In der Mitte der Gesellschaft

Landwirtschaft

Bauern fühlen sich wieder ernst genommen

Auf dem zweiten Teil der DBV-Mitgliederversammlung in Bamberg fühlte sich Präsident Gerd Sonnleitner gestern immer noch geschmeichelt, dass Bundespräsident Horst Köhler nicht nur zu Gast gewesen ist, sondern auch zur Landwirtschaft steht. Der Bauerntag hat eine andere Form der „Agrarwende“ präsentiert.

Aktive Marktteilnehmer
Auf dem Milchmarkt mussten die Bauern in der Vergangenheit den Sturzflug des Erzeugerpreises ohnmächtig zusehen. Quotenerhöhungen und Quotenüberlieferungen stellten die Bauern auf die passive Seite. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte zumindest mit seiner Kampagne „Lebensmittel sind mehr Wert“ einen Anteil daran, dass der Lebensmittelhandel die Milchpreise erhöht hat. In Rostock hatte Sonnleitner vor zwei Jahren versprochen, sich mehr um die Märkte zu kümmern – und fährt gerade die Ernte ein. Mehr noch: Die Zeit, so Sonnleitner, in der die Bauern Rohstoffe liefern ist vorbei. „Wir wollen vermarkten.“ Die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt ziehen. Die Agrarwirtschaft wird zum Nachfragemarkt.
Fernost will nicht nur Milchprodukte. Innerhalb von 15 Jahren wurde die Zahl der Schweineschlachtungen von 36 auf 50 Millionen pro Jahr gesteigert. Deutschland hat dabei nicht nur Marktanteile gewonnen, sondern wird zu einem Nettoexporteur.
Auch die Inlandsnachfrage steigt. Besonders nach Produkten mit einem sozialen und ökologischen Mehrwert. Hier haben die Bauern Absatzchancen, die Sonnleitner aber noch nicht ausgeschöpft sieht. Nachdem das Absatzfondsgesetz CMA und ZMP stabilisiert, fordert der Bauernpräsident, dass sich die CMA mehr um die Exportförderung kümmert und den Bauern bei der Vermarktung deutlicher zur Seite steht.

„Keine WTO-Verhandlungen“
Während des Bauerntages hat das Präsidium des DBV eine Entschließung zur aktuellen Doha-Runde verabschiedet. Darin wird der derzeitige Stillstand ausdrücklich begrüßt. Es stünden nur noch die Interessen einiger weniger Agrarexporteure im Vordergrund. Die EU sei „bereits an die Grenze dessen gegangen, was für die heimische Landwirtschaft vor dem Hintergrund hoher Standards im Tier-, Natur-, Umwelt und Verbraucherschutz verkraftbar ist“, heißt es in der Entschließung. Die Standards sollen in allen Ländern gelten, damit eine unausgewogene Liberalisierung diese in der EU nicht gefährdet.
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer wünschte sich gestern internationale Zertifizierungen für die Produkte. Die EU sei vorausgegangen, jetzt sei die USA am Zug.

Gestärktes Unternehmertum
Seehofer warnte die Landwirte davor, Gräben zwischen Bio und konventionell, zwischen Ost und West, zwischen kleinen und großen Betrieben aufzureißen. Alle zusammen stünden für die Vielfalt der Bewirtschaftungsformen. „Wenn die Politik beginnt, sich in die Unternehmensprofile einzumischen, ist es für alle Beteiligten von Nachteil.“ Guido Westerwelle, FDP, resümierte, dass die Bauern vermehrt in das Unternehmertum entlassen werden: „Der Bauerntag ist ein Unternehmertag“.

Wende in der Veredlungswirtschaft
Insgesamt wurden gestern drei Entschließungen verabschiedet. Eine fordert die Wende in der Veredlungswirtschaft. Veredlungsbetriebe müssen gegenüber den Marktpartnern im Handel gestärkt werden. Das sei auf der Erzeugerseite durch eine Bündelung des Angebotes dringend erforderlich.
In einer weiteren Entschließung wollen die Bauern die Zukunft für Nahrungsmittel und Bioenergie gemeinsam gestalten. Die Hauptaufgabe bleibe zwar die Nahrungsmittelerzeugung, aber es gebe „erhebliche Potentiale für die Erzeugung von Biomasse“. Dazu müsse bei der Biogaserzeugung Stallmist und Gülle der Vorzug gegeben werden, Biogas dezentral eingespeist, der Bemischungszwang ausgebaut werden und die Wärmenutzung von Holz und Getreide umweltrechtlich zu erfüllen sein. Die Biodieselbesteuerung findet keinen Anklang mehr und Seehofer versprach, dass im Herbst 2007 diskutiert werde, eine“ Erhöhungsrunde auszusetzen“.
Die dritte Entschließung betraf die Position des DBV zur Milchquote und wird morgen ausführlicher vorgestellt.

Roland Krieg

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