ITB: ... Fern-Reisen

Landwirtschaft

Weltgewänder und Nachhaltigkeit

Fernreisen werden von Kritikern als „Motor der globalen Klassenbildung“ bezeichnet. Rucksacktouristen dringen in abgelegene Regionen vor und wecken Konsumsehnsüchte der Bevölkerung, die von den Reisenden zu Hause nicht immer selbst erfüllt werden können.

Bedrohung oder Hilfe?
Die Kehrseite der Reisemedaille hatte bereits 1780 Revolutionär und Schriftsteller Georg Forster als Begleiter von Naturforscher James Cook beschrieben: „Wahrlich, wenn die Wissenschaft und die Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muss, so wäre es für die Entdecker und Entdeckten besser, dass die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre.“
Mittlerweile flechten sich differenzierte Erkenntnisse in die Betrachtungen des Ferntourismus. Nicht nur, weil er einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren der Welt ist, sondern auch, weil er ein „wesentlicher Faktor für die Verbesserung der Lebensbedingungen sein“ kann, wie die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (gtz) schreibt. Voraussetzung ist, dass der Tourismus die sozialen, kulturellen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte auf der lokalen Ebene berücksichtigt. Dann ist der Tourismus ein „Motor für nachhaltige Entwicklung.“

Das Akha Experiment
Das im Norden Laos´ lebende Bergvolk der Akha ist weitgehend von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ausgeschlossen und hat kaum Zugang zu den Grundversorgungen Gesundheit und Bildung. So Bergdorf in Laoshatte die gtz zusammen mit acht Dörfern der Akha und einem Reiseveranstalter das Projekt „Gemeindebasierter Tourismus in der nördlichen Bergregion Laos“ aufgezogen. Zur Vermeidung negativer soziokultureller Auswirkungen und Umweltschäden wurden regelmäßige Treffen der Dorfvertreter durchgeführt, bei denen Nachteile sofort zur Sprache kamen. Im Verlauf des Projektes wurden zwei „Ecolodges“ aufgebaut und Aktivitäten wie gemeinsame Essenszubereitung und Korbflechten vorbereitet. Zielgruppe sind Touristen, die neben einer Trekkingtour und Naturerlebnisse auch Interesse an der Kultur der Akha mitbringen. Nicht Zuschauer, sondern Mitwirkende sein.

Weltgewänder
Im Süden von Marokko steht ein Hinweisschild im Wüstensand: „Timbuktu 52 Tage“. Gemeint sind Kamelreisetage zur „Stadt der 333 Heiligen“, die lange Zeit Andersgläubigen den Zutritt verwehrte und daher einen Mythos um die Stadt in Mali aufbaute. Mali gilt aber nicht nur als Wurzel des Blues, sondern ist auch die Heimat von Mimi Konaté. Die Designerin aus Bamako hat mit „Weltgewänder“ ein Projekt initiiert, der sich Hochschulen für Kunst und Design aus ganz Deutschland angeschlossen haben.
Muster aus MaliStoffe aus Baumwolle, Seide, Leder, Wolle oder Leinen sind nicht nur Schmuck, Schutz, Handwerk und sinnliches Erlebnis für die Haut. Stoffe dienen auch der Kommunikation. Gerade die Bogolan-Stoffe aus Mali können mit ihren Mustern wie ein Buch gelesen werden. Die reiche Symbolsprache ist nicht nur ein Repertoire der Männer-Geheimbünde, sondern die Kleider für die Töchter tragen Ratschläge für ein glückliches Leben.
Das Weben ist in Mali ein Privileg der Männer. Gefärbt wird mit einem Sud aus Rinde und Blätter traditioneller Bäume. Das Muster wird mit einem Spachtel mit dem eisenhaltigen Schlamm des Niger aufgetragen. So heißt Bogolan „mit Schlamm hergestellt“.
Claudia Kurtzrock von der Welthungerhilfe schätzt an dem Projekt, dass weltweit junge Menschen sich mit dem Thema Textilien auseinandersetzen. Stoffe und Kleidung dienen den Menschen als Identität und sichern nebenbei noch traditionelle handwerkliche Fähigkeiten. Auf der ITB gibt es am kommenden Samstag auf der Bühne der Halle 4.1 eine Modeshow mit den Weltgewändern: 12:00 Uhr, 14:30 Uhr und 16:00 Uhr. Der Stand der Welthungerhilfe befindet sich gleich nebenan: 4.1 / 216

Umweltschutz in touristischen Anlagen
Schon vor 15 Jahren hat der Deutsche Reisebüro Verband (DRV) Umweltempfehlungen für touristische Anlagen herausgebracht. „Jedes Jahr führen Umweltschäden weltweit zu Milliardenverlusten sowie zur Vernichtung unwiederbringlicher Werte, die sich nicht in Geld ausdrücken lassen. Darin liegt eine Herausforderung auch für die Reisebranche, einen Beitrag zum Schutz bzw. zur Wiederherstellung der natürlichen Umwelt zu leisten“, heißt es in der Begründung. Wasser, Abwasser, Wärme- und Lärmisolierung sowie Nutzung regenerativer Energien standen schon damals im Vordergrund.
Ressourcen, die in vielen Regionen knapp sind und oft genug der ländlichen Bevölkerung zugunsten des Tourismus vorenthalten werden.
15 Jahre später hält die gtz auf der ITB 2008 ein Papier bereit, dass „Good Housekeeping in Hotels“ beschreibt. Im Rahmen des Premanet-Projektes werden dreitägige Kurse abgehalten, bei denen Teilnehmer nicht nur etwas über den Einsatz von Energiesparlampen erfahren, sondern auch die Möglichkeiten des effizienten Wassereinsatzes, der Mülltrennung und Materialplanung kennen lernen. Beispielrechnungen zeigen den Teilnehmern die schnelle Amortisation. Die Beispiele sind so angelegt, dass sie in allen kleinen Hotels und Pensionen umgesetzt werden können.
Die gtz befindet sich in der Halle 4.1 Stand 202.

Lesestoff:
Georg Forster ging am 13. Juli 1772 im Alter von 17 Jahren als Schiffszeichner an Bord der „Resolution“ und begleitete seinen Vater, den Pastor und Naturwissenschaftler, Johann Reinhold Forster. Die Reise dauerte drei Jahre und die Forscher legten mehr als 300.000 km zurück. Ziel der Reise von James Cook war, die Existenz der „terra australis“ zu klären. Der Eichborn-Verlag hat 2007 Forsters Reiseberichte mit Handzeichnungen des Autors herausgebracht: „Reise um die Welt“. 648 Seiten, 79,00 Euro; ISBN 978-38218-6203-3

Roland Krieg; Fotos: Muster Mali: Broschüre Weltgewänder der Welthungerhilfe; Bergdorf Laos: gtz

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