Jeder Meter zählt

Landwirtschaft

Abschlusstagung Präzisionslandwirtschaft

Jeder Meter zählt, heißt es bei den Praktikern. Landwirt Wolfgang Täger-Farny, 500 ha in Sachsen-Anhalt, beschrieb es gestern auf der Pressekonferenz zum Projektabschluss der Präzisionslandwirtschaft (Precision Farming) so: „Precision Farming ist ein Glücksfall für die Landwirtschaft.“ Man findet nicht nur jeden Punkt auf dem Feld wieder, sondern sieht auch, was man dort macht und was man besser machen könnte.

Vernünftiges Wirtschaften braucht Informationen
Der erste Holzpflug zog nur eine Saatfurche in den Boden. Später hat der Sämann mit breitem Wurf den Samen mehr oder weniger gleichmäßig über das Feld verteilt. Dann haben große und kleine Maschinen die Arbeit des Pflügens, der Saat, Düngung oder des Pflanzenschutzes jeden Meter Feld gleich bearbeitet. Doch erst 1983 begann ein Professor an der Universität Minnesota zum korrigieren des pH-Wertes Kalk variabel auf dem Feld zu verteilen. Nur jeweils nach Bedarf. Die Geburtsstunde des Precision Farmings, erzählte Agrarconsultant Marc Vanacht aus den USA.
Denn fast jeder Meter ist unterschiedlich. Der Boden wechselt seine Dichte, ist mal sandiger, bald lehmiger, Grundwasser steht an den Bodensenken höher als unter Hügelkuppen, ein angrenzender Wald legt einen breiten Schatten auf einen Streifen Feld. Aus der Sicht der Pflanze hat fast jedes Feld ein vielfältiges Muster an Standortbedingungen.
Die Präzisionslandwirtschaft hatte begonnen, Felder teilflächendifferenziert zu bearbeiten. Dünger wird so viel genauer ausgebracht. Das gleiche gilt für Bewässerung, Pflanzenschutz und Saatgutmenge für einen hohen Ertrag. Wer so genau arbeitet minimiert den Aufwand und produziert nachhaltig. Voraussetzung sind metergenaue Informationen über den Nährstoffgehalt des Bodens, die genaue Kartierung des Feldes und auch die Geschichte des Anbaus, was vorher dort alles gewachsen ist.
Daher ist Precision Farming mehr als nur eine teilflächenspezifische Bearbeitung, sondern der Fluss und die Verarbeitung von Informationen.

„Die Technik wird sich durchsetzen“
Vier Jahre lang hatte sich das Projekt Pre agro bis Ende 2003 mit der betrieblichen Ebene auseinandergesetzt, wie satellitengestützte Bearbeitungssysteme die Wirtschaftlichkeit im Betrieb erhöhen. Von 2004 bis zu dieser Woche wurde die zweite Projektphase, die durch Precision Farmingdas Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, durchgeführt: „Informationsgeleitete Pflanzenproduktion mir Precision Farming als zentrale inhaltliche und technische Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung der landwirtschaftlichen Landnutzung“. Was sich dahinter verbirgt? Ein Acker hat informationstechnisch bis zu 14.000 Schnittstellen, präzisiert Dr. Heinrich de Baey-Ensten vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL). Neben den Schnittstellen zu den Bearbeitungsparametern gibt es Verbindungen zum Kataster, zum Qualitätsmanagement, zum Handel und zu den Förderprogrammen.
Der „Isobus“ als programmtechnische Standardisierung muss nicht nur zwischen Traktor und Anbaugerät funktionieren, sondern auch über den Betriebs-PC zu anderen Informationsstellen. Der vorliegende Isobus ist praxistauglich.
Es geht nicht mehr nur um die optimale Düngermenge, sondern um viel mehr: Mit den Informationen kann umweltschonender gearbeitet werden, es können mit dem Technikeinsatz ganze Betriebe für den Handel zertifiziert werden und der Verbraucher kann bis auf den Meter genau die Lebensmittel zurückverfolgen lassen. Gründe, die den wachsenden Einsatz der Technik prophezeihen lässt.

Kleine Betriebe sind interessiert
Wer Precision Farming mit großräumiger Landwirtschaft in Verbindung bringt, der muss sein Bild revidieren. Umfragen bei der Agritechnica oder den DLG-Feldtagen zeigen, dass die kleineren Betriebe aus Westdeutschland das größere Interesse an der Technik aufbringen. Deshalb hatte sich das Projekt auch zunächst an die Betriebe in Südwestdeutschland und Bayern gewandt, sagte Dr. Werner. Precision Farming bietet neben der Alltagspraxis auf dem Feld den Vorteil, Informationen besser zu verarbeiten: Wichtig bei steigenden Rohstoffpreisen und Managemententscheidungen. Lediglich der Nebenerwerbslandwirt, der nach Büroschluss noch mit dem Pflug „über die Felder huscht“ wird weniger von der Technik profitieren. Interessant ist der Einsatz auch bei Lohnunternehmen, die damit die Datenbearbeitung gleich mitmachen.

Kosten und Nutzen
Prof. Dr. Peter Wagner von der MLU Halle hatte auf der Maschinenvorführung 2005 in Köllitsch Investitionskosten beziffert. Einen Traktor mit Terminal und GPS auszurüsten, kostet rund 6.000 Euro. Die Nachrüstung der Düngetechnik etwa 5.100 Euro, die Software für das Büro über 3.000 €. Die Gesamtsumme gab er mit 27.900 Euro an.
Aber: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich der Herbizideinsatz um bis zu 50 Prozent verringern kann. Der Saatgutaufwand kann sich um 13 Prozent verringern und der Ertrag bei Weizen um vier Doppelzentner ansteigen. Precision Farming gibt es nach Angaben von Dr. Werner auch als kostengünstiges Einsteigermodell. Ein PDA mit Ortsbestimung reicht schon aus. Während der Fahrt kann der Bauer dann manuell über die Plus/Minus-Tastatur die Auswurfmenge des Düngerstreuers regeln. Das Modell ist dann für unter 1.000 Euro zu haben. Die Kosten für die einmalige Kartierung des Ackers gibt Dr. Werner mit zehn bis 15 Euro je Hektar an.

Schwerpunkt Ausbildung
Bis zum Freitag will die Tagung einen Fahrplan erstellen, wie Precision Farming nach Ende des Projektes umgesetzt werden kann. Ein Schwerpunkt wird in der Ausbildung liegen. Prof. Dr. Yves Reckleben vom Rationalisierungs-Kuratorium für Landwirtschaft sieht im kommenden Generationswechsel eine Herausforderung, die Technik auf die Höfe zu bringen. Meist wird Precision Farming in den Hochschulen nur als mehrstündiger Kurs und nicht als komplettes Unterrichtsmodul angeboten. Der Umfang des Angebots ist meist noch vom persönlichen das Interesse des Lehrers abhängig. Der von Pre agro aufgelegte Foliensatz für Lehrer werde jedoch immer häufiger angefordert, sagte Dr. Werner.

Lesestoff:
Das Forschungsprojekt können Sie unter www.preagro.de besuchen. Für den ökologischen Landbau macht sich besonders die Fachhochschule Osnabrück mit dem Projekt Pirol beim Precision Farming stark: www.pirol.fh-osnabrueck.de

Roland Krieg; Foto: Pre agro

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