Kann die Politik Wald?
Landwirtschaft
Wer geht den Weg zum Dauerwald?
Der dauerhafte Wald bietet Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Nahrung und Rohstoffe für den Menschen. Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Deutschland e.V. (ANW) definiert Dauerwald wie folgt:
„Wald ist ein dauerhaftes, vielgestaltiges und dynamisches Ökosystem. Er ist ein dem Standort und der natürlichen Waldgesellschaft angepasster, gemischter, ungleichförmig, strukturierter und ungleichaltriger Wals, in dem situativ und auf den Einzelbaum statt auf die Fläche bezogen die natürlichen Prozesse des Waldwachstums und der Walddynamik – der Regeneration, Mischung, Differenzierung und Strukturierung – beachtet und integriert werden. Der Holzvorrat wird stetig durch Pflege und Ernte in Anerkennung der Systemstabilität berücksichtigt wird.“ Hans von der Goltz als Vorsitzender des ANW hatte Gelegenheit, das Zitat am Montag im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zum Thema Waldpolitik, anzubringen. Denn: Über die verschiedenen Ziele sind sich alle Akteure einig. Aber wie das Konvolut der Zielkonflikte ausbalanciert werden soll, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Die einen wollen mehr Naturschutz, die anderen das Holz, andere sehen den Wald als Freizeitpark, Jäger als Zielgebiet und Klimaforscher propagieren den Wald als Kohlenstoffsenke.
Während im Ausschuss eine Fachanhörung zur „Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ lief, diskutierte Bundeswaldminister Cem Özdemir mit Verbänden schon über den „Zukunftsdialog Wald“.
Kann die Politik Wald?
Der gravierendste Unterschied zwischen Politik und Wald ist die Zeit. Selbst 16 Jahre „Dauerkoalition“ sind nicht mehr als 16 Jahre und vier Legislaturperioden. Wenn ein Teenager einen Wald anlegt können frühestens seine Enkel die ersten Bäume ernten. „Schnelles“ Nadelholz wird nach 70 Jahren genutzt, bei anderen Hölzern vergeht mehr Zeit. Im Dauerwald können Nutzungsperioden von zehn bis 15 Jahren angelegt werden. In diesen Plenterwäldern werden aber lediglich zwischen zehn und 15 Prozent des Forstes regelmäßig entnommen. Das setzt hohe Qualifikation und weitsichtige Planung durch die Forstbediensteten voraus.
Die Waldkrise
Dr. Jürgen Bauhus fasste im Ausschuss das im Oktober 2021 vorgestellte Gutachten des „Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik“ beim Bundesministerim für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) noch einmal zusammen und warnte, dass es beim Wald um unsere Lebensgrundlage gehe. Nachhaltige Ökosysteme gebe es per se nicht und entstünden erst in der Schnittstelle zwischen Natur und gesellschaftlichen Anforderungen. Diese Schnittmengen aber werden immer kleiner und die konfliktträchtigen Ansprüche immer größer. Bauhus befürchtet, dass die waldschädigende Trockenheit aus den Jahren 2018 bis 2020 als Extremereignis bald zu einem Normalfall werden wird und damit die Anpassung der Wälder erschwert. Trockenheit, Windwurf, Borkenkäfer und übernutzte Grundwasserbestände schädigen die Wälder so dauerhaft, dass sie sich selbst nicht mehr anpassen und regenerieren können. „Es reicht nicht mehr, auf eine natürliche Anpassung der Wälder zu vertrauen“, unterstrich der Waldexperte. Das dauerte Hunderte von Jahren, aber die Frist betrage nur noch wenige Jahrzehnte. Mit dem Anpassen von Wäldern müssen auch die Forstbetriebe, die mit dem Wald verbundenen Institutionen und sogar die Nutzung der Wälder verändert werden. Künftig werde es weniger Nadelholz und mehr Laubholz geben, was aber für die Nutzung mehr Forschung und Entwicklung brauche, um vergleichbare Nutzungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Für die Forstbetriebe heiße das, ihr Einkommen werde nicht mehr so wie heute überwiegend aus dem Holzverkauf alleine stammen. Die reine Holzwirtschaft rechne sich künftig nur noch in den Mittel- und Hochgebirgen. Sie müssen sich neue Betriebszweige überlegen. Falls sie das leisten können. Alleine die Forstarbeit ist ins Hintertreffen geraten. Weil die natürliche Waldverjüngung für eine Anpassung der Wälder nicht mehr ausreiche, müssen die Waldbesitzer aktiv mit Neuanpflanzungen eingreifen. Pflanzgut und Arbeitskosten sind aber teuer geworden. Das Thünen-Institut schätzt in einer sehr konservativen Rechnung alleine für die Baumarten Eiche und Kiefer Aufforstungskosten von 14 bis 43 Milliarden Euro in den nächsten 30 bis 40 Jahren.
