Intelligente Landnutzung ist gefragt
Landwirtschaft
Bodennutzungstagung der awig
Am Freitag lud die Deutsche Agrarwissenschaftliche Gesellschaft (awig) zur 15. Jahrestagung mit dem Thema Bodennutzung im Spannungsfeld zwischen Nahrungsgüterproduktion und Energiepflanzenanbau nach Seddin ein.
Auf Biomasseimporte angewiesen
Um fossile Energieträger zu ersetzen, müsse man zwar
nicht unbedingt auf Biomasse zurückgreifen, sie haben jedoch derzeit einen
großen Anteil, erklärt Dr. Hans-Jürgen Froese aus dem
Bundeslandwirtschaftsministerium. Biomasse habe den Vorteil grundlastfähig zu
sein. Bis zum Jahr 2020 sollen 20 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen
gewonnen werden, heute sind es rund 9,1 Prozent. Die Biomasse stellt mit sechs
Prozentpunkten den bedeutendsten Anteil.
Das ist aber nicht alles, da auch ein erheblicher
Anteil der stofflichen Welt aus Biomasse gewonnen werden muss, fallen demnächst
die fossilen Kohlenstoffquellen weg. Bis 2030 sollen rund 30 Prozent der
Gesamtproduktion der chemischen und pharmazeutischen Industrie auf Biomasse
basieren.
Deutschland wird dabei an seine Grenzen stoßen,
ausreichend Fläche zur Verfügung zu stellen. Insgesamt stehen 12 Millionen
Hektar Ackerfläche, fünf Millionen Hektar Grünland und 10,5 Millionen Hektar
Wald zur Verfügung. Rund zwei Millionen Hektar werden heute mit nachwachsender
Biomasse bestellt.
Insgesamt sollen rund 1.400 Petajoule von geplanten
7.000 PT Primärenergie aus Biomasse stammen. Potenzialschätzungen zeigen die
Grenzen auf. 500 Petajoule könnten aus der Forstwirtschaft kommen, 400 PT aus
der Landwirtschaft und 100 aus der Reststoffverwertung. So bleiben zur
Erreichung der Klimaziele und 400 PT Deckungslücke, die importiert werden
müssen. Innerhalb Deutschland sind nur noch wenige Flächen neu zu erschließen.
So könnten Ertragssteigerungen ein Potenzial von einer Million Hektar Fläche
erschließen, 0,8 Millionen Hektar könnten aus Brach- und sonstigen Flächen
stammen und der Bevölkerungsrückgang setzt umgerechnet 0,4 Millionen Hektar
frei. Umgekehrt verringert der Flächenverbrauch von etwa 120 Hektar am Tag die
verfügbare Biomassefläche um 0,1 Millionen Hektar.
Für Dr. Froese gibt es derzeit zu viele verschiedene
Strategien und Konzepte, die eher verwirren als ein einheitliches Bild ergeben.
Mal wird die stoffliche Nutzung in den Vordergrund gestellt, dann die
Treibstoffversorgung, mal stehen nationale, mal globale Strategien im Fokus.
Bei allen sollte das Potenzial der tatsächlichen Flächennutzung mehr
Berücksichtigung finden. Die Balance zwischen Nahrungs- und Energiepflanzenanbau
könne nur im globalen Maßstab gefunden werden, so Froese.
Brandenburg hat noch freie Flächen
Brandenburg weist 1,3 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche auf. Vom Potenzial mehr als 300.000 Hektar für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung stellen zu können, sind derzeit rund 161.000 Hektar realisiert. In Brandenburg wachsen Raps für die Dieselölherstellung, Roggen für die Ethanolproduktion, Mais und Gras für die Biogasherstellung und Kurzumtriebsplantagen werden in Form von Pellets für den Wärmemarkt genutzt. Flächen sind seit 1990 frei geworden, weil der Rinder- und Kuhbestand um 27 Prozent abgenommen hat. Auch der Feldfruchtanbau von Tabak und Lein hat durch seinen Rückgang Flächen frei gestellt, fasst Dr. Karsten Lorenz vom Landesbauernverband die Landnutzung zusammen
Anbau und Nutzung als erneuerbare Energie (eE) |
||
Feldfrucht |
Anbau 2010 insgesamt (in ha) |
Perspektive 2011 als eE (in ha) |
Roggen |
206.000 |
40.000 |
Grünroggen |
16.000 |
8.000 |
Silomais |
143.000 |
42.000 |
Sorghum |
2.078 |
2.000 |
Raps |
131.000 |
43.000 |
Agrarholz |
687 |
1.000 |
Q: Agrarbericht, Dr. Lorenz |
Dr. Lorenz wehrt sich gegen den Begriff der
„Vermaisung“ der Landschaft durch den Biogasboom. Zwar gehe jeder vierte Hektar
Mai in den Fermenter, aber drei von vier Hektar Mais landen im Futtertrog. Ende
2009 gab es in Brandenburg 176 Biogasanlagen, Ende 2010 hätten es 307 sein
können, doch wurden nicht alle genehmigten auf Grund finanzieller Probleme auch
gebaut.
Die Politik hat maßgeblichen Einfluss auf den Markt.
Fast jedes Jahr hat es fördernde und hemmende politische Entscheidungen
gegeben: Im Jahr 2008 fiel die Stilllegung weg, ein Jahr später wurde die
Energiepflanzenprämie in Höhe von 45 Euro je Hektar gestrichen. 2009 wurde die
Beimsichungsquote gesenkt, die Besteuerung angehoben. Seit 2010 greift die
Bimasse-Nachhaltigkeitsverordnung, in diesem Jahr wurde die Einführung von E10
an den Tankstellen realisiert und im nächsten Jahr soll das novellierte EEG
greifen.
