Koalitionsvertrag in Niedersachsen steht
Landwirtschaft
„Sicher in Zeiten des Wandels“
Nach nur fünf Tagen haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Hannover vorbehaltlich der Zustimmungen der Landesparteitage am kommenden Wochenende ihren Koalitionsvertrag 2022 bis 2027 vorgestellt. Es waren nach dem designierten Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) die kürzesten Verhandlungen in Niedersachsen, „dank konstruktiver Vorverhandlungen.“ Eigentlich war die Präsentation erst für den 3. November vorgesehen. Der Titel „Sicher in Zeiten des Wandels“ symbolisiert, dass es in allen Bereichen massive Veränderungen gibt, die neue Regierung das Land aber „nach vorne entwickeln“ will. Als erstes wird es ein Energiesofortprogramm als Überbrückung für die Zeit geben, bis die Bundesregierung Anfang 2023 ihre Klimahilfe auszahlt. Klima und Wirtschaft liegt den beiden Regierungspartnern als Duo am Herzen. Für Weil sind es zwei Seiten einer Medaille, für die stellvertretende Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen) gilt: „Wir sind ein Industriestandort.“ Klimaneutralität und Wirtschaftskraft müssten zusammengedacht werden.
Rot-grün will eine Politik „der ausgestreckten Hand“ und alle Bürger und Unternehmen im Land mitnehmen. Hannover will die neue Politik auch schon im Koalitionsvertrag sichtbar machen. So gibt es zwar kein eigenes Kapitel für den ländlichen Raum, aber Lesehilfen verweisen auf die Verbundenheit zwischen den Ressorts.
Die Ministerien und ihr Personal
Beide Parteien haben sich auch schon auf die Ressortverteilung und Besetzung der Ministerien geeinigt.
Die SPD stellt den Ministerpräsidenten und die Leitung folgender Ministerien:
Ministerium für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung: Olaf Lies
Ministerium für Inneres und Sport: Boris Pistorius
Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung: Daniela Behrens
Ministerium für Wissenschaft und Kultur: Falko Mohrs
Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung: Wiebke Osigus
Ministerium für Justiz: Kathrin Wahlmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen die stellvertretende Ministerpräsidentin sowie die Leitung folgender Ministerien:
Kultusministerium: Julia Willie Hamburg
Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz: Christian Meyer
Ministerium für Finanzen: Gerald Heere
Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Miriam Staudte
Nur wenige Vorgaben
Mit Umwelt und Landwirtschaft halten die Grüne zwei komplementäre Ministerien, bei denen mit Christian Meyer im Umweltressort der Agrarminister 2013 bis 2017 zurückkehrt. Gerade bei der Landwirtschaft wird die ausgestreckte Hand eingeschränkt, wie Weil bei der Präsentation unterstrich. Der Umbau der Tierhaltung und Antworten gegen die Klimakrise brauche grundsätzlichen Rahmen, bei der die Gestaltung aber auch mit den Landwirten zusammen umgesetzt werden solle. Die Produktionssteigerung der letzten Jahre habe die Grundlage für den gesellschaftlichen Wohlstand geschaffen und Verbraucher mit günstigen Lebensmittelpreisen versorgt. Das habe aber bei den landwirtschaftlichen Betrieben zu der Abwärtsspirale nicht auskömmlicher Preise geführt.
Der Ausweg ist keine Neuerfindung. Die neue Regierung setzt auf die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und beim Umbau der Tierhaltung auf die „Borchert-Kommission“.
Einige Details stehen schon fest. Die niedersächsische Regierung will ein „Sonderprogramm Klimawandel“ für die Land- und Forstwirtschaft auflegen. Für die Segmente Klimaschutz und Klimaanpassung sollen Investitionen zur Bewältigung von Extremwetterereignissen aufgestockt werden. Dazu gehört eine Revision des Finanz- und Personalbedarfes in der Verwaltung. Gezielt gefördert werden sparsame Bewässerungstechniken und Wasserspeicherung, sowie Anbaumethoden, die das Wasser in der Landschaft halten sollen.
