Italiens Landwirtschaft unter Meloni
Landwirtschaft
Italiens Rechte hat wenig Inhalte für die Landwirtschaft
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Italien ist den vergangenen vier Jahrzehnten um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Gab es 1982 noch rund 3,13 Millionen Betriebe sind es nach Ermittlung des statistischen Amtes in Italien 2020 nur noch 1,33 Millionen gewesen. Dabei hat sich die durchschnittliche Fläche von 5,7 auf 11,1 Hektar verdoppelt. Der Strukturwandel wird sich aus demografischen Gründen beschleunigen. Nur noch 13 Prozent der italienischen Landwirte sind jünger als 44 Jahre [1].
Umso interessanter ist es, dass die Landwirtschaft noch 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, wie der italienische Bauernverband „Coldiretti“ vor der Wahl in Italien unterstrich. Die Situation und der Trend sind nicht etwas besonders italienisches, sondern entsprechen dem Trend aller Länder der Europäischen Union. So will auch Italien zwischen europäischer Agrarpolitik und Ernährungssouveränität balancieren, was zum Teil vom rechten Rand der Politik, wie die „Fratelli d´Italia“ von Giorgia Meloni, metaphysisch mitgetragen wird - aber im Detail Antworten schuldig bleibt.
Unrentable Hanglagen
Die Landwirtschaft unterliegt mit ihrer Ortsgebundenheit und geschichtlichen Prägung immer nationalen Strategien, die von den italienischen Rechten mit dem Motto „Landwirtschaft: unsere Geschichte, unsere Zukunft“ umworben wurde. Dabei unterliegt Italien der besonderen Anforderung der Wirtschaftsweise in typischen Hang- und Mittelgebirgslagen, die nach Raffaele Talarico von der DLG Italia unrentabel wie in anderen Ländern sind. So will und kann die italienische Agrarpolitik keineswegs auf die rund 35 Milliarden Euro verzichten, die von Brüssel aus überwiesen werden, betonte Ettore Prandini, Präsident des italienischen Bauernverbandes „Coldiretti“ vor der Wahl. Die italienische Agrar- und Ernährungsindustrie verfolgt mit „Made in Italy“ die übliche Marketingstrategie der besonderen und traditionellen Produkte, die es zu schützen gilt. Prandini fordert spezielle Haushausmittel für die Stärkung des natürlichen Reichtums Italiens. Mit Schinken, Käse, Wein und Oliven darf das Land auch international erfolgreich werben.
Made in Italy
Also müssen die internationalen Handelsabkommen, wie der Mercosur mit den südamerikanischen Ländern, die Spezialitäten schützen und nicht mit Billigimporten gefährden. Das schließt nach Prandini auch die Ablehnung von synthetischen Lebensmitteln wie Fleisch und Milch aus dem Fermenter aus, die einen „Angriff auf die italienischen Ställe und das gesamte Made in Italy“ seien. Das sei eine falsche Nachhaltigkeit.
Unter diesem Aspekt hält Coldiretti auch am italienischen Batteriemodell für die Nährwertkennzeichnung fest und lehnt den geplanten europäischen NutriScore ab. Das sei ein unvollständiges Abbild von Lebensmittel und führe zu diskriminierenden Fehlurteilen.
Meloni hat mit dem Versprechen einer nationalen Strategie „zum Schutz des nationalen Agrar- und Ernährungssektors“ Teile der Forderungen aufgenommen und will die EU-Gelder für einen Umbau nutzen. Auch für den Schutz von Produkten „Made in Italy“ und gibt damit die Richtung des italienischen Beitrags zu EU-Handelsgesprächen vor.
Einen Schub beim Ausbau der erneuerbaren Energien könnte die neue Regierung auslösen. Denn die Landwirte leiden unter den hohen Energiepreisen und haben mit vielen Dächern ausreichend Platz für Solarmodule, „die ohne Veto und Vorurteile gebaut werden sollen“, wie Talarico die Partei zitiert. Dazu gehöre aber aus Sicht von Meloni auch die Kernenergie.
Dürre und Wildschweine
Die schwere Dürre in diesem Sommer hat zu einem Umdenken geführt. Meloni wird die Forderung des Bauernverbandes aufnehmen, Wasserreservoire für eine Bewässerung aufzubauen. Dafür ist ein Netz von kleinen Seen vorgesehen, die so Prandini, rund die Hälfte des Regenwassers speichern können. Der Bauernverband plant bis 2030 rund 6.000 Reservoire in meist hügeligem Land. Vorgesehen sind „echte“ Seen ohne Betonfundament.
Wichtig ist den Landwirten, auch unter dem Eindruck der Ausbrüche der Afrikanischen Schweinepest und den Marktverzerrungen, eine konsequente Bejagung von Wildschweinen. Die Jagdzeit für Wildschweine solle verlängert werden. Die Kommunen sollen die Möglichkeit bekommen, auch in Schutzgebieten Wildschweine zu kontrollieren.
Die Rechten und die Mafia
Eigene Ziele der Partei fehlen nach Talarico, oder dürften kaum umsetzbar sein. Ein großes Problem in Italien ist die Bodenerosion, für die das Rechtsbündnis keine konkreten Vorgaben vorgelegt hat. Auch Digitalisierung, Entbürokratisierung oder Agrenergie fehlten. Die Rechten sprechen zwar von einem Kampf gegen „caporalato“, illegalen Landarbeitern, so der DLG-Experte. Doch hinter dem Begriff steckt ein ausgeklügeltes System, in dem rund 180.000 Menschen im ganzen Land im ganzen Agrarbereich versklavt werden. Das hat der fünfte Bericht „Agromafie e caporalato“ der Arbeitsbünndnis der Agrarindustrie (FLAI) im Oktober 2020 hervorgebracht.
Lesestoff:
[1] LEH auf den Punkt… Leseclub 28/2022
Roland Krieg
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