„Je frostiger der Januar...

Landwirtschaft

...desto freundlicher das ganze Jahr“

Gerd Sonnleitner übersetzt die jahreszeitliche Bauernweisheit mit der Devise: „Wir werden die Schwierigkeiten meistern!“. Am Donnerstag stellte der Präsident des Deutschen Bauerverbandes (DBV) den Situationsbericht 2009 vor. Das Wirtschaftsjahr 2007/2008 hatte den Betrieben ein durchschnittliches Monatseinkommen von 2.864 Euro beschert, was deutlich über den Fünfjahresschnitt von 2.101 € liegt. Für das nächste Halbjahr hingegen erwartet der DBV einen Rückgang auf 2.420 Euro, was Sonnleitner als Talfahrt nach einer vierjährigen Phase des Aufschwungs bezeichnet. Schuld daran haben vor allem die sinkenden Erzeugerpreise bei Milch, Getreide und Raps. Doch seinen Optimismus wollte der Präsident nicht aufgeben, die Preisentwicklung werde keine Katastrophenstimmung hervorrufen.

Positive Trends
Zusammen mit den vor- und nachgelagerten Bereichen sichere die Landwirtschaft mehr als vier Millionen Menschen einen Arbeitsplatz. Die aktuelle Eskalation des russisch-ukrainischen Gasstreits und seinen Auswirkungen auf die EU unterstreiche zudem die Bedeutung der Landwirtschaf als Lieferant für nachwachsende Energie. Die Land- und Forstwirtschaft liefere bereits einen Anteil von sieben Prozent am deutschen Energieverbrauch.

Gerd Sonnleiter zur Bankenkrise:
„Was mich stört ist, dass alle, die jetzt Milliarden vom Staat fordern, nichts persönlich einbringen. Hingegen haftet der Bauer mit seinem eigenen Vermögen. Bis zum letzten Euro.“

Positiv sei auch, dass die Betriebe weiter investieren und die Finanzkrise noch keine Auswirkungen auf die Landwirtschaft zeitige. Die Bruttoinvestitionen belaufen sich auf 37.400 Euro je Betrieb, was einer Steigerung von 8,3 Prozent entspricht. Im Wirtschaftsjahr 2007/08 haben die Betriebe durchschnittlich 6.200 Euro Eigenkapital gebildet. 2007 wurden rund 20.000 Menschen mehr in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei beschäftigt, und 2008 werden es noch einmal etwa 10.000 mehr sein. 855.000 Arbeitskräfte sind dann ein Spitzenwert seit 2005.

Unter der Lupe
Doch sind die Zahlen nicht für alle Betriebe gleich erfreulich. Ein Blick mit der Lupe zeigt, dass beispielsweise die Investitionen in der Schweineerzeugung mit einem Rückgang der Schweinehalter einhergeht. Bei unveränderter Zahl der Schlachtungen sind von 78.800 Schweine haltenden Betrieben aus dem Jahr 2007 sind nur noch 66.000 übrig geblieben. Das ist ein Minus von 16 Prozent.
Auch die Eigenkapitalbildung ist ungleich verteilt. Zwar legen 25 Prozent der Betriebe mehr als 20.000 Euro in das Eigenkapitalfach, aber 45 Prozent der Betriebe haben ihres abgebaut.

Einkommen Landwirtschaft



Von ihren Einkommen müssen die Betriebe viele Selbstverständlichkeiten finanzieren. Investitionen sollen die Zukunft des Betriebs sicher stellen, müssen Sozialversicherung und Steuern bezahlt werden. Alleine für die Alters- und die Krankenkasse gehen monatlich durchschnittlich 380 Euro vom Konto.
Sonnleitner betonte, dass sich der Strukturwandel im normalen Rahmen zwischen drei und fünf Prozent bewegte. Die Betriebsaufgaben richten sich weniger an der Situation auf dem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern mehr an der Verfügbarkeit und Qualität der außerlandwirtschaftlichen Arbeitsstelle. Der Nebenerwerb bleibt daher weiter attraktiv und konnte mit durchschnittlich 9.800 Euro Unternehmensgewinn den Ertrag um 33 Prozent gegenüber zum Vorjahr steigern.

