Initiative Tierwohl vor dem Aus

Landwirtschaft

„Abstellen oder Betrieb einstellen!“

Es ist nicht neu, was am Mittwoch im Bundestag im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutiert wurde. Aber es hat eine neue Qualität, die zwingend Folgen nach sich ziehen muss.

Es geht um die Bilder aus Nutzviehställen, die Panorama in der letzten Woche gezeigt hat und die jedes Mal betroffen machen, sagte Christina Jantz-Herrmann von der SPD. Für die Opposition sind die Bilder ein gefundenes Fressen. Nach Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) liegt der Schwarze Peter beim Bundesagrarminister Christian Schmidt auf dem Tisch. Da Bilder auch aus Ställen von Landesbauernpräsidenten Johannes Röring (Präsident desWestfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband) und Thüringens Landesbauernpräsident Helmut Gumpert, dem Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Thomas Storck, und von Paul Hegemann, Vorsitzender des Zentralverbandes der Deutschen Schweineproduktion (ZDS) stammten, zieht das Argument des vereinzelten schwarzen Schafes nicht mehr. Es sind keine Bilder aus Ställen des Agrargroßindustriellen Straathof gewesen.

Reflexhaft hat Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, sicher den richtigen Medienknopf gedrückt: „Man muss jeden einzelnen Fall der kritisierten nicht sachgemäßen Tierhaltung in den ausgestrahlten Videos … eingehend analysieren“.

Aber es geht nicht nur um die Funktionäre der obersten Bauernverwaltungen, bei Johannes Röring geht es um den eigentlichen Kopf hinter der Brancheninitiative Tierwohl, die angetreten ist, mehr Tierschutz in die Breite zu tragen. Die Standarderklärungen ziehen nicht mehr, warnt Ostendorff und verweist auf einige Agrarmagazine, die ebenfalls schon vorsichtig Kritik äußern. „Das Märchenschloss Tierwohl steht in Flammen“, so Ostendorff.

Doch der Union fiel außer Standarderklärungen nichts ein. Dieter Stier (CDU) kritisierte die Medien und die Kampagnenleiter und die Gerichte, die in dem Tierwohl ein höheres Schutzbedürfnisse sehen und den Filmemachern, die illegal an die Bilder gelangt sind, freisprechen. Der Bundeslandwirtschaftsminister ließ die Unionsredner gewähren, saß auf der Regierungsbank und blickte zumeist versteinert. Das Wort ergriffen hat er nicht.

Dabei steht er mehr denn je in dem Versprechen mit einem staatlichen Tierschutzlabel den endlosen Kritikern endlich den Wind aus Segeln zu nehmen. Eine Zusammenarbeit mit der Initiative Tierwohl, die neben Röring sonst nur anonyme Betriebsleiter aufweisen kann, wird Schmidt auf diesen Weg nicht weiterbringen.

Überhaupt ist mal wieder die Wagenburgmentalität ausgebrochen. Für Kirsten Tackmann (Die Linke) sitzen die Schuldigen in den Schlachtkonzernen und im Handel, die immer wieder Preise drücken und den Landwirten wenig Chancen lassen, Tierwohlstandards einzuhalten. Sie kritisierte zwar die illegal beschafften Bilder, musste aber eingestehen, dass Lösungen nicht in Sicht sind. Ihr Credo: „Ich möchte nicht, dass wir die heimische Tierhaltung verlieren.“

Doch genau das droht zu passieren. Wo ist die schweigende Mehrheit der Bauern, die ihre Tiere gut pflegen? Sie sind nach den Tieren die ersten Verlierer, denn ihnen ist mit der Brancheninitiative die unschuldige Mitgliedschaft verloren gegangen.

Einzig Marlene Mortler von der CSU hat den Zwang zum deutlichen Handel  als einzige konkret angesprochen. Die Mehrheit wird mit den nicht nur schwarzen Schafen immer mehr in einen Topf geworfen. Die Landwirte und Verbraucher sind verunsichert: „Was sollen wir überhaupt noch glauben?“ Das musste übrigens auch der Bio-Vorzeigehof Hermannsdorfer Landwerkstätten schon erfahren. Auch bei Nutztieren mit Familienanschluss gebe es Tote und Verletzte. Die Kampagnentreiber aber wollen die „Gesellschaft zur veganen Lebensweise umerziehen.“

Um zuerst einmal diesen Kampagnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, kann nur noch ein wirklich transparentes Haltungssystem für alle Tierarten Abhilfe schaffen, das auch eine eindeutige Rückverfolgbarkeit beinhaltet. Und: Die Konsequenzen müssen eindeutig sein: „Abstellen oder Betrieb einstellen“, wie es Marlene Mortler formulierte.

Da müssen auch die Branchenverbände gegen die eigenen Funktionäre im Sinne der mehrheitlich schweigenden guten Tierhalter endlich einmal Kante zeigen. Sonst halten sie den schwarzen Schafen immer den Steigbügel auf Kosten der Mehrheit.

Einzig Johannes Röring hat eine Eidesstattliche Erklärung des Amtstierarztes vorgelegt, dass die bei ihm gezeigten erkrankten Tiere, im Krankenstall separiert waren. Das habe der NDR ignoriert.

Die Zahl der Baustellen beim Tierschutz ist unübersichtlich geworden. Christina Jantz-Herrmann (SPD)  wünscht sich, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium den Bericht des Kompetenzkreises Tierwohl nicht so stiefmütterlich behandelt wie das Nutztiergutachten des Sachverständigenrates. Die Debatte hat auch gezeigt: Beim Tierwohl ist die große Koalition schon Geschichte.

Roland Krieg

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