen Betreuungsaufwand vor allem in der kalten Jahreszeit, dem Eintrag von bodenbürtigen Krankheitserregern, der kaum möglichen Geburtsüberwachung und Gefährdung der kleinen Saugferkel durch Raben, Füchse und Dachse. Eine Untersuchung von Ferkelverlusten in Großbritannien kommt auf deutlich niedrigere Werte. Hier wurden allerdings konventionelle Freilandsauen bewertet. Der Prozentsatz der Ferkelverluste liegt bei 12,3, auch die Sauensterblichkeit hat mit 3,1 Prozent einen niedrigen Wert. Es werden nur unwesentlich weniger Ferkel pro Sau und Jahr geboren, Die Zahl der abgesetzten Ferkel liegt im Freiland bei 20,9 und im Stall bei 22,4.
Hauptursache für Ferkelverluste sind nach Analyse von FiBL zu große Würfe. Die führen zu langwierigen Geburten, niedrigen Geburtsgewichten, zu geringerer Aufnahme der Kolastralmilch, zu mehr Ferkeln als Zitzen, was die Saugferkel durch die Suche nach ständiger Nähe zum Gesäuge einer höheren Erdrückungsgefahr aussetzt. Ein Problem sind auch schlammige Untergründe, die Tiere durch Krankheiten schwächen können.

Die Situation in Deutschland

Das FiBL nennt in seinem Vergleich der europäischen Bioschweinehaltung keine konkreten Zahlen für den Biolandbau. Als Vergleich musste die konventionelle Freilandhaltung herhalten. Zahlen sind auch nur schwer zu bekommen. Der Anbauverband Bioland hat sich trotz mehrmaligem Nachfragen gleich vier Wochen Zeit genommen und am Ende keine Zahlen geliefert. Dürfen Bioferkel sterben?

Naturland-Sprecher Markus Fadl hingegen traut dem deutschen Konsument auch Antworten zu:

HuH: Wie hoch ist die Ferkelsterblichkeit in deutschen Biobetrieben?

Markus Fadl: Es gibt keine flächendeckende Erhebung von Ferkelverlusten. Nach der praktischen Erfahrung der Naturland Berater liegt die Sterblichkeit meist zwischen 10 und 20 Prozent, stark variierend je nach Haltungsform - Stall oder Freiland -, Buchtengestaltung, Temperaturführung, Fütterung und vor allem Management. Betriebe, die eine nächtliche Geburtenüberwachung machen, sind deutlich erfolgreicher.
Die Alternative dazu, die Sauen in Abferkelständen zu fixieren und einzusperren, ist für den ökologischen Landbau keine Alternative. Deshalb stellen die Buchtengestaltung und die Temperaturführung in einem Abferkelstall die Öko-Schweinehalter vor besondere Herausforderungen, um das Problem der Erdrückungsverluste weiter zu minimieren. Hier bräuchte es mehr staatlich geförderte Forschung.
Versuche von staatlichen Forschungseinrichtungen zur Ferkelsterblichkeit im Biobereich sind zum Teil auf höhere Werte als 30 Prozent gekommen. Solche Versuche kommen fast zwangsläufig zu schlechteren Ergebnissen als die Praxis in den bäuerlichen Familienbetriebe, weil bei den Versuchen die Schweine von Fremdpersonal betreut werden, das eben nicht auch nachts zur Geburtenüberwachung im Stall ist.

HuH: Falls es Unterschied zu Dänemark gibt, worin liegen die?

Markus Fadl: Der größte Unterschied ist, dass in Dänemark, mit seinen gänzlich anderen Verhältnissen was Klima und Boden betrifft, Ferkelerzeugung lediglich im Freiland erlaubt ist. In Deutschland ist die Freilandhaltung dagegen eher eine Randerscheinung. Üblicher ist die Stallhaltung mit Auslauf. Deshalb sind deutsche Zahlen überhaupt nicht mit dänischen Zahlen zu vergleichen.

HuH: Die Studie aus Dänemark impliziert, dass die Tiere dem Freiland nicht angepasst sind und zu große Würfe haben. Wie ist der Stand in Deutschland?

