Knöllchenbakterien alleine reichen nicht

Landwirtschaft

Die politische Dimension der Hülsenfrüchte

Auflockerung der Fruchtfolge, zusätzliche Trachten für die Honigbiene, Sammeln von Stickstoff aus der Luft, Einsparung von Stickstoffdünger, positive Humuswirkung, Zunahme der Regenwurmpopulation und Aufschluss von Bodenverdichtungen durch tiefe Verwurzelung. Wer solche positive Eigenschaften besitzt, sollte sich nicht von den Feldern verdrängen lassen. Und doch ist es passiert. Waren Ackerbohnen und Futtererbsen vor langer Zeit noch fester Bestandteil der Fruchtfolgen und wichtiger Eiweißträger für die Nutztiere, sind sie aus Feld und Flur längst verschwunden. Schlimmer noch: Jährlich importiert Deutschland 3,6 Millionen Tonnen Soja und eine weitere Million Tonnen Sojaschrot für die Versorgung von Schweinen, Rindern und Schafen.

Als das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2012 eine „Eiweißstrategie“ für die Versorgung der Nutztiere mit einheimischen Futterquellen auflegte, war das aus dem Ökobereich heraus gesehen eine längst überfällige Entscheidung. Doch Dr. Annegret Groß-Spangenberg von der Geschäftsstelle „Eiweißpflanzenstrategie“ bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) bekannte auf der BioFach in Nürnberg, die Wissenschaftler ernteten „Hohngelächter“.

In der Art und Weise (Hohn) sicherlich falsch, aber in der Sachkritik nicht unberechtigt. Die Langtagspflanze Soja im „kühlen Deutschland“ etablieren zu wollen, fehlende Wettbewerbsfähigkeit bei Lupinen, Ackerbohnen, Klee oder Erbsen durch geringe Ertragskraft, die zudem durch Instabilität der Erträge gekennzeichnet sind, weil selbst die heimischen Sorten aus den Zuchtprogrammen der großen Saatgutfirmen verschwunden sind – haben die Leguminosen unattraktiv für die Felder gemacht. Umgekehrt, umso drängender wurde das Auflegen einer Strategie, Lupinen und Co. wieder auf die Äcker zu bringen.

Im Jahrestakt haben sich seit Auflegen der Eiweißpflanzenstrategie Netzwerke für die einzelnen Pflanzen gebildet: 2013 startete das Sojanetzwerk, ein Jahr später kam das Netzwerk Lupine hinzu und ganz neu ist das Projekt „Erbse und Bohne“ aus den Startlöchern gespurtet.

Die Verbundvorhaben bringen die gesamte Wertschöpfungskette vom Landwirt bis zum Handel an den Tisch und wollen den Stickstoff sammelnden Pflanzen in den Fruchtfolgen den Platz erkämpfen, den sie aufgrund ihrer positiven Eigenschaften beanspruchen dürfen.

Keine Einzelkämpfer

„Man braucht die ganze Branche“, sagt Dr. Groß-Spangenberg. Der Ökolandbau gilt als Wissensträger, hat aber aus Sicht der Fruchtfolgegestaltung sein Potenzial nahezu ausgereizt. Jetzt gilt es, die Leguminosen in den konventionellen Landbau einzuführen. Züchter müssen bestehende Sorten weiter entwickeln. Verarbeiter müssen den Landwirten Abnahmehorizonte anbieten, Landwirte müssen bereit sein, das Risiko zu tragen und der Handel muss, sofern es auch um Leguminosen für die menschliche Ernährung geht, Tofu, Lupinendrinks und andere Produkte listen und en Verbrauchern schmackhaft machen. Die Netzwerke stellen neben einem Fundus an Forschung und Entwicklung einen Dialogprozess mit allen Beteiligten, wie sich die neuerliche Markteinführung der Leguminosen umsetzen lässt.

Soja

Die Freiburger Firma Taifun versorgt die Ökobranche mit Tofu-Sojabohnen und kann auf einen Vertragsanbau mit Landwirten aus dem Jahr 1997 zurückblicken, erläuterte Dr. Nina Weiher von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Aktuell beliefern 100 Landwirte die Erfassungsstellen. In Bayern gibt es derzeit aber nur fünf Stellen, die lernen mussten, dass Landwirte in der Erntezeit ihre Produkte auch an den Wochenenden abliefern wollten. Die wenigen erfassungsstellen erhöhen derzeit noch die Transport- und Lagerkosten. Auch wenn die Tonne Ökosoja für 800 bis 900 Euro verrechnet wird, sind die Erzeugerpreise noch nicht wettbewerbsfähig. Im Konzert mit anderen Futtergetreiden, Energiepflanzen sowie anderen Früchten wie Zuckerrüben, Körnermais oder Kartoffeln, fehlen oft noch die Anbauflächen für die Leguminosen. Im Rahmen des Sojaprojektes haben drei Züchter die Sojabohne in ihr Zuchtprogramm aufgenommen.

