Klimawandel und regionale Anpassung
Landwirtschaft
Fachdialog Wasser
Das Jahr 2003 haben viele noch als „Jahrhundertsommer“ in Erinnerung. Die Landwirte hingegen konnten sich an Sonnenschein und hohen Temperaturen nur wenig erfreuen. Vor allem in Süd- und Osteuropa hat der Sommer tiefere Spuren im Gedächtnis hinterlassen: Er hatte Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel und die Ernte. Hohe Temperaturen und Sonneneinstrahlung hatten den Wasserbedarf der Pflanzen deutlich erhöht. Gegenüber dem Jahr 2002 sank in der EU die Getreideernte um 23 Millionen Tonnen, zitiert das Change magazine1) Prof. Orlandini von der Universität Florenz. Im Folgejahr 2004 traten weitere Folgen wie Erosion und Überflutungen auf.
Wasser wird kostbar
Brandenburg hat schon lange das Problem knappen
Wassers, erklärt Falk Böttcher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) beim „Fachdialog Wasser“ von INKA BB und
Landesbauernverband. In der Vegetationszeit zwischen April und Juni müssen sich
die Bauern auf ein Minus von 150 mm Niederschlag einstellen. Hinzu komme, dass
wegen der hohen Temperaturen die Verdunstung über Boden und Pflanze steigt.
Regional sinkt die Bodenfeuchte auf unter 50 Prozent nutzbare Feldkapazität,
ein Wert, der nicht mehr optimal für das Pflanzenwachstum ist. In der zweiten
Jahreshälfte ist der Trend regional wesentlich differenzierter. In der
Jahresbilanz zeigen Standorte keine verlässlichen Niederschlagsprognosen mehr auf.
Der Fläming, eine trockene Hochebene südlich von Berlin, der durch seinen
Spargelanbau berühmt ist, verzeichnete im Jahr 2006 ein Minus von 117,8 mm
Niederschlag, in den Jahren 2007 und 2010 jeweils mehr als 200 mm zusätzlich.
Und das, obwohl die Anzahl der Niederschlagstage nahezu unverändert bleibt.
Der Wetterdienst verzeichnet noch andere Eigenarten. So
nahm die Häufigkeit von Gewittern mit Schauer in Cottbus um mehr als ein
Drittel zu, in der Stadt Doberlug-Kirchhain, rund 50 Kilometer westlicher gelegen,
nahmen Gewitter und Schauer um fast sieben Prozent ab. Falk Böttcher wusste
keine Erklärung – Prof. Dr. Manfred Stock vom Potsdam Institut für
Klimafolgenforschung (PIK) vermutet, dass die Befüllung der Tagebaulöcher des
ehemaligen Braunkohleabbaus mit Wasser eine erhebliche Verdunstungsfläche
bietet und das Wasser regional in der Atmosphäre kondensiert. Grundlage für
Gewitter.
Der DWD kümmert sich mit dem Fach Agrarmeteorologie
auch um die praktischen Belange der Bauern. So heißt es immer wieder, dass die
bodendeckenden Zwischenfrüchte der Hauptfrucht im Folgejahr das Wasser
verknappen, doch Falk Böttcher kann das widerlegen. Wichtig sei, dass
abfrierende Zwischenfrüchte wie Phacelia, Buchweizen oder Sonnenblumen Wasser
in der Wurzelzone ansammeln und nach dem Abfrieren für die Hauptfrucht
hinterlassen. Das haben Untersuchungen des DWD ergeben.
Prof. Dr. Uwe Grünwald von der BTU Cottbus räumt mit
einer anderen Überlegung auf. Grundwasser wird besonders im Winter neu
gebildet. Die kommenden Winter werden mehr Niederschlag mit sich bringen. Doch
für Brandenburg heißt das nicht, dass der Klimawandel mehr Grundwasser nach
sich zieht, denn die Winter werden kürzer. Vor allem in den Regionen mit
geringen Wasserkapazitäten schmälern die gegenläufigen Trends die
Wasseranreicherung. Nach Prof. Grünwald nehmen neben Niederschlag auch die
Flächennutzung, die Raumplanung und die Wasserbewirtschaftung Einfluss auf die
Wasserspeicher im Boden. Sein Fazit: „Wir müssen Einfluss auf die Wassernutzung
nehmen!“ Nicht alles kann weiterhin zugelassen werden.
