Juli-Agrarrat in Brüssel

Landwirtschaft

Erster Agrarrat unter Finnlands Präsidentschaft

International befragt

Die Agrarministerkonferenz in Brüssel ist derzeit die einzige Konstante der EU. Das Parlament hat seine Arbeit noch nicht aufgenommen, die Kommissare stehen noch nicht fest. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Montag vor ihrer Wahl dem Parlament hohe Klimaziele und deren Verankerung in künftigen Handelsabkommen versprochen. Damit gibt sie auch für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) die Richtung an.

Wie grün wird die GAP?

Beim Gedankenaustausch zur GAP forderte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner verpflichtende Öko-Regeln in der ersten Säule, einen Mindestanteil an nicht-produktiven Flächen und Elementen im Rahmen der Konditionalität, 30 Prozent der Gelder für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) für Klima- und Umweltmaßnahmen in der zweiten Säule sowie Sicherung der Einkommen, Gelder für den ländlichen Raum und mehr Tierwohl.

Das klingt gut und würde sich auch im grüneren Europaparlament widerspiegeln. Deutschland hat mit seinen vielfältigen Umweltmaßnahmen deutlich mehr erreicht als andere EU-Länder. Für einige sind solche grüne Träume unrealistisch und bauen auf einen Agrarkommissar, der bremst.

Nachhaltige Landwirtschaft und neue Technologien sind wichtig,  betonte am Montag der litauische Landwirtschaftsminister Griedrius Surplys. In diesem Sommer hat die Regierung zum zweiten Mal hintereinander einen Dürrenotstand ausrufen müssen. Neue Umweltmaßnahmen müssten in den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) passen, der erst im Herbst festgelegt wird. Amtskollege Miroslav Toman aus Tschechien will ebenfalls nur flexible Umweltregeln, die von allen Betrieben in der EU erreicht werden können. Sonst verlieren kleine Betriebe an Wettbewerbsfähigkeit. Der italienische Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio will keine Umweltmaßnahmen, die Landwirten höhere Kosten aufbürden, aber nicht bezahlt werden. Sonst würden die Betriebe in den benachteiligten Gebieten aufhören. Mehr Umwelt gehe nur mit einem höheren Agrarbudget, das nicht ständig angegriffen werde. Auch ein ungarischer Agrarkommissar würde bremsen. Viele Maßnahmen seien nicht effektiv und Landwirte bräuchten Flexibilität bei der Auswahl an Möglichkeiten. Umweltehrgeiz und Budgetpolitik können nicht voneinander getrennt werden, erklärte der stellvertretende Repräsentant Ungarns bei der EU Tibor Stelbaczky.

Der französische Landwirtschaftsminister Didier Guillaume zeigte sich als Freund von der Leyens. Nachdem Frankreich bereits angekündigt hatte, den Mercosur-Vertrag nicht ratifizieren zu wollen, sprach sich Guillaume ebenfalls für eine Verankerung hoher europäischer Klima- und Umweltstandards in künftige Handelsabkommen aus.

Afrikanische Schweinepest

Am Agrarrat nahm EU-Kommissar für Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis teil. Er zeigte sich besorgt über die unkontrollierte Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Asien. Tschechien gilt wieder als ASP-frei und sei ein gutes Beispiel für die effektive Eingrenzung des Seuchengeschehens. Die EU müsse dennoch wachsam sein. In Nordirland wurde illegal eingeführtes Schweinefleisch aus China gefunden.

Julia Klöckner konnte zwar auf die gute Zusammenarbeit zwischen ihrem Ministerium, Umweltverbänden, Jägern und Veterinären verweisen. Sie konnte auch erfolgreich auf ihren Chinabesuch Anfang Juli blicken, wo sie die Regionalität beim Export von Schweinefleisch durchgesetzt habe – aber das Virus hängt wie ein Damoklesschwert über Europas Schweineindustrie.

