Kartoffeln statt Raps?
Landwirtschaft
Perspektiven von Raps- und Kartoffelanbau
Laura Langenlüddecke von Cargill hat auf dem 1. Deutschen Ackerbautag des deutschen Bauernverbandes (DBV) nur eine kurzfristige gute Perspektive für die Rapsanbauer darlegen können. Langfristig stehen dem Rapsanbau schwere Zeiten ins Haus. Nicht nur wegen des Verbots der Neonnicotinoide.
Weltweit steigt die Nachfrage nach Ölsaaten wie Sonnenblumen, Raps, Palmöl, Baumwolle oder der Erdnuss. Die Marktexpertin für Ölsaaten verweist nicht nur auf den jährlich um sechs Prozent wachsenden chinesischen Markt [1] – Indien, Bangladesch und Indonesien sind die nächste Nachfragemärkte für Ölsaaten: „Indien hat den Megaboom noch vor sich“, prognostiziert Langenlüddecke. Doch was hat das mit Deutschland zu tun?
Deutschland weist in Ost-West-Richtung ein strukturelles Rapsdefizit auf. Die Hauptanbauländer sind Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die meisten Ölmühlen stehen aber entlang der Rheinschiene. Mit Hoffnung auf den Biodiesel-Boom wurden Verarbeitungskapazitäten von 13 Millionen Tonnen geschaffen. Aktuell vermahlen die Mühlen nur noch acht Millionen Tonnen Rapskörner. In Deutschland werden in diesem Jahr nicht mehr als 5,6 Millionen Tonnen Raps geerntet. Drei Millionen Tonnen müssen also importiert werden. Daher konkurriert die Nachfrage auf den internationalen Märkten mit den chinesischen Mitbewerbern. Kurzfristig wird die Minderauslastung der Ölmühlen für Preissteigerungen sorgen. Langfristig aber muss sich Raps vor allem bei Einberechnung der indirekten Landnutzungsänderungen mit viel preiswerteren Palm- und Sojamethylester messen lassen. Raps kostet auf dem Weltmarkt etwa 90 US-Dollar pro Tonne mehr. Da der Anteil der Speiseölverwertung seit Jahrzehnten stagniert, sieht die Zukunft des Kreuzblütlers düster aus.
Kartoffeln haben eine Chance
Ganz anders sieht es bei Kartoffeln aus, obwohl der Verbrauch ständig zurückgeht. Es siind aber nicht die Salzkartoffeln, die den Bauern Hoffnung geben, sondern die veredelten Formen wie Chips und Pommes Frites. Die Zeiten, in denen die Bauern einen halben Hektar Kartoffeln nebenher bewirtschafteten haben sind vorbei, erläuterte Ferdi Buffen, Geschäftsführer der Wilhelm Weuthen GmbH. Das Geschäft fängt ab 20 Hektar an. Die Kartoffelbauern suchen händeringend Pachtland für die Expansion.
In Asien öffnen täglich vier bis fünf Fast Food Restaurants. Die BRICS-Länder lassen sich Pommes und Chips schmecken. Und da kann Europa liefern. Das Rheinland liegt mitten in der „Hafpal“-Region. Das ist etwa das Gebiet zwischen Hamburg, Frankfurt, Paris, London und Amsterdam in der Mitte. Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien und Belgien sind die „Big 5“ des europäischen Kartoffelanbaus. Es gibt zwar auch einen nordamerikanischen „Potato Belt“, doch in Europa sind die Überseehäfen gleich vor der Tür. Die Amerikaner müssen erst noch Tausend Kilometer und mehr zurücklegen. Nach Buffen ist es derzeit preiswerter einen Container nach Lateinamerika zu versenden, als einen Lkw mit Kartoffeln von Amsterdam nach Sevilla. Das liegt auch daran, dass Leercontainer genutzt werden können, die Soja oder Geflügel nach Europa gebracht haben. Die Amerikaner müssen von Idaho, Washington oder dem Gebiet der großen Seen dreimal mehr Aufwand betreiben, um ihre veredelten Kartoffeln nach Südamerika zu bringen.
Dieser Trend ist langfristig. Die Belgier veredeln mittlerweile vier ihrer 4,5 Millionen Tonnen geernteter Kartoffeln zu Pommes. Haben die „Big 5“ 1991 zusammen gerade einmal sechs Millionen Tonnen verarbeitet, waren es im letzten Jahr schon fast 14 Millionen Tonnen.
Der Kartoffelanbau unterliegt keiner Marktordnung und der Sektor zeigt, wozu die Landwirtschaft fähig ist. Die guten Aussichten sind aber kein Grund zum Träumen, warnt der Kartoffelexperte. Sinkt die Anbaufläche in der HAFPAL-Region unter 240.000 Hektar gehen die Kostenvorteile zurück. Die Kartoffel steht im Wettbewerb mit anderen Kulturen, die wie Getreide, Raps oder Energiemais stressunempfindlicher sind. Ohne professionelles Wissen ist keine gute Ernte mehr möglich. Für Deutschland sieht Buffen noch Wachstumschancen. Vor allem neue Anbaugebiete wie Bayern, Hessen oder Baden-Württemberg können in den Anbau einsteigen. Osteuropa fürchtet er nicht. Da gibt es zwar noch jede Menge Raum, aber mit Erträgen von unter zehn Tonnen je Hektar sind Bulgarien und Rumänien nicht wettbewerbsfähig.
Lesestoff:
[1] Ausblick auf die Agrarmärkte bis 2022
Roland Krieg