Klimaschutz und Landwirtschaft
Landwirtschaft
Interview zum Klimalandwirt mit B90/Die Grünen
Die jüngsten Wochen haben mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und der Umweltministerkonferenz mit einer neuen Gemeinschaftsaufgabe einige Entwicklungen aufgezeigt, die Auswirkungen auf Landwirte haben. Das Klimaschutzgesetz muss nach Urteil des Gerichtes deutlich jährlich nachgeschärft werden. Damit sind Zwischenziele für die Klimaziele 2030 und 2050 festzusetzen. Die Reduzierung der Emissionen durch emissionsarme Fütterung, heimischer Proteinpflanzen oder pflugloser Bodenbearbeitung greifen in den Bauernalltag ein. Landwirte, die auf Feldern und Weiden wirtschaften, die durch die Wiedervernässung nur noch neue Entwicklungen, wie dem Anbau von Torfmoos dienen, sollten natürlich frühzeitig Kenntnis davon haben. Wenn die Politik die neue Gemeinschaftsaufgabe Naturschutz ausarbeitet, muss sic mit der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz in Einklang gebracht werden. Dazu hat Herd-und-Hof.de der Schlüsselpartei für Landwirtschaft, Klima- und Umweltpolitik, Bündnis 90/Die Grünen einige Fragen gestellt. Anlass war die Klimakonferenz zur ersten Nachbereitung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes [1]. Geantwortet haben Steffi Lemke, parlamentarische Geschäftsführerin und naturschutzrechtliche Sprecherin und Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen.
HuH: Die Umweltministerkonferenz hat am 23. April eine neue „Gemeinschaftsaufgabe Naturschutz“ vorgeschlagen. Details sind noch offen. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?
Steffi Lemke: „Der Naturschutz in Deutschland ist seit Jahren völlig unterfinanziert. Allein für die Umsetzung der Natura2000-Richtlinien in den Schutzgebieten fehlt jedes Jahr knapp eine Milliarde Euro. Daher ist eine bessere Finanzausstattung sinnvoll und wird von uns im Grundsatz begrüßt. Zu prüfen gilt es, über welche Strukturen eine Finanzierung für den Naturschutz insgesamt langfristig am besten abgesichert werden kann. Die Notwendigkeit funktionierende Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen geht über Natura2000 hinaus. Wir Grüne streben daher an, zehn Prozent der Mittel aus dem Energie- und Klimafonds für den Schutz und die Renaturierung von Ökosystemen zu nutzen. Mir ist wichtig, dass es in der nächsten Legislaturperiode wirkliche Verbesserungen im Naturschutz gibt und nicht weiter alles zerredet und auf die lange Bank geschoben wird.“
HuH: Da zehn Landesministerien sowohl Umwelt und Agrar in einem gemeinsamen Ressort betreuen, wie soll sich diese Gemeinschaftsaufgabe im Verhältnis zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) einstellen?
Steffi Lemke: „Nur kleine Bereiche der GAP und der GAK sind naturschutzrelevante Förderungen, daher braucht es jenseits von GAP und GAK eine dezidierte Naturschutzförderung. Eine Konkurrenz zu bestehenden Programme sehe ich nicht, allerdings eine Notwendigkeit die bestehenden Programm stärker nach dem Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ auszurichten. Das trifft besonders auf die GAP zu.“
HuH: Neben der „großen“ Agrarpolitik in Brüssel (GAP), gibt es mit dem Programm „Life“ lediglich nur ein kleines vergemeinschaftetes Umweltprogramm [2]. Wie stehen die Chancen, Life im Bereich Umwelt- und Klimaschutz in Brüssel auszubauen?