Die ASP ist seit sechs Jahren in Polen. Das Land hat Anstrengungen zur Eingrenzung und Ausmerzung des für den Menschen ungefährlichen Virus unternommen, aber Landwirtschaftsminister Jan Krysztof Ardanowski musste einräumen: Das Problem bleibt bestehen. Die Jagd auf Wildschweine sei eine gute Möglichkeit, das Virus in Zaum zu halten. Das Ministerium müsse sich aber zunehmend mit Jagdgegnern  auseinandersetzen. Die ASP ist eine europäische Angelegenheit und trifft derzeit die Mitgliedsländer an der Außengrenze. Wie beispielsweise Litauen. Minister Surplys forderte mehr Unterstützung aus Brüssel. Geld will auch Bulgarien. Ministerin Desislava Taneva will das in eine breit angelegte Informationskampagne in allen Medien investieren. 2018 gab es den ersten Ausbruch der ASP in Bulgarien, in der letzten Woche sind neue Fälle hinzugekommen.

Langstreckentiertransporte

Kein Ost-West-Gefälle gibt es beim Thema Ferntransport von Schlachttieren und Saugkälbern bei hohen Temperaturen. Nahezu jedes EU-Mitgliedsland hat seit dem letzten Jahr solche Transporte bei Temperaturen von über 30 Grad Celsius verboten. Spanien misst an Mautstellen die Außentemperaturen vom 01. Juli bis zum 15. September. Dennoch haben im August 2018 nach Aussage von Andriukaitis 533 Ferntransporte die Grenze in die Türkei überquert. Der Kommissar forderte die Länder auf, mehr zu tun.

„Das ist ein sehr emotionales Thema“, räumte Julia Klöckner ein. „Es ist zum Teil unglaublich unwürdig bei hohen Temperaturen.“ Sie beklagte nicht nur die unterschiedlichen Standards zwischen den EU-Ländern, sondern blickte auch selbstkritisch auf die unterschiedliche Handhabung der deutschen Bundesländer. Zusammen mit Österreich forderte sie eine Überarbeitung der Richtlinie zu Tiertransporten.

Skeptisch blieb allein Robert Goodwill, Staatssekretär im britischen Landwirtschaftsministerium. Künftig ist das Vereinte Königreich als Drittstaat von Verboten betroffen. Nach Goodwill sind dadurch die britischen Transporte zu den Schlachthäusern in der Republik Irland untersagt.

Pflanzenschutzmittel mit geringem Risiko

Unter der niederländischen Ratspräsidentschaft 2016 wurde Pflanzenschutzmitteln mit geringerem Risiko und dem Integrierten Pflanzenschutz neuer Schub gegeben. Zunehmende Resistenzen in Kulturpflanzen und die abnehmende Verfügbarkeit von chemischen Wirkstoffen machen die Suche nach Alternativen zu einem EU-Projekt. Im Vordergrund stehen biologische Pflanzenschutzmittel mit geringerem Risiko die aus biologisch gewonnenen Chemikalien, Pheromonen und ätherischen Ölen bestehen. Obwohl ein Umsetzungsplan aufgestellt wurde, ist für EU-Kommissar Andriukaitis noch viel zu tun. Die EU müsse konkretere Ziele festlegen. Ökolandbau und Ergebnisse aus der Wissenschaft seien bereits umsetzbar.

Es gehe zu langsam voran, sagte der slowakische Landwirtschaftsminister Gabriel Csicsai. Europaweit sind erst 16 dieser Pflanzenschutzmittel zugelassen, in seinem Land erst sechs. Offenbar ist die Zulassungsfrist von 120 Tagen zu ehrgeizig, sagte der Spanier Luis Planas Puchades. Die Zeit reiche für eine qualitative Zulassung nicht aus. Doch viele Länder nutzen den Schwung. Die Slowakei, Kroatien und Bulgarien haben die Gebühren für die Zulassung der neuen Pflanzenschutzmittel reduziert. Auch Deutschland hat die Gebühren für Pflanzenschutzmittel mit geringem Risiko um die Hälfte reduziert, wie eine Sprecherin des Ministeriums dieser Zeitung mitteilte.

