Jede Stimme zählt
Landwirtschaft
Am Sonntag noch an die Landwirtschaft denken?
Der Countdown läuft. Rund ein Viertel der Wahlberechtigten Bundesbürger ist am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt aufgerufen, seinen nächsten Landtag zu wählen. Die Ausgangslage ist klar: Mit Alexander Bonde und Ulrike Höfken stehen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jeweils Vertreter der grünen Agrarpolitik, in Sachsen-Anhalt mit Dr. Hermann Onko Aeikens ein CDU-Vertreter zur Wahl. Veränderungen in der Landtagswahl haben Veränderungen im Bundesrat zur Folge, wo die grünen Vertreter mit sechs Köpfen (BW, HE, NI, NRW, RP und SH) und, sofern getrennt, drei Umweltministern (BW, NI und TH), ohne Berücksichtigung der Stadtstaaten, der Regierungskoalition in Berlin Paroli bieten.
Wahltrends
Nach aktuellen Wahltrends liegen Bündnis 90/Die Grünen in Baden-Württemberg vor der Union und die Sozialdemokraten knapp vor der AfD. Sollte die SPD nicht weiter an Stimmen verlieren, wird Rot-Grün die Wiederkehr der vormals „ewigen CDU“ im Ländle von einer Wiederkehr in die Regierungsverantwortung fernhalten. Zum Stichtag 03. März fehlen Schwarz-Gelb dafür acht Prozentpunkte. Weniger als CDU und SPD seit Beginn der Legislaturperiode jeweils eingebüßt haben.
In Rheinland-Pfalz liefern sich CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die 35 Prozent, während Bündnis 90/Die Grünen von 15 auf sechs Prozent nahezu verschwunden sind (Stichtag 03. März). Die AfD verhindert eine eindeutige Zwei-Parteienmehrheit. Erst mit dem Einzug der FDP bietet sich eine stabile Mehrheit an, der neben der AfD eine kleine Partei (Grüne oder FDP) als Opposition gegenüber sitzen.
Sachsen-Anhalt hat schon eine große Koalition, die zehn Jahre währt. Daran wird sich auch bei einem Anteil von 20 Prozent für die AfD nichts ändern (Wahltrend 03. März) – oder es wird Rot-Rot-Grün wie in Thüringen. Dann wird sich Dr. Hermann Onko Aeikens von seinem Posten als Landwirtschaftsminister verabschieden müssen.
Die Wahrscheinlichkeit auf eine Änderung des Landwirtschaftsministeriums begrenzt sich auf den Wahlausgang in Rheinland-Pfalz.
Andere Vorzeichen
Normalerweise sind Landtagswahlen eine Abrechnungsmöglichkeit mit der Bundesregierung. Diesmal führt vielfach die persönliche Einstellung zu Flüchtlingen zur Platzierung des Kreuzchens. Die rechtspopulistische AfD wirbelt bei den Wahlen am kommenden Sonntag alles durcheinander und Themen wie die Landwirtschaft stehen komplett außen vor. Im Zusammenhang mit dieser Partei stehen „Flüchtlinge und Umgang mit Flüchtlingen“ als monothematisches Auswahlkriterium auf dem Wahlzettel.
Im AfD-Wahlprogramm für Baden-Württemberg wurden Allgemeinplätze für eine Landwirtschaftspolitik formuliert: Flächenverbrauch eindämmen, Fairness gegenüber Landwirten, Zurückdrängen der Bürokratie oder Baden-Württemberg als Gentechnikfreie Region als Marke einführen, mischen sich mit den Forderungen nach freiem Saatgutverkehr und Tierwohlgedanken. Die AfD kennt den Begriff „Massentierhaltung“ und gibt der Politik durch fehlerhafte Entscheidungen die Schuld an „Maiswüsten“. Dem grünen Südwesten angepasst, sollen Subventionen an Großbetriebe eingestellt werden. Nur einmal wird die AfD konkret: Das jüngst erlassene Jagdrecht des Landes „entmündige“ die Jäger.
