Jeden Tag ein Leibgericht
Landwirtschaft
Pflanzen bewirten Tiere individuell
> Ein Enzym bestimmt die Zusammensetzung der Zucker im Nektar und das gezielt für bestimmte Insekten. Dieses Enzym spaltet bestimmte Zucker, die im Nektar nicht erwünscht sind, und entfernt sie so aus der Lösung. Das gestattet den Pflanzen, ihren Nektar in einer ganz bestimmten Rezeptur anzubieten. Das fanden Professor Wilhelm Boland aus Jena, Professor Martin Heil aus Essen und Janine Rattke auf einer Mexiko-Reise heraus und veröffentlichten die Ergebnisse in dem Wissenschaftsmagazin Science (308 (5721) April 22, 2005). Süße Belohung
Die spezifische Zusammensetzung des Zuckers im Nektar erweist sich als wichtig für Symbiosen von Pflanze und Tier. Deren Zusammenleben ist vielfach dadurch gekennzeichnet, dass die Pflanze gegen eine ?Belohnung? einen bestimmten Service vom Tier erhält. Nektar spielt dabei gleich eine doppelte Rolle: Während der Blütennektar Bienen anlockt, damit sie die Bestäubung übernehmen, dient der Blattnektar den Ameisen auch als Nahrung. Als Gegenleistung machen diese Jagd auf Fraßfeinde der Pflanzen ? etwa auf Raupen, kleine Käfer und andere Schädlinge ? und bilden so eine sichere Verteidigungslinie.
Die drei Wissenschaftler haben in Mexiko verschiedene Akazien-Arten untersucht. Die einen Akazien ziehen zur Bekämpfung ihrer Fraßfeinde beliebige Ameisen-Scharen aus der Umgebung an, andere Bäume sind von speziellen Kolonien besiedelt. Diese Akazien bieten ?ihren? Insekten speziellen Nektar an, der den Ameisen besonders gut bekommt und sie deshalb zu Dauerbewohnern macht. Das von Heil, Rattke und Boland gefundene Enzym sorgt für den speziellen Nektar.
Ohne Rohrzucker, bitte!
Die unspezialisierten Ameisen bevorzugen einen Nektar, der Rohrzucker (Saccharose), Traubenzucker (Glucose) und Fruchtzucker (Fructose) enthält. Im Nektar der spezialisierten Akazien hingegen fehlt der Rohrzucker. Rohrzucker ist zwar generell bei Ameisen sehr beliebt und sein Fehlen macht den Göttertrank uninteressant. Den ?spezialisierten? Ameisen jedoch fehlt das Enzym, dass die Saccharose verdaut. Für diese Insekten ist der Rohrzucker genauso unverträglich wie für manche Menschen der Milchzucker. Die Akazie produziert für ihre heimischen Ameisen von vornherein einen Saccharosefreien Nektar.
Es sei das erste Mal, dass ein derartiges Verdauungsenzym im Nektar gefunden wurde, betonen die Nektarspezialisten. Das Enzym heißt Invertase und spielt auch im Honig eine wichtige Rolle bei der Zusammensetzung des Zuckers. Bisher wurde vermutet, dass die Invertase von der Biene stammt. ?Ob das wirklich oder zumindest ausschließlich so ist, muss jetzt vor dem Hintergrund unserer Arbeit neu geprüft werden?, sagt der Essener Biologe Heil.
Unbekannt ist jedoch noch, warum die einen Akazien ?unspezialisierte? und die anderen ?spezialisierte? Ameisen bevorzugen. Einen Erklärungsversuch allerdings gibt es bereits: Der Schutz bei den dauernd besiedelten Akazienarten sei viel effektiver. Dafür müssten die Pflanzen aber auch viel mehr in die Ameisen ?investieren? und beispielsweise auch während der Trockenzeit Blätter tragen. Diese Bäume seien also auf geographisch feuchtere Gebiete beschränkt. Ob sich der Mehraufwand für die Pflanze rechne, hänge vom allgemeinen Fraßdruck ab ? und der sei nicht konstant.
Die Experten kommen aus dem Max-Planck-Institut (MPI) für Chemische Ökologie in Jena und der Abteilung für Allgemeine Botanik und Pflanzenökologie der Universität Duisburg-Essen. Die Technische Assistentin Janine Rattke ist gerade von Jena nach England ?abgewandert?.
roRo