Der Zuckermarkt

Mit dem Ende der Zuckerquote zur Rübenkampagne 2017 sind die Landwirte unter Druck geraten. Die EU hat eine Hochrangige Expertenkommission eingesetzt, die bislang nur den Preissturz bei Rüben und Zucker vermerken konnte. Die Restrukturierung des Zuckersektors mit europäischen Mitteln in Höhe von 5,4 Milliarden Euro in der Zeit zwischen 2006 und 2010 hat den Markt nicht widerstandsfähig gemacht. Die Folgerungen der Expertengruppe liege „auf der Linie des Bundesministeriums“ unterstrich Julia Klöckner. So sind Beihilfen für eine private Lagerhaltung nicht vorgesehen, die Umsetzung gekoppelter Zahlungen und Notfallzulassungen für Neonicotinoide sollen überprüft werden, zur Verbesserung der Wertschöpfungskette brauche es einen transparenten Markt und aus dem Europäischen Globalisierungsfonds und den EU-Strukturfonds sollen weitere Gelder in die Umstrukturierung und Diversifizierung des Zuckersektors fließen. Gegen handelsverzerrende Politiken anderer Zuckerproduzenten will die EU schärfer vorgehen.

Marktbeobachtungen und Politikprüfungen reichen nach Ansicht der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ) jedoch nicht aus. Die EU habe „den Ernst der Lage nicht erkannt“, teilte Dr. Hans-Jörg Gebhard, Vorsitzender der WVZ, im Vorfeld der Agrarsitzung mit. Die Erhebung neuer Marktdaten verbesserten nicht die Transparenz, sondern belasteten die Betriebe. Mit dem geplanten Mercosur-Abkommen verschärfe die EU die Situation noch. Kämen weitere 1,5 Millionen Tonnen Zucker in die EU stünden sieben bis zehn weitere Zuckerfabriken vor dem Aus. Als erstes müssten gekoppelte Zahlungen und Vorteile bei Pflanzenschutzmitteln gestoppt werden.

Nur hilft das alles nichts, wenn die Zuckerfabriken selbst Fehler machen. Die Südzucker verschleudert derzeit den Zucker mit 260 Euro je Tonne. Das Unternehmen  hat auf den Weltmarkt gesetzt und wollte Zucker per Zug in die Überseehäfen nach Belgien fahren. Die Weltweite Zuckerproduktion werde 2019/2020 steigt aber schon um zwei auf 181 Millionen Tonnen steigen. Außerdem hat Südzucker nicht in Lagerstätten investiert und muss die Ware zu allen Konditionen verkaufen. Die Fabriken im Norden und Westen Deutschlands zahlen etwa 328 Euro für jede Tonne Zucker.

BIOEAST

Im Jahr 2016 haben die Visegrad-Länder Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn mit BIOEAST eine Initiative für die Ausrichtung der Landwirtschaft, Aquakultur und Forstwirtschaft in Richtung Bio-Ökonomie begründet. Mittlerweile haben sich weitere osteuropäische Länder wie das Baltikum, Bulgarien, Rumänien und Kroatien angeschlossen. In den kommenden Wochen soll Serbien aufgenommen werden. BIOEAST will eine Erfahrungsplattform für den Austausch von Erfahrungen im Bereich der Bio-Ökonomie sein. Weil die Forschung ein wichtiger Teil der Strategie ist, soll BIOEAST in den Rahmenforschungsprogrammen H2020 und HEurope integriert werden. Die Themen reichen von der Erzeugung bis zur Lebensmittelproduktion, Agrarökologie und Wertschöpfungskette der Biomasse.

Reis aus Myanmar

Seit Anfang 2019 hat die EU rund 60.000 Tonnen geschälten Japonica-Reis aus Myanmar zollfrei importiert. In den Jahren davor lag der Import bei nur 34.000 Tonnen. Italien befürchtet einen Schaden für seine Reisbauern. In einem Vortrag fordert die Regierung die Prüfung eines Sicherheitsmechanismusses mit Erhebung eines normalen Zollsatzes auf Japonica-Reis aus Myanmar. Bei Indica-Sorten habe das funktioniert und die Importe sind zurückgegangen.

Roland Krieg; Foto: EU Doorstep

16. Juli 2019. 18:11:  Korrektur: Die Amtsbezeichnung von Herrn Tibor Stelbaczky wurde korrigiert. Er ist stellvertretender Repräsentant Ungarns bei der EU.

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