Knappe Ressourcen verteilen
Christina Knoll vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit
und Verbraucherschutz stellte die mögliche Ausgestaltung der künftigen
Wassernutzung des Landes vor. Auf der Basis vorliegender täglicher Durchflussmengen
müssen für jedes Gewässer Mindestrestmengen ermittelt werden, die für Fische,
Wasserpflanzen und Aufgaben des unteren Gewässerverlaufes notwendig sind.
Im Juni 2010 unterschritt die Spree am Pegel Leibsch
neun Tage in Folge die Mindestwassermenge. Unter Strafandrohung in Höhe von
50.000 Euro durften Gartenbesitzer dem Fluss kein Wasser mehr entnehmen.
Gedeckt durch den Paragraphen 33 des Brandenburger Wassergesetzes könnten
überall Nutzungseinschränkungen greifen, werden Mindestmengen unterschritten.
Wichtig ist dabei der Paragraph 6, nach dem Wasser nicht eigentumsfähig ist.
Auch nicht für den Nutzer.
Problematisch sei, dass in einem Jahr nutzbares Wasser
vorhanden sei, im Folgejahr nicht. Ab wann wem welche Wassernutzung zu
untersagen sei, ist nach Aussage von Knoll noch eine offene Frage. Die
Verwaltung in Brandenburg arbeitet bereits an einem „Wasserbuch“. Bis zum 01.
März 2013 müssen nach Axel Loger vom Brandenburger Umweltministerium die
Wasserrechte in ein „Wasserbuch“ eingetragen werden. Wer das versäumt, weil er
beispielsweise sein Nutzungsrecht nicht ausübt, dem wird nach einer
Übergangsfrist bis zum 01. März 2020 das Recht endgültig gestrichen. Das
Wasserbuch könnte auch künftige Konflikte vermeiden helfen. Nach Knoll könnten
die Wassernutzungsrechte im Internet veröffentlicht werden.
Brandenburg bleibt Agrarland
Die Prognosen für die Brandenburgische Landwirtschaft sehen also wenig rosig aus. Allerdings fallen regionale Szenarien nach Prof. Stock sehr unterschiedlich aus. Die Prognosen müssen die Kunst beherrschen, die globalen Klimaaussagen „Das Wetter wird wärmer“ und „Es wird extremer“ auf einen einzelnen Landstrich herunterzubrechen. Je detaillierter eine Region betrachtet wird, desto unsicherer werden die Prognosen. Global wird es Gewinner und Verlierer geben. Die semiariden Gebiete werden es schwerer haben, Russland und Nordeuropa können ihre Landwirtschaft besser betreiben. Das gleiche gilt auch für Brandenburg. Einige Regionen, wie der sowieso schon trockene Fläming werden es schwerer haben, dem angrenzende Havelland macht der Klimawandel weniger aus. Seit den 1960er Jahren haben sich die Erträge von Weizen und Roggen in Brandenburg verdoppelt, so Prof. Stock. Zeitanalysen zeigen auch für Silomais keine künftigen Ertragseinbrüche. „Die Landwirtschaft in Brandenburg bleibt lohnend“, so der Klimaforscher. Aber die einzelnen Jahre sind weiger auszurechnen. Die Variabilität der Ernten wird steigen. Schon seit 1990 haben die Ertragsschwankungen in Brandenburg um 30 Prozent zugenommen.
Lesestoff:
1) Change magazine ist
eine niederländische Zeitschrift. Die Nummer 3 des 5. Jahrgangs im Jahr 2009
wurde ins englische übersetzt. www.changemagazine.nl
Klimawandel in Regionen: www.klimzug.de
vom BMBF
Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung: www.anpassung.net vom UBA
INKA BB am Leibniz-Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung (ZALF): http://project1.zalf.de/ps/inkabb
Roland Krieg