Januar-Agrarrat in Brüssel
Landwirtschaft
Der Berliner und der Brüsseler Özdemir
Ende Januar trat der Agrarministerrat erstmals unter schwedischer Präsidentschaft zusammen.
Tiertransporte
Das Thema Tiertransporte und die Überarbeitung der entsprechenden Verordnung EU 1/2005 ist ein Dauerthema ohne Lösung. Zwei Jahre lang Tage sogar ein Sonderausschuss des Europaparlaments und forderte am Ende technische Verbesserungen bei der Temperaturregelung und einen Fokus auf genetisches Material und Fleisch als Ersatz für Lebendviehtransporte ins Ausland. In Berlin hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) Verschärfungen bei der Transportdauer und Verbote von Transporten ins EU-Ausland ins Spiel gebracht. Seine Parteikollegin Miriam Staudte will Lebendviehtransporte ins EU-Ausland auf niedersächsischer Landesebene durchsetzen.
Nicht neu, und alle bisherigen Versuche sind gerichtlich gescheitert. Deutschland steht mit Belgien, Dänemark und den Niederlanden alleine da. Für die Sitzung im Agrarministerrat Ende Januar hat Portugal stellvertretend für Frankreich, Griechenland, Lettland, Litauen, Rumänien und Spanien ein Papier eingebracht, dass in Bezug auf das Strategiepapier „Vom Hof auf den Teller“ auf die bisherigen Verbesserungen beim Transport hinweist und auf weitere durch die Gesellschaft gewünschten Verbesserungen drängt, prioritär aber schärfere Definitionen und Kontrollen setzt und Verboten eine Absage erteilt. Die EU arbeite derzeit an den Empfehlungen der 30. Sitzung der World Organisation for Animal Health aus dem Oktober 2022 im italienischen Catania, dass die Zielländer Prioritäten für die Exportländer beim tierwohlgerechten Transport festlegen sollen. Ein Netzwerk von Kontaktbüros für ein Mindestmaß an Tierwohl befinde sich im Aufbau.
Die portugiesische Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes weiß von den hohen Erwartungen der europäische Verbraucher. Der Transport der Tiere ist der meist sichtbare Teil in der Nutzviehhaltung. Binnenmarkt und internationale Wettbewerbsfähigkeit dürften unter einer neuen Verordnung nicht leiden. Der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas Puchades betont, dass die Umsetzung zwischen den EU-Ländern strittig ist. Doch nur in Ausnahmefällen können Tiertransporte verboten werden. Puchades betont, dass die Vorschriften zwischen den Mitgliedsstaaten uneinheitlich sind.
Die hohen Erwartungen hat auch Cem Özdemir, der in Brüssel vorsichtiger agieren muss. Im Konzert mit den anderen EU-Ländern hat er nur den Wunsch geäußert, dass Lebendviehtransporte in Drittländer verboten werden sollten.
Es bleibt beim Konjunktiv, weil Stella Kyriakides EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, und zuständig für das Thema, wie der Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von Ende 2022, „keinen Fokus auf Verbote“ legt. Transporte sind Teil der Nutztierhaltung und müssen tierwohlgerecht angepasst werden, sagte sie im Rat.
Emissionsdirektive
Nach EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius hat die Europäische Union bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen zwar Fortschritte gemacht, liegt aber vor allem bei Ammoniak und Methan deutlich unterhalb der Ziele. Bei diesen Emissionen ist die Landwirtschaft und speziell die Nutztierhaltung gefragt. Die EU werde ihre internationalen Verpflichtungen nicht einhalten können, warnt Sinkevičius und berichtete im Agrarrat von einem in Planung befindlichen Gremium zur Überwachung der Emissionen. Für die Landwirtschaft gehe es um Besatzdichten und spezifische Betriebsbedingungen. Ein Thema sind die noch offenen Schwellenwerte, ab wann die Emissionsrichtlinie greifen soll. Gerade für die Niederlande ist das ein wichtiges Thema. Landwirtschaftsminister Piet Adema wartet die aktuell laufende Folgeabschätzung für sein Land ab, bevor er sich weiter positionieren will.
In Deutschland sind die Pläne für einen Umbau der Tierhaltung groß, wie Cem Özdemir unterstreicht. „Emissionen in Luft, Wasser und Böden aus industriellen Tätigkeiten“ müssen reduziert werden. Als Schwellenwert für die Gültigkeit der Richtlinie schlägt Özdemir in der Informationsrunde 300 Großvieheinheiten pro Betrieb vor. Das ist weit über dem Wert, den Agrarkommissar Janusz Wojciechowski in der abendlichen Presserunde nannte. Die Kommission schlägt eine betriebliche Obergrenze von 150 Großvieheinheiten vor.
Wichtiger als Schwellenwerte sind nach EU-Agrarkommissar Wojciechowski andere Indikatoren außer der Herdengröße. Eher sollte die Haltungsform den Ausschlag geben. Die Kommission suche aber noch nach der Grenze zwischen nachhaltiger und nicht nachhaltiger Landwirtschaft.