Markus Fadl: Im Öko-Bereich werden die Ferkel länger von der Muttersau gesäugt als in der konventionellen Zucht. Damit ist auch die Zeit zwischen den einzelnen Würfen einer Sau länger und ihr Geburtsapparat kann sich besser regenerieren. In der Folge fallen die Würfe tendenziell größer aus als in der konventionellen Schweinezucht. Mehr Ferkel pro Wurf bedeuten aber zugleich etwas geringere Geburtsgewichte je Ferkel. Dadurch kann es sein, dass die schwächsten Ferkel nicht überleben – da sie ja auch nicht, wie im konventionellen Bereich, mit Hilfe von Medikamenten hochgepäppelt werden.

Vielen Dank für die Antworten.

Afrikanische Schweinepest

Ein ganz besonderes Thema ist die Afrikanische Schweinepest (ASP), die aus Russland auf dem Weg nach Westeuropa ist. Schon vor einem Jahr galt die Krankheit, gegen die es keinen Impfstoff gibt und auch Wildschweine tötet, in Russland als außer Kontrolle geraten [1]. Die einzige Bekämpfung ist das Keulen ganzer Bestände. Die baltischen Länder und Polen wollen sich mit einem Zaun gegen das Virus schützen und haben von der EU zuletzt finanzielle Zusagen für präventive Maßnahmen erhalten [2]. Im Agrarrat hat Polen noch einmal die hohe Bedrohung verdeutlicht, die für den Schweinesektor besteht. Dabei geht es nicht nur um die strengen Präventions- und eingeschränkten Bekämpfungsmaßnahmen, sondern auch schon um den Aufbau eines Fonds, der Landwirte für die notwendigen Keulungen und Handelsbeschränkungen entschädigen solle.
Die Ukraine hat am 25. September die Grenze zu Russland wegen der ASP für jeglichen LKW-Verkehr bis auf Weiteres dicht gemacht. Weißrussland hat den Import von Schweinefleisch aus der Region Smolensk eingestellt. Dort wurde jüngst das Virus in Wildschweinen gefunden. Russland selbst hat in der von ASP-Ausbrüchen betroffenen Region Tver die private Schweinehaltung für die nächsten drei Jahre verboten. Die großen Betriebe dürfen wegen „höherer Biosicherheit“ weiter produzieren.

Die von der ASP ausgehende Gefahr für die Schweinebestände in Deutschland wird offenbar noch weitgehend unterschätzt. So war bei einem ostdeutschen Bio-Anbauverband nicht bekannt, dass es keinen Impfstoff gegen die ASP gibt. Bioland und Naturland verweisen auf die Pflicht zur Aufstallung und doppelten Umzäunung gegen Wildtiere.

Doch schon beim letzten großen Ausbruch der Klassischen Schweinepest, gegen die geimpft werden kann, stand der Ökolandbau in Nordrhein-Westfalen im Fokus, weil der Auslauf immer eine potenzielle Ansteckung beinhaltet. Das Düsseldorfer Agrarministerium hatte den Aufkauf der Ökoschweine angeboten [3]. So einfach wird es bei der ASP nicht werden. Sandra Blome vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) sieht in ihrer Einschätzung zur ASP in Deutschland „wesentlich weitreichendere betriebs- und volkswirtschaftliche Auswirkungen als bei der Klassischen Schweinepest (KSP)“. Das resultiert vor allem aus wesentlich längeren Stand-still-Zeiten in den Sperrbezirken und Beobachtungsgebieten. Vor allem wegen des fehlenden Impfstoffes werden Tiere, bei denen die Krankheit festgestellt wurde getötet und unschädlichbeseitigt. Die Gefahr einer Einschleppung in einen Bestand steigt mit sinkender Biosicherheit.

Lesestoff:

Die Studie liegt in dänischer Sprache vor. www.dca.au.dk

Bioschweinehaltung in Europa, FiBL-Merkblatt 2011

[1] Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest inRussland

[2] 2,5 Mio. € gegen ASP

[3] Aufkauf von Freilandschweinen

[4] Blome, S., „Die Afrikanische Schweinepest in Osteuropa – eine Gefahr auch für deutsche Schweinebestände“, Tierärztliche Umschau 66, 291-296 (2011)

Roland Krieg

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