Kürzer fasst sich der Ableger in Rheinland-Pfalz. Auch dort an die grünen Themen angepasst, soll die kleinstrukturierte Landwirtschaft regional gefördert und vor der EU-Überregulierung geschützt werden.
Auch in Sachsen-Anhalt kopiert sie Bewährtes. Neben einer Stärkung kleiner Betriebe, soll die EU-Förderung umgebaut werden, aber die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe bleiben. Sie übernimmt CDU-Forderungen gegenüber der Bodenverwertungsgesellschaft, steigende Bodenpreise zu verhindern. Und: Verbot von Glyphosat in der Vorerntezeit.
Insgesamt: Keine Alternative für Landwirte. Alle anderen Parteien werden konkreter.
Was fordern die Landesbauern?
Die Agrarpreiskrise setzt sich fort. Aktuell sind die Schweinepreise wieder auf deutlich unter 1,30 gefallen und die ersten Preisverhandlungen im Molkereibereich zeigen einen Butterabschlag in Höhe von 16 Prozent.
Für den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) ist der vom Staat geförderte Export der einzige Weg aus der Volatilität. Baden-Württemberg müsse nach der Wahl konkrete Aufgaben in Form von Gesetzesänderungen angehen. Beispielsweise: Der BLHV fordert eine staatlich geförderte Ernteausfallversicherung. Beim naturschutzrechtlichen Ausgleich dürfen keine neuen Agrarflächen mehr verwendet werden und landwirtschaftliche Bauvorhaben müssten von der Genehmigung im Naturschutzrecht freigestellt werden. Dazu sei eine Änderung des Landesnaturschutzgesetzes notwendig. Die Gewässerrandstreifen sollten nur bei ständig wasserführenden Gewässern angewandt werden und der BLHV plädierte schon im Dezember 2015, das Vorkaufsrecht für Gemeinden im Gewässerrandstreifen zugunsten freiwilliger Vereinbarungen zu streichen, um einer „Zerstückelung“ der Grundstücke entgegenzuwirken. Bedarf der Änderung des Landeswassergesetzes. Um vor dem Hintergrund des Strukturwandels eine Zerschlagung von aufgegebenen Hofstellen zu vermeiden, müsse die Regierung Agrarstrukturverbesserungsgesetz anpassen.
Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau fordert zur Landtagswahl mehr als die Erhöhung der 78 Millionen Euro für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft. Der vom Bund freigesetzte Betrag soll zur Kostenentlastung der Betriebe in den kommenden Jahren auf 200 Millionen erhöht werden. Gleichzeitig solle der begünstigte Steuersatz für Agrardiesel weiter gesenkt werden. Das Landesnaturschutzgesetz habe beim Ausgleich für Wohn- und Gewerbeflächen schon einiges erreicht, aber die Änderungen seien noch nicht in den Planungsbüros und Behörden umgesetzt. Im Hinblick auf die auslaufende Einspeiseförderung für Strom aus Biogas, sollten neue Programme für den Fortbestand der Anlagen verabschiedet werden.
Den sicheren Anlagebestand hat auch der Landesbauernverband Sachsen-Anhalt im Blick und im Forderungskatalog. Ohne die dezentrale und regelbare Energie gelinge keine Energiewende. Die Nutztierhaltung spielt in Sachsen-Anhalt nicht die tragende Rolle, soll aber durch einen Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen aufgrund höherer Standards gezielt gefördert werden. Dr. Aeikens ist einer der Vorreiter beim politischen Bodenschutz und wird aufgefordert, durch eine möglichst breite Streuung den Bodenmarkt zu stabilisieren. Die Landesregierung solle über den Bundesrat ein strengeres Bundesbaugesetzbuch durchsetzen, das der Innenstadtentwicklung den Vorrang gibt. Baugebiete auf Agrarflächen sollen nicht mehr gefördert werden. Die neue Regierung solle die bisherigen Kapazitäten der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Iden erhalten und zu einem Kompetenzzentrum für eine art- und umweltgerechte Nutztierhaltung ausbauen.
Roland Krieg