Klimaplastische Wälder
Landwirtschaft
Abschlusstagung NEWAL-NET
Fast vier Jahre lang haben 14 Institute, Universitäten und Forschungseinrichtungen über die „Nachhaltige Entwicklung von Waldlandschaften im Nordostdeutschen Tiefland geforscht“. Das Projekt NEWAL-NET begann, als, so Prof. Dr. Uwe Nagel von der Humboldt Universität Berlin, das Thema Klimawandel noch kaum eine Rolle spielte. Dafür hätten die Ergebnisse der Abschlusstagung am Montag in Berlin zu keinem richtigeren Zeitpunkt kommen können.
Den Wald richtig kombinieren
Wenn man den Wald sich selbst überlässt, dann entwickelt er sich schon in einen artenattraktiven und struktureichen Wald, so die Landschaftswerkstatt Schorfheide-Chorin. Doch Förster denken dabei in sehr langen Zeiträumen und in der Übergangszeit vermiesen anspruchslose Arten wie das Landreitgras und die Traubenkirsche den Spaziergängern und Waldarbeitern den Spaß am und im Gehölz. Da kann der Waldbesitzer mit der Anpflanzung verschiedener Baumarten nachhelfen. Die Region nördlich von Berlin ist zwischen lehmigen Endmoränen und Sandern in trockenen Tälern geprägt von subatlantischem und subkontinentalem Klima. Langsam würden hier auch Hainbuche, Winterlinde, Eiche, Ahorn, Esche oder Flatterulme wachsen.
Doch geprägt ist die Landschaft vom märkischen Brotbaum, der Kiefer. Brandenburg hat mit dem Waldumbau begonnen, aber reicht das auch für den steigenden Nutzungsdruck und die kommende Klimaveränderung? „Die Natur kann vieles leisten – nur kann sie keine Qualitätssicherung für den Holzmarkt leisten“, lautet eine der zehn Thesen über nachhaltige Waldwirtschaft der Landschaftswerkstatt. Was muss getan werden, damit Spaziergänger den Wald erleben, damit Waldbesitzer den Wald bewirtschaften können und damit höhere Temperaturen und Sommertrockenheit den Wald gesundheitlich nicht auslaugen? Das herauszufinden ist Aufgabe des NEWAL-NET gewesen. Welche Baumarten sollen gepflanzt und gefördert werden, damit auch Enkel und Urenkel noch gesunde und stabile Wälder vorfinden? Das wichtigste Anliegen für Projektleiter Dr. Hans-Peter Ende vom Zentrum für Agrarlandschaftsforschung ZALF sind jedoch Handlungsempfehlungen für Akteure und Politik. Denn, so zeigte Konferenz, das Ergebnis gilt nicht nur für Nordostbrandenburg und Südost-Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch als grundlegendes Prinzip für andere Regionen.
Thesen zum klimaplastischen Wald
Jedes Jahr hat einen anderen Temperatur- und Niederschlagsverlauf. Der Klimawandel macht den Alpenraum, den Oberrheingraben und Nordostdeutschland zu sensiblen Landschaften mit zunehmenden Wetterextremen. Wer sich auf nur einen Baumbestand im Wald verlässt, setzt alles auf eine Karte. Der Wald leidet in seiner Gesamtheit unter Wetterstress. Im klimaplastischen Wald jedoch herrschen systemische Verhältnisse. In Trockenperioden geht das sekundäre Dickenwachstum der Buche zurück, der Spitz-Ahorn hingegen gleicht den Schwund durch ein Zusatzwachstum aus, so Dr. Martin Jenssen vom Waldkunde-Institut Eberswalde. Auch Buche und Winterlinde weisen ein gegenteiliges sekundäres Dickenwachstum bei Witterungsfluktuationen auf.
Das Leitbild des klimaplastischen Waldes beruht auf der Erkenntnis, dass die ökologischen Risiken durch den Anbau unterschiedlicher Baumarten voneinander abhängig sind. Die Wechselwirkungen auf kleinräumiger Ebene senken auf der Ebene des Gesamtbestandes das ökologische Gesamtrisiko.
