Klima und Meeres-Ökosystem
Landwirtschaft
Klimabedingte Veränderungen im marinen Ökosystem
In der heute erscheinenden Ausgabe des Magazins Science zeigt Ökophysiologe Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung, wie eng physiologische und ökologische Prozesse miteinander verknüpft sind.
Temperaturabhängiges Leistungsfenster
Entscheidend für die Empfindlichkeit einer Art auf Klimaänderungen ist das temperaturabhängige Leistungsfenster. Das bestimmt die Fähigkeiten, bei unterschiedlichen Temperaturen zu wachsen, sich fortzupflanzen, Nahrung aufzunehmen oder mit anderen Arten um Platz oder Ressourcen zu konkurrieren. Bei Tieren wird das Leistungsfenster durch die Kapazität des aeroben Stoffwechsels und der Sauerstoffversorgung bestimmt. Diese Parameter hat das AWI beispielhaft an Meerestieren untersucht. „Das Leistungsfenster wird durch die Temperatur begrenzt und spiegelt die Spezialisierung auf das Klima“, erklärt Dr. Pörtner. „Es verschiebt sich mit saisonaler Temperaturanpassung und im Wechsel mit verschiedenen Lebensstadien.“
Wissenschaftler konnten bisher folgende Veränderungen im Ökosystem beobachten: Die polwärtige Ausdehnung oder Verschiebung biogeographischer Verbreitungsräume, die örtliche Minderung oder Auslöschung vormaliger Bestände, Verschiebungen in der zeitlichen Abfolge biologischer Prozesse, die veränderliche Verfügbarkeit von Nahrung sowie Veränderungen in Nahrungsnetzen. Viele dieser Veränderungen werden überwiegend durch die Temperatur bewirkt.
Kabeljau, Rotbarsch und Eisberge |
Nur Jungfische sind klimatisch robust
Bei vielen Fischen sind die Eier und Larvenstadien besonders empfindlich, während zum Beispiel Jungfische relativ robust gegenüber Temperaturveränderungen reagieren. Aber auch trächtige Weibchen, die den Laich produzieren, haben ein schmales Leistungsfenster, sind also gegenüber Schwankungen empfindlich.
Durch den Klimawandel liegt beispielsweise die Temperatur in der Nordsee im Winter mittlerweile über dem Leistungsoptimum des Kabeljau, der in der Nordsee am südlichen Rand seines Verbreitungsgebietes lebt. Diese Art kann jedoch weiter nach Norden ausweichen. Allerdings ist von Bedeutung, dass die Leistungsfenster von Arten auch aus dem gleichen Lebensraum unterschiedlich ausgeprägt sein können und nur in einem begrenztem Temperaturbereich überlappen. Daher haben klimatische Verschiebungen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Arten, zum Beispiel ihre Konkurrenzfähigkeit oder die Verfügbarkeit von Beute in Räuber-Beute-Beziehungen. Auch die jahreszeitliche Abfolge von biologischen Prozessen wird durch die Temperaturabhängigkeit der Leistungsfenster beeinflusst.
Versauerung erhöht die Sensibilität
Nach neueren Kenntnissen wird bei empfindlichen Arten das temperaturabhängige Leistungsfenster durch weitere Stressfaktoren wie Ozeanversauerung verengt. Es gibt mittlerweile einige Beispiele, in denen das Leistungsfenster im Klimawandel nachweislich überschritten wird: bei Kabeljau und Aalmuttern in der Nordsee, bei Sardinen in der Japanischen See, sowie bei Lachsen im Frazer-River in Westkanada.
Lesestoff:
„Physiology and climate Change“ Science, 31.10.08
Alfred-Wegner-Institut: www.awi.de
Margarete Pauls (AWI); Foto (R. Wittig / AWI): Kernspin-Labor: Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie werden in vivo-Untersuchungen an Meerestieren durchgeführt