Verbraucher
Auch wenn die Verbraucher gerne faire Preise zahlen wollen, so richten sie ihr Einkaufsverhalten doch mehrheitlich am Preis aus. Die Lebensmittelpreise haben in den letzten eineinhalb Jahren einige Ausschläge gehabt, doch weist Sonnleitner darauf hin, dass Rohstoffpreise keine Verbraucherpreise sind. Wenn die Bäcker gerade höhere Preise einforderten, dann sollten die Verbraucher bedenken, dass die Getreidepreise für die Erzeuger gerade wieder sinken. Auch 2009 werden die Verbraucher preiswerte Lebensmittel bekommen, versprach Sonnleitner.

Rohstoffanteile

Der Situationsbericht hat sich diesem Thema besonders gewidmet. Lagen 1850 die Nahrungsmittelausgaben in Deutschland noch bei einem Anteil von 61 Prozent, so waren es 1950 noch 44 und heute sind es nur noch 14 Prozent des Haushaltsbudgets. Zwischen 2005 und 2008 sind die Preise für Lebensmittel in ganz Europa angestiegen; doch sehr unterschiedlich. Am teuersten wurde es in Lettland mit einem Plus von 46 Prozent, am wenigsten fiel der Anstieg in Frankreich mit acht Prozent aus. Deutschland liegt bei einem Plus von 10,5 Prozent auf Platz 12 (EU15) und unter dem EU-Durchschnitt.

Milch: Realismus
Beim Thema Milch sieht der Präsident des DBV Realismus einkehren. Das Ziel des Milchlieferstreits von 43 Cent ist ferner denn je. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner könne es als Erfolg verbuchen, dass sie beim Health Check einen Milchfonds hat durchsetzen können. Doch ist es mehr ein Fonds, denn einer zwingend für Milch. Die Bundesländer stellen gerade ihre Forderungen für die Gelder zusammen. Für die Stabilisierung des Milchmarkts bleibt nach Sonnleitner die Verbesserung der zu kleinteiligen Molkereistrukturen. Zukünftige Molkereien können den Markt steuern und Überschuss exportieren. Das bedeute aber nicht das Aus für kleine Molkereien, die weiterhin regionale Spezialitäten anbieten können.

Forderungen an die Politik
Fünf Forderungen gibt Gerd Sonnleiter der Politik mit auf den Weg in das Jahr 2009. Forderungen, die jedoch im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen „überschaubar und konkret“ seien. Die erste sei eine weitere „Meßlatte“ für die neue Landwirtschaftsministerin.
Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstrukturen und des Küstenschutzes müssten um mindesten 50 Millionen Euro erhöht werden, damit der Agrarsektor eine „gleichwertige Beteiligung am Investitionsförderprogramm des 1. Konjunkturprogramms erreicht“. Hier betont Sonnleitern, dass nicht nur in Gebäude und Maschinen investiert werden solle, sondern in die Menschen. Bildung, Ausbildung und Beratung müssen gleichermaßen bedacht werden. Für das 2. Konjunkturprogramm fordert der DBV die Ausdehnung der degressiven Abschreibung auf Gebäude. Zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge soll der jetzige Bundeszuschuss von 200 Millionen Euro längerfristig beibehalten werden. Der ländliche Raum brauche einen intensiveren Ausbau der Infrastruktur von Straße, Schiene und Datennetze und für den Agrardieselsteuersatz wünscht sich der DBV eine Gleichstellung mit anderen Ländern. Während deutsche Bauern 40 Cent für einen Liter bezahlen müssen, kommen die französischen Nachbarn mit 0,7 Cent davon.

Lesestoff:
Alle Zahlen, Tabellen und Statistiken gibt es unter www.situationsbericht.de

roRo

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