Zur neuen „Gesamtstrategie Boden“ gehören ein „Ver- und Entsiegelungskataster“ sowie das Carbon Farming.
Ökolandbau-Initiative
Niedersachsen hat mit gut fünf Prozent relativ wenig auf den Ökolandbau umgestellte Fläche. Mit einer Förderinitiative sollen es bis 2025 schon „mindestens 20 Prozent“ und 2030 „mindestens 15 Prozent“ werden. Die Finanz- und Personalmittel müssen erst noch im Haushalt eingestellt werden. Neben der Förderung von Bio-Essen in öffentlichen Kantinen sollen auch die Umstellungs- und Beibehaltungsprämien erhöht werden.
Fischerei
Das Küstenland steht zu seiner Fischerei. Die Küstenfischerei müsse nachhaltig umgestellt werden. Dazu gehört auch eine eigene Krabbenverarbeitung. Das sensible Thema Flussvertiefung müsse die Fischereiinteressen berücksichtigen.
Der Niedersächsische Weg
Die Landwirtschafts- und Umweltakteure haben vor zwei Jahren mit der Umsetzung des gemeinsamen „Niedersächsischen Weg“ begonnen, der bundesweit als erfolgreiche Errungenschaft gilt. Schon die Vorgängerin Barbara Otte-Kinast musste den Niedersächsischen Weg gegen Berliner und Brüsseler Politik schützen lernen. Staudte und Meyer wollen das Fortsetzen und die Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) vorrangig in sozial-ökologische Projekte stecken. Green Deal und die Strategie From Farm-to-Fork“ bekommen mit Niedersachsen starke Fürsprecher.
Tierhaltung
Der Koalitionsvertrag verspricht eine flächengebundene Tierhaltung, wozu Hannover gegenüber Berlin stärkere Finanzierungsinstrumente über die Agrarministerkonferenz einfordern wird. Dazu gehören auch notwendige Veränderungen im Bau- und Emissionsrecht für eine artgerechte Tierhaltung. 2025 werden die Standorte des Friedrich-Loeffler-Instituts in Celle und Braunschweig frei. Die Koalition prüft, ob es eine Nachnutzung für ein „Kompetenzzentrum Nachhaltige Tierzucht“ geben kann.
Zur Tierhaltung gehört auch das Schlachten. Rot-Grün will Schlachtkapazitäten dezentralisieren, so dass Tiere nicht mehr als vier Stunden transportiert werden müssen. Damit alle Verstöße gegen Tierschutzrecht wirklich empfindlich bestraft werden, sollen sie in das Strafrecht überführt werden.
Wolf
Das jüngste Auftauchen eines Wolfes in Ostfriesland wird auch die neue Regierung beschäftigen. Vor allem die Pferdehöfe haben viel Geld in die Hand genommen, um ihre Weiden besser einzuzäunen und stallen die Tiere nachts auf. Acht Rinder soll der Wolf schon gerissen haben. Entsprechend verärgert sind Landwirte, weil der Wolf im Landkreis Wittmund nicht entnommen werden darf. Parallel steht jetzt im Koalitionsvertrag, dass es einen „institutionalisierten Dialog „Weidetierhaltung und Wolf“ zu Wolfsmanagement, Herdenschutz und der Weidetierhaltung“ geben wird. Auch der muss finanziell und personell ausgestattet werden.
Finanzen
Alle Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen unter Haushaltsvorbehalt, denn auch Hannover besitzt keine überbordende Landeskasse. Die Landwirtschaft muss um Mittel kämpfen. So will die Regierung auch eine Landeswohnungsgesellschaft für Kauf, Sanierung und Bau von Wohnungen schaffen. KMU sollen über einen Transformationsfonds nachhaltig gefördert werden. Lehrkräfte von der Kita bis zur Realschule bekommen ein Einstiegsgehalt A13/E13 und deren Schüler erhalten digitale Endgeräte. Hochschulen werden saniert und modernisiert; wie auch Sportstätten und die Polizei.
Das Klimasofortprogramm wird mit einer Milliarde Euro ausgestattet und ein „Niedersachsenfonds“ wird Zukunftsinvestitionen zukunftsweisend entwickeln.
Roland Krieg
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