Interview mit BASF zur grünen Gentechnik
Landwirtschaft
BASF sieht in Europa keine Chance für grüne Gentechnik
Die BASF hat in der letzten Woche bekannt gegeben, die Zulassungen für gentechnische Kartoffeln Fortuna, Amadea und Modena in Europa zurückzuziehen. In North Carolina hingegen wird BASF Crop Science die Forschung für pilzresistente Pflanzen weiter betreiben. Ein Jahr zuvor wurde die Gentechniksparte der BASF in die USA verlegt. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft feiert den Rückzug der Zulassungen als wichtigen Erfolg für die gentechnikfreie Bewegung.
Herd-und-Hof.de hat mit BASF-Sprecher Thomas Deichmann über Hintergründe und einen Ausblick gesprochen.
HuH: Die europäischen Projekte zu den gentechnisch veränderten Kartoffeln Fortuna, Amadea und Modena werden von der BASF gestoppt. Es fänden sich keine Wirtschaftspartner, um die Investitionen zu refinanzieren. Hat die grüne Gentechnik in Deutschland überhaupt noch eine Chance beim Verbraucher? „Gentechnikfreiheit“ gilt mittlerweile auch bei konventionellen Lebensmittelprodukten als zu bewerbendes Qualitätsmerkmal.
Thomas Deichmann: Wir sind davon überzeugt, dass die Pflanzenbiotechnologie eine Zukunftstechnologie darstellt und ihre Anwendung für die BASF ein attraktives Geschäftspotenzial bietet. Die Pflanzenbiotechnologie wird weltweit intensiv genutzt. So wurden allein im Jahre 2011 gentechnisch veränderte Pflanzen von annähernd 17 Millionen Landwirten in 29 Ländern auf insgesamt etwa 160 Millionen Hektar kultiviert.
Wir haben jedoch auch die Entwicklungen der politischen Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz der Pflanzenbiotechnologie in Europa verfolgt. Vor diesem Hintergrund haben wir Anfang 2012 die strategische Entscheidung getroffen, auf Märkte zu fokussieren, in denen wir für unsere Produkte Vermarktungschancen sehen. Dies sind im Wesentlichen die Märkte in Nord- und Südamerika und Asien.
Im Zuge der Neuausrichtung wurden bereits im vergangen Jahr Forschungsprojekte, die auf die alleinige Kommerzialisierung in Europa zielten, eingestellt. Diese Entscheidung umfasste die gentechnisch optimierten Stärkekartoffeln Amflora, die bereits eine Marktzulassung hatte, sowie Amadea und Modena und die gegen Kraut- und Knollenfäule resistente Kartoffel Fortuna. Zur Erhaltung aller unternehmerischen Optionen wurden die bereits eingereichten Zulassungsanträge und Sortenschutzverfahren für die Kartoffelprojekte Amadea, Modena und Fortuna weiterverfolgt.
Vor allem wegen der Unwägbarkeiten im regulatorischen Umfeld haben wir nun entschieden, diese europäischen Zulassungsprozesse einzustellen, da weitere Investitionen nicht gerechtfertigt werden können. Die Rahmenbedingungen für die Pflanzenbiotechnologie haben sich soweit verschlechtert, dass BASF auf absehbare Zeit keine Chancen für eine erfolgreiche Entwicklung und Kommerzialisierung gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa sieht.
HuH: Zur Kartoffel-Sorte Fortuna heißt es, dass die Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule schnell zu durchbrechen ist, da sie nur auf zwei Genen basiert. Rechnen sich dann hohe Investitionskosten für Fortuna überhaupt.
Thomas Deichmann: Den Ende 2011 eingereichten europäischen Zulassungsantrag für die Fortuna haben wir aus oben genannten Gründen ebenfalls zurückgezogen.
Die Fortuna lieferte wie unsere anderen Kartoffelsorten in Feldversuchen gute Ergebnisse und zeigte im konkreten Fall eine stabile Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule. Es gibt hierbei keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl transferierter Gene und der Stabilität einer gewünschten neuen Pflanzeneigenschaft wie der Pilzresistenz. In die Fortuna haben unsere Wissenschaftler zwei Gene einer Wildkartoffelsorte übertragen, weil genau diese beide Gene für die Phythophtora-Resistenz verantwortlich sind. Diese Resistenzwirkung hatten Wissenschaftler bereits Mitte letzten Jahrhunderts entdeckt. Mit klassischen Züchtungsmethoden war es aber nicht gelungen, diese beiden Gene erfolgreich und ohne Qualitätsverslust in moderne Speisekartoffeln zu übertragen.
Eine andere Form von Resistenzbildung kann es auf Seiten von Krankheitserregern oder Fraßschädlingen im Landbau geben. Hierdurch kann die Wirksamkeit eines Züchtungserfolgs über die Jahre beeinträchtigt werden. Dies ist aber weder eine neue noch eine speziell für die Biotechnologie zutreffende Herausforderung für Landwirte weltweit. Lösungen bieten hier beispielsweise die Regeln der guten fachlichen Praxis. Bei unseren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten haben wir speziell bei der Fortuna keine Resistenzbildungen der Schaderreger beobachten können.
HuH: Ein Jahr zuvor wurde BASF Plant Science in die USA verlegt. Gilt denn das Ausland, wie USA, Südamerika, Indien und China noch als „Mekka der grünen Gentechnik“?
Thomas Deichmann: In Nord- und in weiten Teilen Südamerikas zählt die Pflanzenbiotechnologie zum Standard in der Landwirtschaft und im Agrarhandel. Allein in den USA wurden 2011 rund 69 Millionen Hektar Ackerland mit gentechnisch verbesserten Pflanzen kultiviert. Dort gibt es entsprechend eine hohe Akzeptanz bei Landwirten und Endverbrauchern. Studien zeigen, dass die Anerkennung der Pflanzenbiotechnologie mit der Erfahrung wächst, welche Landwirte mit gentechnisch veränderten Pflanzen sammeln können. Dies zeigt sich auch innerhalb Europas in Spanien, wo insektenresistenter Mais kultiviert wird.
