Klares Bekenntnis zum ländlichen Raum
Landwirtschaft
Minister Hering eröffnet Konferenzreihe „Ländlicher Raum“
In Rheinland-Pfalz werden 70% der Regionen dem ländlichen Raum zugeordnet, 80% des Landes werden durch eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung geprägt und 90% der rheinland-pfälzischen Gemeinden weisen weniger als 2000 Einwohner auf. „Damit hat der ländliche Raum für Rheinland-Pfalz eine ganz besondere Bedeutung“, konstatierte Hendrik Hering, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau am 21.03.2007 bei der Auftaktveranstaltung des „Forums Ländlicher Raum“ in Grafschaft- Ringen bei Bad Neuenahr-Ahrweiler. In einer Reihe von fünf Konferenzen quer über das Land verteilt will der Minister seinem eigenen Bekunden nach „den Menschen zuhören“, mit ihnen diskutieren und ihre Ideen aufgreifen, um diese im September in einem Positionspapier präsentieren zu können. Klares Ziel ist, mit „nicht aus Mainz vorgegebenen Ideen“ eine klare Argumentationsstrategie für ländliche Räume und deren Wettkampf mit den Metropolregionen zu entwickeln.
Im Mittelpunkt dieser ersten Veranstaltung standen die Themen Gründungsgeschehen im ländlichen Raum und Regionalmanagement, die in Form von Referaten näher erläutert wurden.
Gründer auf dem Lande
Dr. Bernd Greulich von der IHK Koblenz beleuchtete in seinem Referat „Gründungsprozesse“ besonders die Frage nach den Besonderheiten von Firmengründungen im ländlichen Raum. Der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung folgend, werden die meisten Unternehmen im Bereich der Dienstleistungen (besonders haushalts- und personenorientierte Dienstleistungen) gegründet. Insgesamt herrschen im ländlichen Raum kleine Betriebsgrößen vor, die räumliche Struktur der Unternehmen orientiert sich am Absatzmarkt für die jeweiligen Produkte.
Als Besonderheiten für Gründungen im ländlichen Raum sind seiner Meinung nach die häufig schlechteren Kommunikationswege (Stichwort DSL), die weitere An- und Abfahrt des Kunden oder Anbieters, der Fachkräftemangel wie auch die für den Produktabsatz problematische geringere Bevölkerungsdichte zu nennen. Positiv wirken sich die günstigeren Gewerbeflächen und die oftmals schnelleren Genehmigungsprozesse aus.
Eigenes Profil schärfen
Mit der Umsetzung von Regionalmanagements beschäftigte sich das Referat von Ministerialdirektor a. D. Prof. Dr. Herrmann Schlagheck. Auch er plädiert für eine klare Positionierung des ländlichen Raumes gegenüber den Metropolregionen, unter der Maxime „Stadt und Land – Hand in Hand“. „Denn wenn der ländliche Raum nicht weiß, was er will, wird er von den Metropolregionen überholt“, so Schlagheck.
Um für und mit den Menschen des ländlichen Raumes tragfähige und akzeptierte Konzepte zu erarbeiten müssen in seinen Augen drei wesentliche Faktoren Berücksichtigung finden:
Erstens die Regionalität von Konzepten, die auf der eigenen, unverwechselbaren Identität von Regionen aufbaut. Dabei ist es wichtig, Pläne für ein regionales Management nicht für zu große oder aber zu kleine Gebiete zu entwerfen. Zweitens die Partizipation der Bürger, durch deren Engagement und Ideen Projekte erst entwickelt und umgesetzt werden können. Drittens die Integration.
Alle im ländlichen Raum tätigen Akteure müssen in ein Regionalmanagement einbezogen werden. Alle diese Faktoren soll ein integriertes ländliches Entwicklungskonzept (ILEK) zusammenführen.
„Aber wir haben einen Wettbewerb der Konzepte“, betont Schlagheck, „und in diesem Wettbewerb wird es auch Regionen geben, die verlieren werden.“
Doch wodurch zeichnen sich erfolgreiche Konzepte aus? Schlagheck führt gleich mehrere Ansätze an: Es sind die Regionen, die ein gestärktes Wir-Gefühl anstreben, die eine interkommunale Zusammenarbeit initiieren und versuchen, durch eine breite Information, die Bevölkerung zu einem Umdenken weg von einer grundsätzlichen Abwehrhaltung zu bewegen. Dabei stellt Schlagheck klar: „Es gibt keine Lösungen von der Stange“. Einzig und allein regionsspezifische Ansätze sind wirklich Erfolg versprechend. Um eine wirklich erfolgreiche Umsetzung aller Managementpläne zu erreichen und auch die Motivation der Bürgerinnen und Bürger zu bewahren, ist es in seinen Augen nicht nur wichtig räumliche und thematische Schwerpunkte zu setzen, sondern auch überschaubare und in abgrenzbarem Zeitraum umzusetzende Projekte zu definieren.
