JKI untersucht badische Bienen
Landwirtschaft
Wirkstoff Chlothianidin in Spuren vorgefunden
Entlang der badischen Rheinschiene schlugen die Imker letzte Woche Alarm. Beim Badischen Imkerverband liefen die Telefone heiß, weil die Bienenvölker trotz besten Wetters „massive Schwächungen, ja Zusammenbrüche“ erleben mussten.
Chlothianidin im Verdacht
Chlothianidin ist ein Wirkstoff in verschiednen Pflanzenschutzmitteln. Unter anderem ist er zugelassen als Saatgut-Beize für den Mais. Diese Pflanzenschutzmittel sind grundsätzlich bienengefährlich, sollten aber gerade als Beizmittel nicht in direktem Kontakt mit den Insekten kommen.
Die badischen Imker vermuten, dass das Nervengift der Firma Bayer CropScience (Saatgutbeize Poncho Pro) über durch Saatmaschinen aufgewirbelte Stäube auf blühende Rapsfelder und Wiesen verdriftet wurde.
Französische Veterinäre warnten Imker im Frühjahr bereits, in Gebiete einzuwandern, in denen gegen den Maiswurzelbohrer mit Chlothianidin gearbeitet wurde. Ekkehard Hülsmann, Landesvorsitzender der badischen Imker forderte Agrarminister Peter Hauk auf, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Bienen umsetzen
„Am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg wurde ein Expertengremium eingerichtet“, verkündete daraufhin der baden-württembergische Agrarminister. Speziell am Oberrhein zwischen Bad Krotzingen und Rastatt „ist ein außergewöhnlich massives Bienensterben“ aufgetreten, so das Ministerium. Als Sofortmaßnahme sollen die Bienenvölker in die Vorbergzone oder den Schwarzwald umgesetzt werden.
Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Klaus Maresch vom Honighäuschen in Nordhrein-Westfalen erklärt warum: eine Biene braucht vom Schlüpfen bis zum ersten Ausflug rund 40 Tage. Den Verlust sämtlicher Flugbienen kann ein Bienenvolk zwar kompensieren, indem jüngere Bienen die Sammleraufgabe übernehmen, doch ist das geschwächte Volk für die Honigernte verloren. Zudem können Imker ihre Bienen nicht einfach mal „verlagern“. Zum einen „wandern“ die älteren Imker nicht mehr, es fehlen Ausweichstandorte und für das Verbringen über Kreisgrenzen hinweg braucht das Bienenvolk ein Gesundheitszeugnis, das nicht kurzfristig zu erhalten ist. Das Verstellen der Bienenvölker hält Imker Maresch für wenig praktikabel.
Nach weiteren vorliegenden Erkenntnissen will die Landesregierung neue Empfehlungen aussprechen.
JKI findet Spuren
47 Bienenproben wurden auch in die Nationale Bienenuntersuchungsstelle am Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig eingereicht. Imker haben zusätzlich Pflanzenmaterial eingereicht, von dem sie vermuten, dass es in ursächlichem Zusammenhang mit dem Bienensterben steht.
Am Freitag teilte das JKI mit, dass tatsächlich in den ersten untersuchten Proben Chlothianidin nachgewiesen werden konnte: „Die ersten Analyseergebnisse reichen jedoch nicht für eine abschließende Einschätzung aus, ob diese Dosis allein für den Tod der Bienen verantwortlich ist“, teilte das JKI mit. Unklar ist derzeit vor allem, „wie die Bienen überhaupt in diesem Ausmaß mit dem Mittel in Kontakt kommen konnten“.
Poncho Pro wird empfohlen
Der Maiswurzelbohrer verunsichert Maisbauern. Diabrotica, wie der kleine Käfer auf Latein heißt, gilt als Quarantäneschädling. Zu Jahresbeginn haben badische Bauern in Schreiben an den Bauernverband und das Stuttgarter Ministerium die Meinung vertreten, dass der Käfer bereits seit mehreren Generationen am Rhein heimisch ist. Dann würden sie nicht der Gefahr unterliegen, ihren Mais durch eventuelle Quarantänemaßnahmen nicht mehr verbringen zu dürfen, sondern könnten ihre Fruchtfolgen aufrecht erhalten, Pflanzenschutz durchführen und ernten. Wäre diese Prophylaxe aus Furcht vor den Quarantänemaßnahmen der Grund für den Einsatz von Chlothianidin, dann erlebte der Energiemais sein Bienendesaster.
Das Schadpotenzial für den Maiswurzelbohrer wird in Deutschland mit rund 25 Millionen Euro angegeben. 2008 ist das Thema „hoch aktuell“. Deshalb soll in Gebieten mit Maismonokultur und in der Nähe von Risikoplätzen, wie Autobahnraststätten, Warenumschlagsplätzen oder Flughäfen nur gebeiztes Maissaatgut ausgebracht werden, empfiehlt beispielsweise das Amt für Landwirtschaft und Forsten Rosenheim. Empfohlen wird, auf Poncho Pro zurückzugreifen. Während die normale Beize mit einer Aufwandsmenge von 41 ml/50.000 Maiskörner auskommt, wird die „Pro“-Variante mit 104 ml/50.000 Körner ausgebracht. Der Mehraufwand wird mit 80 Euro je Hektar veranschlagt, was sich rentiert, wenn nach Diabrotica-Befall der Mais durch die Quarantänemaßnahmen gar nicht mehr verkauft werden kann.
roRo