Im internationalen Vergleich der Anbauflächen folgte 2011 auf die USA Brasilien mit 30,3 Millionen Hektar an zweiter Stelle, gefolgt von Argentinien (23,7 Mio. ha), Indien (10,6 Mio. ha), Kanada (10,4 Mio. ha) und China (3,9 Mio. ha).
Die Entscheidung, den Hauptsitz von BASF Plant Science in den Research Triangle Park (RTP) in North Carolina zu verlegen, lag die Zielsetzung zugrunde, sich fortan auf die Hauptmärkte in Nord- und Südamerika sowie den Wachstumsmarkt Asien zu konzentrieren.
HuH: Eine These zum Wandel der grünen Gentechnik: Die „alte“ grüne Gentechnik mit „einfachen“ Lösungen hat Pflanzen hervorgebracht, über die vermehrt Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden kann und die mit Patenten Kleinbauern von der Partizipation ausschließt. Die „neue“ grüne Gentechnik arbeitet im Stoffwechsel der Pflanzen, um die Sorten zu finden, die mit effizientem Schließmechanismus der Stomata Trockenheit besser überstehen. „Smart Breeding“ für die konventionelle Zucht findet auch Unterstützung bei manchem Kritiker der Gentechnik [1]. Braucht BASF eine neue Aufklärungs- und Kommunikationsstrategie für die Sparte grüne Gentechnik?
Thomas Deichmann: Ihre These widerspricht unserer Erfahrung und auch dem, was wir aus der Fachliteratur entnehmen können. Die Pflanzenbiotechnologie leistet heute schon einen Beitrag, um die Landwirtschaft effizient und nachhaltig gestalten zu können. Sie hilft dabei, ohnehin nur begrenzt verfügbares Ackerland angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung einzusparen. Sie hilft auch dabei, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und aufgrund der vereinfachten Feldbewirtschaftung von weiteren Ressourcen zu reduzieren. In unseren Augen spielt sie – neben anderen Innovationen bei Pflanzenzucht und Ackerbau – eine bedeutende Rolle bei der erforderlichen nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft.
HuH: Für Nordamerika haben Sie angekündigt, auch die Entwicklung von angereichertem Mais für die menschliche Ernährung zu stoppen. Um was ging es dabei?
Thomas Deichmann: Bei diesem Maisprojekt in den USA ging es nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein Futtermittel für die Halter von Schweinen und Geflügel. Diesen Futtermais haben unsere Forscher mithilfe der Biotechnologie mit speziellen, für die Tierernährung wichtigen Fettsäuren anreichern können. Dieses Projekt haben wir wegen des sich veränderten Marktumfelds eingestellt.
HuH: BASF ist im Bereich der „Strategischen Allianz zur Nährstoffanreicherung von Öl und anderen Nahrungsmitteln“ SAFO aktiv, insbesondere bei der Anreicherung von Vitamin A in Palmöl für die indonesische Bevölkerung. Wie geht es denn da weiter?
Thomas Deichmann: BASF ist mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in der „Strategischen Allianz zur Nährstoffanreicherung von Öl und anderen Nahrungsmitteln“ (SAFO) aktiv. Über die kostengünstige Anreicherung von Speiseölen mit Vitamin A in sechs verschiedenen Ländern konnte die Ernährungssituation von 150 Mio. Menschen verbessert werden. Zukünftig wird SAFO mit einem noch stärkeren Fokus auf Mütter und Kindergesundheit fortgesetzt - mit Unterstützung der Bundesregierung, der Gates-Stiftung sowie weiteren deutschen Unternehmenspartnern. Unser gemeinsames Ziel bleibt es, möglichst vielen unterernährten Menschen mit Hilfe lokaler Landwirte und Nahrungsmittelhersteller mehr und gesünderes Essen zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen.
HuH: Vielen Dank Herr Deichmann.
Die Fragen stellte Roland Krieg
Lesestoff:
[1] „Smart Breeding“: „Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies“. Marker können Zielgene oder DNS-Abschnitte die mit gewünschten Eigenschaften auftauchen identifizieren und für die Kreuzung auswählen. Voraussetzung ist das Wissen über den Genotyp der Pflanzen.
Tilling: „Targeting Induced Local Lesions In genome“: Chemisch oder mit Röntgenstrahlen behandelte PFlanzen erzeugen Punktmutationen, wie sie natürlicherweise auftauchen. Mit Hilfe eines DNS-Analyseverfahrens kann eine Pflanze gefunden werden, die beispielsweise ein Gen inaktivert hat, welches für eine bestimmte, ungewünschte Eigenschaft verantwortlich ist.
TALEN: „Transcription Activator-like Effector Nucleases“: Das ist ein Mikro-Skalpell auf molekularer Ebene, das ein Genom an jeder Stelle so zerschneiden kann und sich ein neuer „Wunschabschnitt“ einfügen lässt. Das Geheimnis liegt in der Universalität des TALE. Normalerweise sind Protein und DNS mit den vier Basen (AGTC) wie Schlüssel und Schloss aufeinander abgestimmt. TALE hingegen ist an einer Stelle mit den vier Basen so variabel aufgestellt, dass sie wie ein Generalschlüssel wirken und eigentlich nicht passende Genabschnitte miteinander verbinden.
BASF verlagert Gentechnikbereich in die USA
SAFO-Konferenz zur Nahrungsmittelanreicherung
Roland Krieg