Dort, wo die Wälder kaum noch zu retten sind, sollten auch keine Honorierungen für die Ökosystemdienstleistungen stattfinden. Das Gutachten schlägt Prämien für den Erhalt von gut funktionierenden Wäldern und Abstufungen für mittel gut bewirtschaftete Wälder vor.
Personalmangel
Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) hakte beim Personalmangel ein. Seit 1990 wurden 60 Prozent der Forstleute bei Bund und Länder abgebaut. Der öffentlichen Waldbesitzer haben die Zeit nicht für eine Krisenvorsorge genutzt und versuchen sie heute nur noch zu managen. Was im BMEL am Morgen mit 500.000 Hektar Aufforstungsfläche besprochen wurde scheitert nach Dohle am Personal. Für die jährliche Umbauquote von 90.000 Hektar entspreche einer Vervierfachung der aktuellen Arbeit und könne wegen Personalmangel nicht umgesetzt werden. Es sei Aufgabe der Bundesregierung die Rahmenbedingungen zu stellen, denn am Ende müssen Waldeigentümer und Forstleute die Ziele umsetzen: „Sonst kommen wir nicht ins Handeln“, mahnt Dohle.
Es mangelt in der Politik aber auch am komplexen Waldverständnis. „Waldumbau braucht aktive Steuerung“, betonte Max von Elverfeldt, Vorsitzender des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst. „Das Modell der Stilllegung von Wäldern schwäche den Waldumbau und den Green Deal.“ Große Schutzflächen stehen dem Waldumbau im Wege. von Elverfeldt bezieht in seiner Kritik auch das Klimaschutzgesetz ein. Das Waldgutachten müsse Grundlage für die künftige Politik sein.
Dr. Christian Ammer von der Georg-August-Universität Göttingen schreibt dem geschützten Wald durchaus eine Berechtigung zu. Aber die richtige Balance ist eine gesamtgesellschaftliche mit allen Akteuren. Das Waldgutachten hat insgesamt 13 konkrete Handlungsempfehlungen ausformuliert.
„Zukunftsdialog Wald“
Derweil setzt die Bundesregierung mit dem Start zum „Zukunftsdialog Wald“ schon auf die falschen Akzente. Der Fachverband Holzenergie im Bundesverband Bioenergie (FVH) sieht eine Vernachlässigung der Nutzung. Das BMEL plane offensichtlich zusammen mit dem Bundesministerium für Umwelt (BMU) ein Förderprogramm für einen Nutzungsverzicht. „Alte Wälder verlieren ihre CO2-Bindungswirkung, da absterbende Bäume bei ihrer Verrottung das CO2 ungenutzt wieder freisetzen. Stattdessen erfordern Klimaschutz und Energiekrise, dass wir mehr Holz für die Substitution fossiler Rohstoffe und Energieträger nutzen.“ Fünf Prozent der Waldfläche sollen ungenutzt bleiben. Deutschland habe den höchsten Holzvorrat und müsse Holz sogar importieren. Derweil überaltern die Wälder. Mehr als ein Viertel des Waldes sei über 100 Jahre alt.
Zumal: Der Wald alleine werde die Welt nicht retten. Solange die Emissionen außerhalb des Waldes auf hohem Niveau bleiben habe der Wald auch als Kohlenstoffsenke seine Grenzen erreicht, bekräftigte Ammer, und kann keine seiner Ökosystemleistungen abrufen.
Roland Krieg
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