Der Landesbauernverband möchte den Anbau von
nachwachsenden Rohstoffen in den Vordergrund stellen. Für die Bauern sei die
Schweinehaltung kaum noch ein lohnender Wirtschaftszweig, die Milchproduktion
habe sich gerade erst wieder stabilisiert – aber mit den erneuerbaren Energien
können die Bauern neue Absatzmärkte schaffen. Derzeit werden in Brandenburg im
Durchschnitt 20 Prozent der Gülle in der Biogasanlage verwertet, erhöht werden
soll der Anteil nach Dr. Lorenz auf 70 Prozent. Dabei ist es wichtig, dass die
Biogasproduktion in bäuerlicher Hand bleibt, damit mit den Gärresten die
Nährstoffe auch wieder zurück auf den Acker gelangen.
Mais nicht dominant
Uwe Mertin, Bereichsleiter Pflanzenproduktion in der
Agrargenossenschaft Trebbin gab Einblick in die Betriebsstrukturen eine
Brandenburger Großbetriebes. Von den 4.290 bewirtschafteten Hektaren entfallen
2.970 auf den Ackerbau, 770 auf intensives Grünland für die Milchproduktion und
520 auf extensives zur Rindfleischproduktion. Mit 23 Bodenpunkten und einer
Grünlandzahl von 27. Der Betrieb hat 600 Milchkühe, die im Durchschnitt 9.750
Kilogramm Milch geben, 750 Mastrinder und 250 Mutterkühe. Es gibt eine
Biogasanlage, die einen Megawatt elektrische Energie liefert. Im Jahr werden
rund 8,3 Millionen kWh für jeweils 0,168 Cent verkauft. In Vorbereitung ist
eine neue Anlage zur Gaseinspeisung. Wärme spiele keine Rolle, das die Region
für den Wärmemarkt bereits gut erschlossen ist.
In den letzten zehn Jahren hat der Betrieb rund 20
Prozent seiner Rinder aufgegeben und ist die Maisanbaufläche von auf 60 Prozent
zurückgegangen. Gleichzeitig stieg der Anbau von Luzerne und Futterroggen von
100 auf 322 Prozent.
2.970 Hektar Ackerbau Agrargenossenschaft Trebbin 2010 |
|||
Getreide |
1.085 |
Sonnenblumen |
554 |
Raps |
429 |
Mais |
870 |
Erbsen |
81 |
Sorghum |
120 |
Lupinen |
80 |
Sonst. |
220 |
Q: Uwe Merting AGT |
Mais spielt also nicht die dominante Rolle für die Biogasanlage. Zwischen 2005 und 2010 stieg die Anbaufläche nur von 664 auf 870 Hektar. Die Biogasanlage wird täglich mit 45 Tonnen Biomasse beschickt. 30 Tonnen sind Mais, elf Tonnen Anwelksilage, zwei Tonnen Sorghum, 0,4 Tonnen GPS-Getreide, 0,7 GPS-Korn und 1,4 Tonnen Futterreste. Zudem werden täglich 54 Tonen Gülle eingeleitet. Mais wird bei der Erweiterung der Biogasanlage keine Rolle spielen. Hier setzt die Agrargenossenschaft auf Anwelksilage. Als Gärrest fallen nach Faustformel ein Drittel des Substrates und das Güllevolumen an.
Kreativität ist gefragt
Die Agrargenossenschaft Trebbin zeigt mit ihren Zahlen,
dass eine kreative Anbauplanung für die Biogasproduktion nicht einseitig auf
Mais setzen muss. Prof. Dr. Ulrich Steffin, Präsident der awig, folgerte dann auch, dass die
Betriebe ihre Kreativität nutzen sollten. Das sagte er auch hinsichtlich der
Humusbilanz, die für die Agrargenossenschaft insgesamt positiv und bei rund
einem Drittel der Flächen optimal ist. Dünger wird zunehmend ein
kostenintensives Betriebsmittel, so dass der Markt die Bauern auffordert,
wieder mehr auf die Humusbilanz zu achten.
Inwieweit der Ökoanbau eine Rolle spielt bleibt offen.
Nach Dr. Froese läuft diese Betrachtung auf einen Konflikt hinaus, da
angesichts des bisherigen Flächenanspruchs der Ökolandbau nur schwer zu
berücksichtigen ist. Eine Ausdehnung des Ökolandbaus an sich beansprucht
ebenfalls eine Flächenausdehnung.
Ein Problem sind die nicht-landwirtschaftlichen
Betriebe, die Flächen zur reinen Energieerzeugung pachten oder kaufen, um
alleine damit Gewinne zu erzielen. Sie betrachten zur Erreichung ihrer Ziele
beispielsweise nicht unbedingt die Humusbilanz. Nach Dr. Lorenz möchte der
Landesbauernverband schon darauf achten, dass die Flächen der BVVG in
bäuerliche Hand kommen, doch ist die Zielsetzung des Flächenverwalters darauf
ausgerichtet, möglichst viel aus dem Landverkauf heraus zu holen.
Eine Bearbeitung dieses Themas ist nach Dr. Froese
schwierig. Denn wenn selbst regionale Bauern Vorkaufsrechte erhielten, haben
die Bauern auch die Freiheit der Verpachtung. Das hindere
nicht-landwirtschaftliche Gesellschaften also nicht von der reinen Energieerzeugung.
Roland Krieg