Andere Themen: Ukraine
Wojciechowski wies erneut auf den Erfolg der Solidaritätskorridore für ukrainische Agrarexporte hin, die gegenüber der traditionellen Schwarzmeerroute vergleichbare Mengen an Getreide, Ölsaaten und fast das gesamte Sonnenblumenöl aufnehmen. Per Bahn, Schiff und Lkw geht es in die benachbarten EU-Länder, was generell als Solidarität mit der Ukraine gegenüber dem russischen Überfall vor knapp einem Jahr zu verstehen ist. Diese Solidarität wollen die EU und die Mitgliedsländer fortführen. Wojciechowski betonte, es gebe kein einziges Land, das die Unterstützung für die Ukraine kürzen will.
Die Importe aus der Ukraine führen in den Nachbarländern Bulgarien, Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn zu Marktverzerrungen. Landwirte können ihre eigenen Produkte nicht mehr absetzen. Das wird sich nach Wojciechowski demnächst sogar verschärfen, weil die EU die Importquote von ukrainischem Geflügelfleisch von 90.000 auf 163.000 Tonnen für das laufende Jahr hochgesetzt hat.
Polen als größter Apfelerzeuger der EU leidet schon seit dem russischen Embargo gegen EU-Produkte unter Absatzschwierigkeiten. Belarus ist dem Embargo beigetreten und Ägypten hat seine Apfelimporte aus Polen ebenfalls begrenzt. Jetzt habe die Branche zusätzlich mit Billigäpfeln aus der Ukraine zu kämpfen.
Der Hilferuf aus den osteuropäischen EU-Ländern findet Gehör und der Kommissar stellt für die betroffenen Länder die Aktivierung der Krisenhilfe in Aussicht. Derzeit prüfe die Kommission weitere Maßnahmen wie Ausfallentschädigung und Intervention für die eigenen Produkte, die wegen der Importe aus der Ukraine nicht mehr abgesetzt werden können. Die zusätzlichen Maßnahmen gelten aber nur für die betroffenen Länder. Die Länder fordern unter anderem die Möglichkeit für gekoppelte Zahlungen in den einzelnen Produktbereichen und eine Verlängerung der Bahntransporte in den europäischen Westen hinein.
Welche Maßnahme die Kommission auch ergreift, sie dürfe die Handelssolidarität mit der Ukraine nicht beeinträchtigen, so Wojciechowski.
Höhere Einkommensstützung
Weitere Finanzhilfe hat Ungarn in einem Antrag eingebracht, der von Bulgarien, Finnland, Griechenland, Kroatien, Polen, Slowenien und der Slowakei sowie Zypern unterstützt wird. Hier steht die Dürre in Osteuropa bei gleichzeitig gestiegenen Betriebsmittelpreisen wie Dünger, Pflanzenschutzmittel und Energie im Fokus. Die nationalen Etats reichen für eine Unterstützung der Landwirte nicht aus. Der ungarische Landwirtschaftsminister Zsolt Feldmann warnt, dass die Landwirte kaum mehr eine Möglichkeit für Investitionen in die grüne Transformation ihres Sektors haben. Auch hier sollen gekoppelte Einkommensmöglichkeiten durch Umschichtung in Anspruch genommen werden können. Die Ausnahme soll zeitlich auf das Einkommensjahr 2023 begrenzt sein. Die Hilfen könnten wie die Ausnahmereglungen für GLÖZ 7 und 8 (Fruchtfolge und Futteranbau ohne Mais) einkommensneutral in der GAP verbucht werden.
Auch hier gilt die abendliche Aussage von Wojciechowski, dass die Kommission weiß, dass der GAP-Etat und Krisenhilfe nicht für alle Herausforderungen ausreichen.
Honigkennzeichnung
Noch immer auf dem langen Weg durch die Institutionen ist die Überarbeitung der Honigrichtline EG 110/2001. Derzeit gibt es eine Kennzeichnung zwischen EU- und Nicht-EU-Herkunft. Aber die Verbraucher wissen damit noch immer nicht, woher alle Mischbestandteile stammen. Insgesamt 19 EU-Länder, ohne Deutschland, sind dem Antrag Sloweniens beigetreten, Mischhonig in der Herkunft deutlicher und im Mischungsverhältnis präzise deklarieren zu können. Vor allem Mischungen aus Billighonigländern wie China erschweren europäischen Imkern den Absatz ihrer eigenen Ware. Die Überarbeitung ist überfällig und auch in der Strategie „Vom Acker bis zum Teller“ (F2F) hinterlegt. Das Europaparlament hat 2021 eine entsprechende Entschließung gefasst.
Deutschland wartet wie andere Länder auch auf einen konkreten Vorschlag der Agrar-Kommission. Denn was so einleuchtend klingt ist am Ende äußerst delikat. Wie können in einem Glas Honig Mischanteile qualitativ und quantitativ bestimmt werden? Die Kontrollanalyse ist für die kroatische Landwirtschaftsministerin Maria Vućković aufwendig und teuer. Die Kontrollierbarkeit steht in der Kommission daher an erster Stelle.
Wann aber ein erster Vorschlag gemacht wird, ist offen. Wojciechowski wollte sich mit dem Wörtchen „bald“ nicht festlegen.
Roland Krieg
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