Lupine

Ein Betrieb aus Brandenburg erntet bereits zufriedene 33,8 dt Lupinen vom Hektar. Um das Lupinenprotein für die Monogastrier besser verwertbar zu machen, toastet er die Körner und hat sich einen Drehtrommeltoaster auf den Betrieb gestellt. Er entwickelt bereits einen mobilen Toaster, der im Service für andere Landwirte die Lupinen bearbeiten kann. Futterberechnungen aus dem Lupinennetzwerk zeigen nach Dr. Annett Gefrom von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern, dass drei bis vier Kilo getoastete Lupinen in einer Ration für Milchkühe Leistungen um die 9.000 kg Jahreslaktation ermöglichen.

Der Boom

Die Leguminosen verschwanden vom Feld in die Nische. Bis zur Eiweißpflanzenstrategie. Die Forschungsergebnisse und Vielzahl der Akteure hat den Anbau „salonfähig“ gemacht. Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) der EU als zusätzliche Ökologisierungskomponente hat, nicht zuletzt durch den Einsatz des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das die Anrechenbarkeit auf den ökologischen Vorrangflächen EU-weit durchgesetzt hat, wie Dr. Groß-Spangenberg betonte, den Leguminosen einen Boom auf den Feldern beschert. Und seit Januar 2016 kommt noch etwas weiteres dazu. Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr als „Jahr der Hülsenfrüchte“ ausgerufen. In anderen Teilen der Welt stellen Bohnen, Linsen und Co. einen großen Teil der täglichen Ernährung. Die UN wollen mit dem Jahr der Hülsenfrüchte die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf diese Pflanzen legen. Mit Erfolg. Die BLE erhält seit Wochen Anfragen nach Anbautipps, und Rezeptideen. Landwirte und Verbraucher sind gleichermaßen interessiert. Die BLE will die Vorschläge in zusätzliches Informationsmaterial umsetzen.

Die Politik der Leguminosen

Pflanzenbaulich konnte Dr. Ute Williges vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen noch nichts vorweisen. Das Projekt „Erbsen und Bohnen“ ist ja gerade erst gestartet und hatte mit dem Diskussionsforum seinen ersten öffentlichen Auftritt. Aber es scheint beim Landesbetrieb an der richtigen Adresse zu sein. „Es braucht den richtigen Augenblick“, sagte sie. Leguminosen erfüllen die von der Gesellschaft geforderten Ökosystemleistungen. Die Leguminosen sind über das Greening politisch motiviert auf die Felder gekommen, aber, so unterstreicht Dr. Williges, es geht darum, die Pflanzen langfristig und ohne politische Hilfe zu etablieren. Dabei kommt den Pflanzen zugute, dass es kaum einen Unterschied zwischen ökologischen und konventionellen Anforderungen gibt. Die konventionellen Bauern müssen schon alleine wegen der zunehmenden Resistenzen aus ihren engen Fruchtfolgen raus, folgert sie. Es gehe nicht um „den Deckungsbeitrag des Jahres“ zu entwickeln, sondern die mehrjährigen positiven Eigenschaften zu kommunizieren. Das ist mittlerweile auch keine deutsche Angelegenheit mehr, ergänzt Dr. Gefrom gegenüber Herd-und-Hof.de. Der Anbau von Leguminosen hat durch das Greening europaweit um 17 Prozent zugenommen.

Da hat sich mit der „Eiweißpflanzenstrategie“ in Deutschland wohl schon ein neuer europäischer Spitzencluster im Bereich der Agrarforschung gebildet. Derzeit sind die Verbundnetze nur bis Ende 2018 finanziert – aber eine Sprecherin aus dem BMEL konnte in Nürnberg verkünden, dass sowohl über die Förderhöhe als auch über die Laufzeit über 2018 hinaus positiv nachgedacht wird. Bereits im nächsten Jahr soll das Greening in einer Brüsseler Halbzeitbilanz bewertet werden. Die Diskussion für die neue GAP ab 2020 hat bereits begonnen. Die Politik darf auf Sachargumente für Leguminosen aus den Netzwerken hoffen.

Lesestoff:

Die zentrale Einstiegsseite für die Eiweißpflanzenstrategie und allen bestehenden und kommenden Netzwerken finden Sie unter www.ble.de / Forschungsförderung / Eiweißpflanzenstrategie

Die Deutsche Agrarforschungsallianz DAFA hat zum Thema das Buch "Forschungsstrategie Leguminosen" aufgelegt www.dafa.de

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige BioFach mit dem Suchbegriff „BF-16“ anzeigen lassen]

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