Bei der Frage um die Notwendigkeit von professioneller Begleitung bei der Aufstellung eines ILEKs bekennt sich Schlagheck klar zu der Moderation „von außen“: „Wir benötigen Lokomotiven, die von außen Hilfestellung leisten“.
Um zukünftige Herausforderungen zu meistern kommt seiner Meinung nach der Mitbestimmung der Bürger eine wesentliche Bedeutung zu. „Das ist lebendige Demokratie – ein klarer Vorteil gegenüber den Metropolregionen; das muss man auch so deutlich machen“, so Schlagheck abschließend.
Die anschließende Gesprächsrunde mit fünf Fachvertretern aus unterschiedlichsten Branchen vereint verschiedene Aspekte des Lebens und Wirtschaftens im ländlichen Raum miteinander:
Kooperation suchen
Seit Jahrhunderten existieren Stadt und Land nach dem Prinzip der Arbeitsteilung nebeneinander. Diese Gleichberechtigung muss auch zukünftig gewährleistet werden, innerhalb „der Regionen muss hier zwischen Stadt und Land auf Augenhöhe verhandelt werden“, so Dr. Hans-Ulrich Tappe, Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Insbesondere unter der aktuellen Entwicklung der Bevölkerungswanderung in die Mittelzentren, zu denen auch Bad Neuenahr-Ahrweiler zählt, seien deshalb faire Kooperationen zwingend. Weder Stadt noch Land könnten ohne Partner existieren, daher bedürfe es intelligenter Zusammenarbeit.
Obst und Gemüse vom freien Markt
Der Anbau von Sonderkulturen (Gemüse, Obst) im ländlichen Raum hat nicht nur Identität stiftende Funktion, sondern auch eine greifbare wirtschaftliche Bedeutung. Jedoch vollzieht sich auch hier der Strukturwandel rasant weiter: Nur bei Betrieben über 10ha Betriebsfläche ist noch Wachstum und damit eine Chance zum längerfristigen Verbleib in der Produktion festzustellen. Diese Tendenzen formulierte Werner Riedel, Leiter der Abteilung Gartenbau am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt. Doch trotz der guten Wettbewerbsfähigkeit rheinland-pfälzischer Sonderkulturanbauer, die sich aus der Tatsache ergibt, dass in diesem Sektor seit jeher unter den Bedingungen des freien Marktes gewirtschaftet wird, sieht er verschiedene Probleme. Neben den heutigen Maßstäben nicht mehr genügenden Flächengrößen sind es die mangelnde Verfügbarkeit von Wasser zur Bewässerung der Kulturen und der Mangel an Saison-Arbeitskräften, die den Landwirten Sorgen bereiten.
Hochkonjunktur für Feld und Wald
Wolfgang Pinn vom Forstamt Hillesheim in der Eifel beleuchtete das Thema Nachwachsende Rohstoffe. Er sieht mit dem Anbau von Nachwachsende Rohstoffen in Land- und Forstwirtschaft die Möglichkeit gegeben, sowohl die Versorgung der Menschen mit Energie als auch die sichere Versorgung der Industrie gewährleisten zu können. „Dabei bleibt die Wertschöpfung in der eigenen Region und wird nicht nach Russland oder in den Nahen Osten transferiert“, so Pinn. Zudem ergeben sich insbesondere für Landwirte neue Einkommensquellen, die jedoch, wie zum Beispiel im Bereich Biogas bereits ersichtlich, nicht immer ohne Konflikte mit Anwohnern, Naturschützern oder Jägern bleiben. „Hier muss in einem konstruktiven Dialog versucht werden, alle Menschen mitzunehmen und alle Belange zu berücksichtigen“, so der Vorschlag von Pinn.
Hoteliers als Unternehmer wahrnehmen
„Die Vielzahl von Projekten und Verantwortlichen lähmt die Entwicklung,“ konstatierte Klaus Schäfer, Geschäftsführer der Eifel Tourismus GmbH und befürwortete die Bildung von Großregionen, um das Kirchturmdenken vieler Kommunen und Verbände zu überwinden und den Tourismus nachhaltig zu stärken. Hinsichtlich der Vielzahl von gastronomischen und touristischen Betrieben plädiert er dafür, „endlich auch mal diese Dienstleistungsanbieter im Tourismus als Unternehmen wahrzunehmen“, und sie im Wettbewerb mit der Förderung anderer Bereiche nicht völlig aus dem Blick zu verlieren.
Alt und jung zusammen
Angelika Diagayété von der Fachschule für Altenpflege in Mayen betonte in ihrem Statement den Standortvorteil, den der ländliche Raum im sozialen Bereich hat: Neben den oftmals noch intakteren Familienstrukturen und dem häufigeren Zusammenwohnen mehrer Generationen ist es auch die Möglichkeit zur Erholung abseits von Lärm und Gestank, die ein Argument für den ländlichen Raum darstellt. Das darf jedoch nicht über die enormen Defizite im sozialen Bereich hinwegtäuschen: Gravierender als in städtischen Regionen fehlen hier beispielsweise Betreuungseinrichtungen für Kinder. „Frauen auf dem Land müssen genau wie in der Stadt die Wahlfreiheit haben, ob sie mit Kindern berufstätig sein wollen oder nicht“, forderte Diagayété.
