Klimawandel und Tierseuchen

Landwirtschaft

Tierkrankheiten: Größere Herausforderung Globalisierung

Der Klimawandel verändert Regionen und macht die einen trockener, den anderen bringt er mehr Niederschlag. Krankheiten, die in den Tropen und Subtropen zu Hause sind, rücken nach Norden vor. Doch ist der Klimawandel die stärkste Kraft hinter neuen Krankheiten wie der Blauzunge?

Klima verstärkt Globalisierungseffekte
Am Samstag trafen sich in Cottbus die Brandenburger Veterinäre zum 6. Tierärztetag. Ein Thema: „Klimawandel und Globalisierung: Steigendes Risiko für exotische Tierseuchen in Deutschland?“.
Dr. Franz Joseph Conraths vom Institut für Epidemiologie des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Wusterhausen sagt ja – aber mit Einschränkungen. Krankheiten brauchen Überträger, die er in lebende (Vögel) und unbelebte (Lkw) unterteilt. Letztere sind bereits ein Indikator auf den globalisierten Handel.
Weltweit reisen Bakterien, Viren und Überträger mit Personen, in Containern und Produkten um den Erdball. Ein Schädling der jüngst nach Deutschland gelangte ist der Jet-Set Beetle. Die Ahnen des badischen Maiswurzelbohrer haben die internationalen Handelswege für ihre Verbreitung ausgenutzt. Dr. Conraths hält die Gefahren einer Ausbreitung über den Handel für gefährlicher als durch die Klimaveränderung. Wohl aber verstärken veränderte klimatische Bedingungen den Effekt, wenn sich der Eindringling endemisch ausbreiten kann. Mit dem Ziel eines globalen Binnenmarktes setze die WTO den wirtschaftlichen Erfolg von Handelsbeziehungen über die Tierseuchenprävention – eine Herausforderung für Tierärzte.
Die Berufskollegen am Flughafen Frankfurt/M. stehen dabei in erster Linie. Alleine im Januar 2009 wurden mehr als 3.600 verdächtige Personen überprüft, bei denen rund 650 verbotene Lebensmittel dabei hatten. Insgesamt wurden mehr als 2.100 kg Waren beschlagnahmt. Darunter so exotische „Lebensmittel“ wie „Fleischbonbons und Softdrinks aus Vogelspeichel“.
Auch schon bei der Geflügelpest gilt die Verschleppung über Lebensmittel als ein höheres Risiko als über Zugvögel, was bei Passagiern, denen ihre Geflügelprodukte beschlagnahmt werden, auf Unverständnis stößt.

Das tödliche Dutzend
Das Verbraucher den Ernst der Lage nicht verkennen sollten und ihren Teil der Vorsorge leisten können, machte die Wildlife Conservation Society (WCS) im Oktober 2008 in Barcelona klar. Dort stellte sie einen Bericht über „Tierkrankheiten im Zeitalter des Klimawandels“ vor und beschreibt „Das tödliche Dutzend“ an Zoonosen, Krankheiten, die von den Tieren auf den Menschen übertragbar sind.

Beispiel Rift-Valley-Fever
Das Rift-Valley-Fever stammt aus Ostafrika und verursacht große Sterberaten bei Wiederkäuern und Kaninchen in Afrika und dem Nahen Osten. Menschen können sich beim Schlachten der Tiere anstecken und ebenfalls daran sterben.

Während das Rift-Valley-Fever von Europa noch „weit entfernt“ ist, so Dr. Conraths, rückt der West-Nil-Virus näher. 2008 wurde er in österreichischen Papageien gefunden. Das amtliche Monitoring hat bei Storchennestlingen in Brandenburg auch Antikörper gefunden. Sie nehmen die Antikörper über den Dotter auf, so dass deren Eltern einmal mit dem Virus in Kontakt gekommen sein müssen, so Dr. Conraths.