Die Naturschutzstiftung Schorfheide-Chorin hat auf 11 Hektar einen klimaplastischen Wald mit neun Baumarten begründet. Mosaikartig sind, nach verschiedenen Bodenverhältnissen ausgerichtet, Buche, Trauben-Eiche, Hainbuche und Winterlinde unter Kiefern gepflanzt und einzelne Exemplare von Vogel-Kirsche, Spitz-Ahorn und Elsbeere nachträglich eingebracht.
Umbau in kleinen Schritten
Die Ergebnisse NEWAL-NET sollen laufende Pläne der Holzbewirtschaftung nicht mittels eines Kahlschlags über den Haufen werfen. Heranwachsende Kieferbestände werden zu ihrer vorgesehenen Zeit geerntet. Aber wenn es an der Zeit ist, können Waldbesitzer gemäß den Thesen des klimaplastischen Waldes an ihren spezifischen Standorten spezifische Umbaumaßnahmen durchführen. Preiswert bei Gruppendurchforstungen oder bei der Naturverjüngung in Horsten. Wird der Waldumbau mosaikartig im Vor- und Unterbau eingeführt oder gezielt auf Windwurfflächen, steigt der finanzielle Aufwand, so Dr. Jenssen. Doch Anpassungsstrategien an den Klimawandel sind generell kostenintensiv.
Die Grundlagenforschung des NEWAL-NET bietet den Waldbesitzern Freiheitsgrade an, damit sie eine zusätzliche Bestandsoption beim Klimawandel haben – für die langen Zeiträume des Waldwachstums und Unabwägbarkeiten der Klimaveränderungen.
Lernort und gesellschaftliches Handeln
Alleine seine Vielfalt macht den klimaplastischen Wald zu einem außergewöhnlichen Lernort, so Dr. Thomas Aenis. Der Wald ist traditionell ein besonders gutes Beispiel für Problemzusammenhänge im sozialen, ökologischen und ökonomischen Kontext. Seine Erfahrungen mit Schülern und Betrieben haben gezeigt, dass das praktische Erleben im Wald für eine Bildung der nachhaltigen Entwicklung geeignet ist.
So knüpfte das Schulwaldprojekt der Pannwitz-Grundschule in Lychen an die Tradition von 1911 an, als sie als Freiluftschule für lungenkranke Kinder gegründet wurde. Die Lehrerhaben den Kontakt zu den Förstern hergestellt und ein Konzept für einen fächerübergreifenden Unterricht im Freien entwickelt. Aus diesem Projekt ist die Lehr-Litfasssäule entstanden, die dem Betrachter mit Postern und Textelementen die Thesen der nachhaltigen Waldbewirtschaftung nahe bringt. Im Januar 2009 wurde sie fertig und kann kostenfrei von Selbstabholern für Ausstellungszwecke genutzt werden. Voraussetzung ist ein thematischer, aktiver Bezug in Schulen und Betrieben, so Dr. Kenneth Andres von der Lehrwerkstatt zu Herd-und-Hof.de.
„Das Ziel einer hohen Naturnähe ist mit einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Waldbewirtschaftung vereinbar“, formuliert die Landschaftswerkstatt. In den Thesen zum klimaplastischen Wald findet sich die Nachhaltigkeit als gesellschaftliches Handeln wieder. Seit 200 Jahren hat der Wald eine hohe soziale Durchlässigkeit erfahren, so Dr. Anders. Kaum ein Verbotsschild sperrt Spaziergängern den Weg durch private Wälder. Die Erholungssuchenden finden zwischen den Bäumen ihre Rad- und Wanderwege. Hier entstehen Konflikte zwischen dem „Leben in der Landschaft“ und dem „Leben von der Landschaft“, wenn der Waldbesitzer die Ernte einfährt. Auch darauf muss der klimaplastische Wald Rücksicht nehmen.
Der zweite Teil wird am Donnerstag https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/waldentwicklungsmodelle.html exemplarisch Vorteile aufzeigen, die der klimaplastische Wald zur Verbesserung der Ressourcen wie Wasser und Atmosphäre sowie beim Habitat im Bereich des Naturschutzes leisten kann.
Roland Krieg (Fotos: roRo)