Interpretationssache EU-Öko-VO

Landwirtschaft

Risiko, Chance und mäßiges Ergebnis

Mit aktuell 27 Mitgliedsländern und zahllosen Lobbygruppen in Brüssel und Straßburg hat der Entscheidungsprozess in der EU eine herkulische Aufgabe übernommen. So stellte sich gestern auf der Nürnberger BioFach Walter Rombach vom Prüfverein Verarbeitung in einer Diskussion über die Chancen und Risiken der neuen Verordnung, die Frage, wie die EU künftig ihre Prozesse gestalten will. So wie es bei der neuen EU-Öko-Verordnung gelaufen ist, könne es nicht bleiben.

Prozessfrage
Wolfgang Reimer, Unterabteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium und wie fast alle Teilnehmer an der Diskussion im direkten Entscheidungsprozess beteiligt, beschrieb, wie es zu dem überraschenden Ergebnis kam. Ein Hauptfehler sei gewesen, dass unter der österreichischen Rats-Präsidentschaft das Vorhaben vom Gesundheitsministerium federführend übernommen wurde und nicht vom Landwirtschaftsministerium. Da wurden andere Schwerpunkte gesetzt. Reimer hatte die Vorstellung, dass das Ergebnis der Verordnung in die halbjährige Rats-Präsidentschaft Deutschlands fallen würde, aber die Arbeitsgruppe der EU hat die Verordnung im Dezember schnell auf die diplomatischen Arbeitskreise der Agrarministerien gezogen. Die Nachteile liegen darin, dass dort die einzelnen Probleme nicht bekannt sind, die Vorteile aber, dass Verordnungen schneller umgesetzt werden, weil sich keine Fachexperten in Detaildiskussionen verlieren. Zudem seien viele Mitgliedsländer mit den Anforderungen für eine neue Öko-Verordnung „schlichtweg überfordert gewesen“, so Reimer. Der Ökolandbau hat nicht in allen Ländern einen hohen Stellenwert. Lediglich Österreich und Frankreich hätten zusammen mit Deutschland „die gleiche Leidenschaft“ eingebracht, was für eine Bündnismehrheit bei einer Kampfabstimmung zu wenig gewesen sei. Reimer gibt sich aber zuversichtlich, dass bei der Ausarbeitung der Details noch vieles zum Guten gewendet werden kann.

„Chance vertan“
Aus Sicht der Anbauverbände sprach Walter Zwingel von Naturland von einer „vertanen Chance“. Es hätte aber schlimmer werden können, jedoch solle man die Beibehaltung des Status quo nicht als Erfolg feiern. Er hält den gesamten Aufwand für die Neuordnung für eine Ressourcenverschwendung.
Aus Sicht der Verarbeiter hingegen sieht Dr. Alexander Beck von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AOEL) die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette besser gewährleistet als in der alten VO 2092. Besonders gut sei die eingeführte Evaluierung für Wirkstoffe.
Walter Rombach hingegen ist aus Sicht der Kontrolleure richtig zufrieden, dass die alte Verordnung überarbeitet worden ist. Insbesondere die Kontrollverfahren wurden nur in Anhängen geregelt und ließen immer wieder Interpretationsmöglichkeiten zu, ob die Inhalte Gesetze sind oder nicht.

Lesarten
Auf keinen gemeinsamen Nenner kam die Diskussionsrunde, ob die neue Verordnung besser geordnet ist oder nicht. Was sei der Unterschied zwischen einem spezifischen und allgemeinen Teil, was ist der Unterschied zwischen einer Zielsetzung und einer Anforderung? Ohne die noch zu bestimmenden technischen Details der Durchführungsbestimmungen, bliebe vieles noch im Unklaren. Ziele könne man nicht kontrollieren, aber eine technische Anweisung.
Seit Wochen gibt es Unklarheiten darüber, was es mit den Zulassungen von synthetisch-chemischen Wirkstoffen auf sich hat. Geschuldet werde dieser Teil den nationalen Gepflogenheiten. So spülen portugiesischen Bauern ihre Beregnungsanlagen mit einem Mittel, das auch für die Mineraldüngung zugelassen ist. Reimer gibt der Verordnung Pluspunkte, solche Mitteleinsätze zu prüfen und zu klären, „damit die Portugiesen bei dieser kleinen Sache keinen Wettbewerbsnachteil erleiden“. Einer Absage erteilt er der Lesart, dass auf diesem Wege Pflanzenschutzmittel für den Ökolandbau zugelassen werden könnten. Walter Zwingel beschreibt, was denkbar wäre: Es gibt kein natürliches Beizmittel gegen den Zwergsteinbrand und die Züchtung brächte vielleicht erst in 20 Jahren tolerante Getreide hervor. Die Pflanzenschutzmittelindustrie könnte die Wirkstoffliste als Schlupfmittel nehmen, synthetische Stoffe in den Ökolandbau einzuführen.
Andererseits könnten synthetische Pheromonfallen einer Evaluierung unterzogen werden, damit man nicht auf knappe natürliche Ressourcen zurückgreifen muss. Würde eine Positivliste als Anhang beigefügt werden, dann könnte jemand, der ein nicht toxisches, kaum nachweisbares, aber synthetisches Mittel erfunden hat, sich rechtlich auf diese Liste hinzuklagen?

Die Diskussionen um die neue Verordnung haben jetzt ihren inhaltlichen Schwung aufgenommen. Die Entwicklung der neuen EU-Ökoverordnung vom ersten Entwurf 2005 bis zum „general approach“ im Dezember 2006 mit vielen Stellungnahmen aus der Branche können Sie unter www.gfrs.de/aktuelles.html aufrufen.

roRo

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