Blauzungenkrankheit
Die Blauzungenkrankheit hat in den letzten zwei Jahren Deutschland ganzflächig erobert und trotz Impfkampagnen wird die Krankheit wohl nicht mehr zu vertreiben sein. Die Blauzungenkrankheit ist jedoch das Beispiel, dass Klimawandel allein nicht das Vorpreschen von Tierseuchen bestärkt.
Der Virus wird von drei Millimeter langen Gnitzen übertragen. Das Virus war in den Gnitze Culicoides imicola in den Tropen und Subtropen schon länger endemisch. Deren Ausbreitung im Mittelmeerraum bis nach Italien und Griechenland lässt sich über eine Klimaänderung begründen. Allerdings nicht die Ausbreitung durch die Gnitzen Culicoides obsoletus und C. pulicarvis, die nachweislich den Virus in die BeNeLux-Länder eintrugen. Diesen Gnitzen waren in Mitteleuropa wahrscheinlich schon zu Hause, als es hier noch keine Menschen gab, so Dr. Conraths. Wieso sie den Virus übernommen haben, ist noch ungeklärt. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass 2006 die Sommertemperaturen deutlich über dem jährlichen Mittel lagen und so mindestens den Gnitzen eine Verbesserung ihres Lebensraum gegeben haben. Eine Wetteranalyse hat zu dem gezeigt, dass in den Monaten des Seuchenausbruchs die Windrichtung über Belgien nach Osten wies und die leichten Flieger über die Grenze verfrachteten. Alle Hauptausbruchgebiete 2006 lagen im Luftstrom.
Das Brandenburger Agrarministerium hat auf der Tagung deutlich gemacht, dass auch 2009 die Impfversorgung gegen die Blauzungenkrankheit gesichert ist, weil „das die einzige Möglichkeit ist, sich vor wirtschaftlichen Schäden zu schützen“, so Staatssekretär Dietmar Schulze.
Es gibt auch wenig Alternativen. Denkbar wäre ein Schutz der Tiere vor den Gnitzen. Doch Dr. Conraths nimmt gegenüber Herd-und-Hof.de den Mut, diesen Plan weiter zu verfolgen. Zum einen bieten die offenen Stallbauten den Gnitzen immer eine Möglichkeit des Eindringens, zum anderen durchläuft eine Entwicklungsphase der Mücken im Kot der Wiederkäuer und ist damit direkt im Stall vorhanden. Letztlich weist die Forschung über Gnitzen noch Lücken auf. Man könne zwar verschiedene Entwicklungsstadien identifizieren, doch diese nicht den Gnitzenarten zuordnen, so Dr. Conraths.

Das FLI veranstaltet vom 26. bis zum 28. Mai eine internationale Konferenz zum Thema „Klimawandel und Infektionskrankheiten“. Ort: Alfred Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald in 17489 Greifswald. Konferenzsprache ist englisch, Tagungsgebühr 180 Euro. Details unter www.fli.bund.de

Einheitliche Strategie gefordert
Im März 2008 haben die Brandenburger Tierärzte eine Übung zu einem MKS-Ausbruch abgehalten. Da haben sie gezeigt, dass im Notfall alles ineinander greift. Aber leider sind die Strategien zwischen den Bundesländern nicht einheitlich, kritisiert Dr. Conraths. Das bemängelt auch die Bekämpfungsstrategie der EU: es gebe einen bunten Strauß an lokalen Netzwerken, doch im Krisenfall zu wenig Einheitliches.
Auch international ist das nicht anders. Vor einigen Jahren gab es in Laos lediglich vier Amtstierärzte. Deshalb wurden lange Zeit keine Vogelgrippefälle aus dem Land am Mekong berichtet. Erst seitdem Laos wieder mehr Tierärzte hat, gibt es auch wieder Berichte über H5N1-Infektionen.
Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) feierte im Januar sein 70. Bestehen. Auch dort stand das Thema Klimawandel und Tierseuchen ganz oben. Staatssekretär aus dem Agrarministerium in Hannover, Friedrich-Otto Ripke, sagte hinsichtlich der künftigen Herausforderungen: „Wir werden, weil das Klima sich wandelt, noch mehr Aufwand betreiben müssen.“

Lesestoff:
Aktuelles Seuchengeschehen finden Sie auf den Seiten des Friedrich-Loeffler-Instituts und des Robert-Koch-Instituts: www.fli.bund.de und www.rki.de
Die europäische Tierseuchenstrategie finden Sie unter http://ec.europa.eu/food/animal/diseases/strategy/index_en.htm
Die Weltorganisation zur Tiergesundheit: www.oie.int
Den Bericht über „Das tödliche Dutzend“ finden Sie unter www.wcs.org

Roland Krieg

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