Kalter Krieg auf dem Agrarsektor

Landwirtschaft

Russlands Importpolitik schlägt hohe Wellen

Die Pflugscharen werden umgeschmiedet. Mit dem zunächst für ein Jahr geltenden Importstopp für Agrarprodukte steigt Russland in die nächste Eskalationsstufe mit dem Westen ein, sich wegen der Krim- und Ostukrainekrise wirtschaftlich zu duellieren [1].

Während Deutschland und die EU über Gegenmaßnahmen beraten, sieht sich Russland im Recht. Nach dem russischen EU-Botschafter Wladimir Tschichow verstoßen die Sanktionen nicht gegen geltendes WTO-Recht. Sie seien eine Antwort auf „antirussische Sanktionen, die die Europäische Union und Regierungen der betroffenen Länder, vor allem die USA, Kanadas, Australiens, Norwegens verhängt haben“, zitiert ihn Ria Novosti. Die russische Maßnahme solle nicht europäische Lieferanten treffen, sondern russische Produzenten und Verbraucher schützen. Tschichow betont, dass Russland bislang auf die zweistufigen Sanktionen der westlichen Welt noch nicht geantwortet habe. Erst jetzt, mit Strafen gegen russische Banken, müsse Russland reagieren, weil sie mit ihren Krediten die russische Landwirtschaft unterstützten. Ohne Gegenmaßnahmen würden die Sanktionen den europäischen Lieferanten Vorteile gewähren.

Mit Bezug auf die Exporte der EU im Jahr 2012 werde der Importstopp den Lieferanten einen Verlust in Höhe von 12 Milliarden Euro bescheren, sagte Vygaudas Usackas, EU-Gesandter in Moskau. Russland rechnet damit, dass die jetzt nicht mehr gelieferten Waren den europäischen Markt überfluten und eine Krise auslösten.

Auf der Liste des Importverbotes stehen gekühltes und gefrorenes Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch sowie Pökel-, Rauch- und Trockenfleisch, Fisch, Krebs- und Weichtiere wie auch andere wirbellose Wassertiere. Auf die Liste wurden zudem Milch und Milchprodukte, Gemüse, Wurzel- und Knollenfrüchte, Obst und Nüsse, Wurst und ähnliche Erzeugnisse aus Fleisch, Schlachtnebenerzeugnissen bzw. Blut (darunter auch fertige Lebensmittel auf ihrer Basis) gesetzt. In die Liste wurden zudem verzehrfertige Lebensmittel wie Käse und Quark, hergestellt auf Basis von Pflanzenöl, sowie milchhaltige Produkte, hergestellt auf Basis von Pflanzenöl, aufgenommen.

Sondersitzung gefordert

Der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter fordert eine Sondersitzung der Landwirtschaftsminister: „Das russische Importverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel ist ein europäisches Problem, das nur gemeinsam gelöst werden kann. Die EU-Agrarminister müssen so rasch wie möglich über die drohenden Folgen und mögliche Reaktionen beraten“, sagte er am Donnerstag. Der Handel mit Russland hat sich in Österreich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Die Sanktionen seien „ein Rückschlag für die österreichischen Lebensmittel- und Agrarexporte“. Rupprechter will die Agrarexporte in andere Drittstaaten intensivieren.

Großbritannien hingegen rechnet kaum mit Auswirkungen. Mehr als 0,2 Prozent der exportierten Agrargüter gehen nicht nach Russland. Dennoch hat sich das britische Landwirtschaftsministerium einer Erklärung des Außenministeriums angeschlossen und die Sanktionen verurteilt. Russland solle viel eher seinen Einfluss bei den Separatisten in der Ukraine geltend machen. England wird die Auswirkungen des Embargos genau analysieren.

Neue Märkte öffnen

Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) plädiert ebenso wie der Bauernverband früher für die Erschließung von Ausgleichsmärkten. Der Agrarhandel war bereits seit Monaten belastet. Die Sanktionen setzten neue Anreize, neue Märkte zu erschließen. „Handelshemmnisse und Sanktionen verfehlen nachweislich ihr Ziel, wenn sie, wie hier, zu Lasten von Wirtschaft und Verbrauchern gehen“, erklärte Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff.

Gegenüber dem NDR zeigt sich Werner Schwarz, Präsident des Landesbauernverband in Schleswig-Holstein, gelassen. Die Sanktionen würden keine Auswirkungen auf deutsche Verbraucher haben. Ein Überangebot käme nur kurzfristig zustande. Die Bauern in Schleswig-Holstein könnten zusätzlich nach China, Indonesien und Großbritannien exportieren.

Weniger gelassen ist Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes. Die Sanktionen träfen die deutsche Agrarwirtschaft hart. Nüssel fordert eine Task Force im Bundeslandwirtschaftsministerium, in der die Exportkompetenz gebündelt wird. „Nur so wird verhindert, dass die negativen Auswirkungen für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft ins Uferlose steigen“.

Indirekte Wirkung

Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI warnt vor allem vor indirekten Auswirkungen auf die deutsche Agrarwirtschaft. Vor allem für Polen und Griechenland ist Russland ein wichtiger Handelspartner. Diese Länder werden jetzt versuchen, ihre Warenströme umzulenken, was auch Deutschland als Importmarkt betreffen werde.

Preisbildung

Der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschlands (OVID) nutzt die Gelegenheit, einen Blick auf die Preisbildung von Rohstoffen zu werfen. Die Ölsaatenindustrie ist vom Bann nicht betroffen – aber die Preisbildung ist eben nicht nur von den Wetterverhältnissen, Ertragserwartungen, veränderten Konsumgewohnheiten oder steigenden Energiepreisen beeinflusst, sondern in erheblichem Maße auch von politischen Rahmenbedingungen. Daher sei es ein Mythos, dass Biokraftstoffe eine preistreibende Wirkung auf agrarische Rohstoffe haben. Solche Argumente lenkten von den tatsächlichen Einflüssen auf die Welternährung ab, teilt Wilhelm F. Thywissen, Präsident des OVID mit.

Lesestoff:

[1] Sondermeldung Herd-und-Hof.de zum russischen Importstopp europäischer Nahrungsmittel

Roland Krieg, VLE

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