Steffi Lemke: „Nach Artikel 8 der FFH-Richtlinie müssen EU-Mittel für die Umsetzung von Natura2000 zur Verfügung gestellt werden. Allerdings wurde dafür der integrierte Ansatz über verschiedene Programme verteilt gewählt, der weitgehend als gescheitert gilt. Das einzige dezidierte Naturschutzförderprogramm LIFE ist mit nur minimalen Finanzmitteln ausgestattet. Dabei waren es meist LIFE Projekte, die sich als hochwirksam und kosteneffizient zeigten. Wir Grüne hatten uns daher auf EU-Ebene für einen eigenen Naturschutzfonds eingesetzt. Mit nur minimalen Aufwüchsen bei LIFE kann die eklatante Unterfinanzierung und auch die schädliche Subventionspolitik in anderen Programmen wie z.B. in großen Teilen der GAP nicht aufgewogen werden.“
HuH: In Ermangelung eines gleichgewichteten Umweltprogramms in Brüssel, konzentrieren sich alle Maßnahmen und Ideen auf die GAP. Da die GAP-Mittel weder zweckgerichtet noch im Volumen finanziell für ein Umwelt- und Klimaprogramm ausreichend ausgestattet ist, wird die GAP nie ihren Aufgaben zurecht. Zumal enthebt dieser GAP-Umwelt-Mechanismus andere Sektoren von ihren Verantwortlichkeiten für Umwelt und Klima. Teilen Sie diese These und welche Lösungen gäbe es?
Friedrich Ostendorff: „Die Landwirtschaft steht vor entscheidenden Herausforderungen: die effektive Begrenzung der Erderwärmung, der Biodiversitätserhalt und der Schutz lebensnotwendiger Ressourcen. Gleichzeitig geben immer mehr landwirtschaftliche Betriebe auf. Die Dringlichkeit von Klimakrise, Artensterben und Höfesterben macht ein konsequentes Handeln erforderlich. Diese Dringlichkeit wird durch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz bestätigt. Die zukünftige GAP muss die Vorgaben der „Farm to Fork“- und der Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission für eine 50-prozentige Pestizid- und Antibiotika-Reduktion, 50 Prozent Reduktion der Nährstoffverluste und Ausbau des Öko-Landbaus auf 25 Prozent EU-Fläche bis 2030 verbindlich adressieren. Diese Herkulesaufgabe erfordert eine substantielle Neuausrichtung und einen Systemwechsel der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) und eine Umstellung der Agrarförderung auf das Prinzip „Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“. Die Agrarfördermittel müssen endlich genutzt werden, um Gemeinwohlleistungen wie Umwelt-, Arten- und Naturschutz der Landwirtschaft zu honorieren, z.B. durch eine Gemeinwohlprämie, und so echte Anreize für eine nachhaltige Ausrichtung der Landwirtschaft zu schaffen.
HuH: Vielen Dank für die Antworten
Die Fragen stellte Roland Krieg
Lesestoff:
[1] Das historische Urteil: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-historische-dimension-des-klimaschutzurteils.html
[2] Kennen Sie Life? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/das-kleine-umwelt-und-klimaprogramm-der-eu.html
Die Geschichte des Interviews:
Wenn ein Landwirt Saatgut in Mulchsaatverfahren ausbringt, bewältigt er bei jeder Überfahrt des Feldes drei Aufgaben gleichzeitig. Mit der Saat sichert er die regionale Lebensmittelproduktion, die Mulchauflage schützt den Boden vor Austrocknung und hält den Kohlenstoffbindenden Humus in der oberen Bodenschicht. Gleichzeitig kann sich das Bodenleben durch den Verzicht auf die wendende Bodenbearbeitung (Pflug) ungestört entfalten. Das gilt für konventionelle als auch für ökologische Landwirte. Ein Arbeitsgang, drei Lösungen. Die Politik trennt die Bereiche offenbar lieber. Die Klimakonferenz war die geeignete Möglichkeit, die Fragen zu stellen. Sie wurde von Klimapolitikerin Lisa Badum moderiert, die auch bei telefonischem Nachhaken, die Fragen als zu agrarisch bewertete und an Friedrich Ostendorff verwies. Der Biobauer hat sich in seiner letzten Legislaturperiode allerdings nur eine Frage herausgepickt und für die Naturschutzfragen an Steffi Lemke verwiesen. So befand sich das Interview auf einer langen Reise zwischen Klima-, Agrar- und Naturschutzpolitik. Aus Sicht des Praktikers ist für eine gemeinsame Sichtweise der Themen noch viel Luft nach oben.
Roland Krieg
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