Bei der Umsetzung schlägt sie mit Hinblick auf den demographischen Wandel eine neuartige Verbindung vor: „Warum nicht Altenheim und Kindergarten unter einem Dach? Beide Gruppen können sich gegenseitig so viel geben.“
Mit Straßen Schulen heizen
Abschließend beleuchtete Harald Enders vom Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz das Thema Verkehr im ländlichen Raum. Dabei machte er besonders auf die große Bedeutung des Straßensystems für dem ländlichen Raum aufmerksam. „Um dieses System zu erhalten hat in unserer Strategie ein Wechsel stattgefunden: Weg vom Neubau, hin zur Erhaltung“, betonte Enders.
Doch auch darüber hinaus sieht er zukünftige Herausforderungen für seinen Betrieb. So ergäben Zählungen beispielsweise, dass Autos mit Berufspendlern mit durchschnittlich 1,1 Personen unterwegs waren. Um diesem Personenbesatz pro PKW zu steigern will der Landesbetrieb Mobilität auf einen weiteren Ausbau der Mitfahrerparkplätze in Autobahnnähe setzen. Auch eine internetbasierte Mitfahrerbörse befindet sich bereits in Betrieb. Doch auch ganz andere Gedanken bewegen die Straßenbauer: „Mit 500 km Straße kann ich eine regionale Schule beheizen“, pointierte Enders und spielte dabei auf die energetische Nutzung des organischen Materials aus der Pflege des Straßenbegleitgrüns an.
Die Wiederentdeckung der Kleinheit
„Der ländliche Raum kann stolz auf sich selber sein, er muss diesen Wert aber auch nach außen offen darstellen“, so Minister Hering in seiner abschließenden Zusammenfassung der Wortbeiträge. Bei diesem „Eigenwert“ spiele besonders die Kulturlandschaft eine herausragende Rolle. Diese gelte es mitsamt der kulturprägenden Landwirtschaft zu erhalten.
Damit zeitnah Erfolge von Initiativen sichtbar werden könnten, plädiert auch Hering für „kleine Projekte, die zügig umgesetzt werden können.“ Jedoch bedürfe es für den Managementprozess auf regionaler Ebene externer Moderatoren, die professionell ein ILEK aufbauten. Den zahlreich erschienenen Kommunalvertretern versuchte Hering die Angst vor dem demographischen Wandel zu nehmen: „Jeder Ort soll auch nach dem demographischen Wandel seine Selbständigkeit noch haben.“
Dabei stehen in seinen Augen die Schlagworte Überschaubarkeit, Identität und Kleinheit im Mittelpunkt. „Wir brauchen im ländlichen Raum eine gute Infrastrukturanbindung, wir brauchen Schulen und Kindergärten und wir bekennen uns klar zu den kleinen Schulen und Kindergärten, damit der ländliche Raum auch zukünftig eine Lebensperspektive für junge Familien bietet“, betonte Landesminister Hering. Nach wie vor offen bleibt jedoch die Frage nach der Finanzierung dieser Maßnahmen.
Der ländliche Raum habe, so Hering, viele Standortvorteile, die es zu bewerben gelte. Nur so sei es möglich, Arbeitsplätze – und die sind nun einmal der Schlüsselfaktor – im ländlichen Raum zu schaffen.
Für den ländlichen Raum hat die Einteilung in Regionen, die nach den Gefühlen seiner Menschen quasi subjektiv erfolgt, eine besondere Bedeutung. Diese Regionen gelte es zu stärken durch die Entwicklung „passgenauer Konzepte für die Regionen“, betonte Hering.
Die auf dieser ersten Regionalkonferenz und den vier folgenden gesammelten Beiträge und Ideen sollen im September in ein Strategiepapier für die Entwicklung des ländlichen Raums einfließen. Dieses soll im Rahmen einer „Grünen Woche Rheinland-Pfalz“ präsentiert werden.
Lesestoff:
Auf Bundesebene läuft zur Zeit ebenfalls eine Konferenzreihe zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Zuletzt traf man sich in Münster und diskutierte über die Wirtschaft im ländlichen Raum.
Die weiteren Termine für die Regionalkonferenzen in Rheinland-Pfalz sind:
02. Mai in Zweibrücken
22. Mai Boppard
25. Juni Saarburg
09. Juli Bad Bergzabern
Details unter: www.mwvlw.rlp.de und wwwlandschafft.rlp.de
Philipp Goßler, Universität Trier (Fachbereich Kultur- und Regionalgeographie)