Industriehummeln

Landwirtschaft

Infizierte Hummeln früh erkennen

Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden Hummeln zur Bestäubung von Nutzpflanzen eingesetzt. Nach aktuellen Schätzungen von Experten produzieren europäische Firmen für diesen Zweck mittlerweile über eine Million Hummelvölker jährlich. Mit dem Boom kamen Probleme: Pathogene und andere Krankheitserreger finden in den Zuchtanlagen ideale Bedingungen für den Befall ganzer Stämme. Ein Team von Zoologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg versucht nun, bis 2013 ein Gen-Werkzeug zur Früherkennung erkrankter Tiere zu entwickeln.

Dichte Haltung in der Zucht
Sie gelten als Orientierungswunder, beginnen mit ihrer Arbeit bereits in den ersten Jahresmonaten und können durch die Größe ihres Körpers weitaus mehr Blütenstaub transportieren als gewöhnliche Honigbienen. Zudem ist ein Hummelvolk mit seinen 100 bis 300 Arbeiterinnen überschaubar und kann so gerade in kleinen Räumen effektiv eingesetzt werden - Vorteile, die sich Landwirte zunehmend zu Nutze machen. Die steigende Nachfrage wird durch problembehaftete Massenproduktionen gedeckt.
„Die Tiere leben in den Zuchtbetrieben auf engstem Raum; potenzielle Krankheitserreger werden bei einer so hohen Dichte schnell übertragen. Dazu zählen vor allem die Darmparasiten Crithidia bombi und Nosema bombi, Pilze, die das Immunsystem des befallenen Individuums schwächen und bis zum Tod der Hummel führen können“, erklärt Dr. Michael Lattorff vom Institut für Biologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Hummel auf NektarsucheDie Gefahr der Übertragung ist nicht zu unterschätzen: Nach Ansicht des Biologen können im natürlichen Umfeld bereits mehr als 50 Prozent der Tiere mit Sporen der Erreger infiziert sein. „Dass der Parasit tatsächlich aktiv wird, ist nicht gesagt.“ Jedoch sei es in der „Hummelindustrie“ immer wieder zum Absterben befallener Hummelpopulationen gekommen. „Derzeit beugt man mit Antibiotika vor, die den Tieren mit der Nahrung verabreicht werden. Die Nebenwirkungen werden als irrelevant angesehen, obwohl noch nicht geklärt ist, inwieweit sich diese Praxis auf die Umwelt auswirkt. Zwar werden keine Produkte von Hummeln in Umlauf gebracht, doch deuten ausführliche Untersuchungen darauf hin, dass in der freien Natur lebende Hummeln eine stärkere Krankheitsbelastung aufweisen, wenn sie in Kontakt mit gezüchteten Vertretern gekommen sind.“

Zoologen in Halle suchen nach Früherkennung
Aus diesem Grund suchen die Forscher nach Möglichkeiten, infizierte Hummeln bereits vor deren Eingliederung in den Zuchtbestand zu erkennen. „Einige Tiere scheinen resistenter zu sein als andere. Hier könnten externe Faktoren eine Rolle spielen. Wenn Eigenschaften jedoch vererbt werden, muss es eine genetische Grundlage geben. Wir werden überprüfen, welche Gene mit Anfälligkeit, Resistenz oder beidem in Verbindung stehen“, erklärt Lattorff weiter.
Über eine künstliche Infizierung der Hummeln mit Crithidia bombi und Nosema bombi will die Projektgruppe feststellen, welche Gene oder Gengruppen reagieren. In diesem Zusammenhang untersucht das Team mehrere Hummelgenerationen. "Gene können unterschiedlich stark aktiviert sein. Kreuzungen sind daher für die Untersuchungen weitaus besser geeignet, da wir durch die Beschaffenheit der vererbten Chromosomen analysieren können, auf welche Art und Weise eine mögliche Resistenz genetisch weitergegeben wird und wie sich diese Veranlagungen bei den Nachkömmlingen auswirken." Dazu werden die Generationen einzeln untersucht und deren Erbanlagen anschließend auf sogenannte molekulare Marker, vorher genau definierte Genabschnitte, abgeglichen. Die Ergebnisse sollen in die Entwicklung des Testverfahrens einfließen. Um eine Reproduktion der Analysen zu ermöglichen, werden die Versuche unter standardisierten Bedingungen durchgeführt.

Paolo Schubert; Foto: Uni Halle

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