Influenza-Impfstoff: Zellen statt Hühnerei

Landwirtschaft

Designer-Zellen statt Hühnerei

>Rund 25 Millionen Deutsche sollen im Herbst gegen die neue Grippe geimpft werden. Zweimal, damit es wirkt. Und woher kommt der Impfstoff? Indirekt aus dem Hühnerstall.

Serum-Ei
Drei Tage lang wachsen die Viren in einem Hühner-Ei, bevor die Pharma-Unternehmen sie zur Herstellung ihrer Impfstoffe wieder „ernten“. Für jede Impfdosis ein Ei. Die Anforderungen an die Eier sind aber hoch. Sie müssen frei von Krankheiten sein, weswegen große Tierzuchtfirmen weltweit besondere SPF-Herden anbieten. Schon diese Tiere sind frei (Spezifiziert Pathogen Frei) und müssen weiße Eier legen, damit sie besser durchleuchtet werden können. Die Serum-Eier müssen mindestens 55 Gramm aufweisen, damit die Impfstoffproduktion funktioniert und weniger als 68 Gramm, weil sonst die Eischalenqualität zu gering ist. Zudem müssen die Eier bereits bebrütet sein und dürfen nicht älter als zwischen acht und zehn Tage sein. Für die Pharma-Unternehmen ist die Beschaffung eine logistische Herausforderung und bei der Vogelgrippe ist der Nachschub durch die Krankheit selbst bedroht.
Im Oktober 2007 löste Bundeskanzlerin Angela Merkel ein grünes Lämpchen aus, dass in Marburg den Start für die weltweit erste Produktionsanlage für einen Zellkultur-Grippeimpfstoff signalisierte, der aus Zellkulturen einer Cockerspaniel-Niere produziert wird. Die entsprechenden Kulturen wachsen zwar nicht schneller, aber Zellkulturen sind universal ständig vorhanden – und befreien die Produktion von der Hühnereiweißbasis, auf die Menschen zudem auch sensibel reagieren können.

Die Suche nach Alternativen geht weiter
Gegenwärtig gibt es drei verschiedene Alternativen zum Hühnerei: MDCK-Zellen aus Hunden, Verozellen aus der Meerkatze und PER.C6-Zellen aus humanen Zellen. Die Fachgruppe Bioprozesstechnik am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg verfügt bereits über ausreichend Know-how, Säugerzellen für die Impfstoffherstellung zu verwenden.
Das Team um Prof. Dr. Udo Reichl und Verena Lohr hat Vorläuferzellen aus der Netzhaut von Embryonen der Moschusente (AGE1.CR) gewonnen und auf ihre Eignung für die Impfstoffproduktion hin untersucht. Im Gegensatz zu Hühnerzellen weisen diese nur wenig virale Elemente in ihrem Erbgut auf, was das Risiko bei der Impfstoffproduktion erheblich verringert. Die Entenzellen reagieren gleich auf mehrere injizierte Viren und produzieren Abwehrstoffe gegen Influenza-Viren, abgeschwächte Pockenviren sowie gegen Tollwut- und Herpesviren. Gleichzeitig wurde der Zelllinie noch als alternative ein Gen mit auf den Weg gegeben, dass die Virenausbeute steigern soll. „Wir konnten also zwei Zelllinien vergleichen – die ursprüngliche und die modifizierte (AGE1.CR.pIX). Wir haben untersucht, unter welchen Bedingungen sich Zellen und Viren optimal vermehren du welche Prozessparameter für die Impfstoffherstellung entscheidend sind“, erklärt Prof. Reichl.
Die Vogel-Designerzellen zeigen für die Forscher eine ebenso gute Produktivität wie die herkömmlichen Zellkulturen. „Die AGE.CR Zellen können sich als industriefreundliche Zelllinie etablieren“, fasst Prof. Reichl das Ergebnis zusammen.

Lesestoff:
Heute erscheint die Originalveröffentlichung des MPI:
Verena Lohr, Alexander Rath, et al.: „New avian suspension cell lines provide production of influenza virus and MVA in serum-free media: Studies on growth, metabolism and virus propagation; Vaccine, Volume 27, Issue 36, 6. August 2009, doi: 10.1016/j.vaccine.2009.05.083 Pages 4975-4982

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