Kommunaler Ansatz der Entwicklungshilfe
Landwirtschaft
Zweite Bonner Konferenz zur Entwicklungspolitik
Heute hungern noch genauso viele Menschen wie vor 30 Jahren. Die Landesentwicklung über den Aufbau einer Leichtindustrie ist in vielen Ländern fehlgeschlagen und erst jüngst wenden sich Länder dem vernachlässigten ländlichen Raum und der Landwirtschaft zu. Auf der zweiten Bonner Konferenz zur Entwicklungspolitik resümierte die neue Premierministerin der Provinz Kapstadt, Helen Zille: „Es wird allen gerecht, den wachsenden Konsens der aktuelle Entwicklungsdiskussion wie folgt zusammen zu fassen: Die traditionelle Form der Entwicklungshilfe von Regierung zu Regierung hat oft gefehlt, eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu setzen.“ Zu oft wurden politische Eliten gefestigt, die dem Rechtsstaat entgegenstehen, der doch für eine Entwicklung notwendig ist, so Zille. Zwar müssten die politischen Rahmenbedingungen national vorgegeben werden, doch Entwicklung auf dem Land, beim Handwerk und in der Stadt blühe am besten dort, wo die Beteiligten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
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Und genau das ist der Ansatz der nach 2007 zweiten Bonner Konferenz des Landes Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und des Verbandes Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), der Ende letzter Woche stattfand: „Wie können Kommunen, Landkreise und Bundesländer unterhalb der staatlichen Ebene einen Prozess voranbringen, der die Millenniums Entwicklungsziele doch noch erreicht?“
Onipa Aduro ne Nnipa
Das afrikanische Sprichwort, das hier in der ghanaischen Sprache Twi wiedergegeben ist, bezeiht sich eigentlich auf die Fotoausstellung über das ghanaische Gesundheitswesen: „Der Mensch ist des Menschen Medizin“. Im übertragenen Sinne gilt das auch für den neuen kommunalen Ansatz der Entwicklungshilfe. Gerade in NRW leben rund 9.000 Ghanaer, von denen die Hälfte die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Die ghanaische Diaspora weist einen hohen Organisationsgrad auf und eignet sich hervorragend als Brückenkopf für das 2006 neu ausgerichtete „Koordinatorenprogramm für entwicklungspolitische Bildungsarbeit“. Die neuen Leitlinien zur Entwicklungsarbeit NRW weisen bereits 15 regionale Koordinatoren in 12 Regionen auf, die bei unterschiedlichen Maßnahmenträgern fast flächendeckend das ganze Land betreuen.
„Länder und Kommunen“, so Minister Armin Laschet vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW, „tragen entscheidend zur Armutsbekämpfung bei.“ Seit November 2007 gibt es sogar eine Vereinbarung des Landes mit der Republik Ghana über die Zusammenarbeit.
In seiner Bilanz zur zweitägigen Konferenz sieht Laschet, dass der kommunale Ansatz „in Form und Theorie die Lücke füllt“, die es in der Entwicklungshilfe bislang gegeben hat. NRW sieht sich nicht nur wegen der ghanaischen Diaspora als Brückenkopf des neuen Ansatzes, sondern auch aufgrund der hohen Dichte internationaler Organisationen, die sich nach dem Hauptstadtumzug in Bonn angesiedelt haben. Laschet glaubt, dass das föderale System den Afrikanern als Vorbild dienen kann. So könnten die Kommunen in der Region mit lokalen Entscheidungen auch mal etwas machen, „was die Städter beeindruckt“.
Positive Resonanz
Rundum zufrieden mit der Konferenz zeigte sich Thomas Fues vom DIE. Er könnte sich sogar vorstellen, dass diesbezüglich ein neues Förderinstrument im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgebaut wird. Da Bildung und Wissenschaft zentrale Bereiche in der Entwicklungszusammenarbeit sind, wünscht er sich für die nächste Konferenz im Jahr 2011 eine Beteiligung der beiden verantwortlichen NRW-Ministerien.
Auch Bruno Wenn von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sieht in regionalen Strukturen bedeutende Bestandteile nationaler Entwicklung. Die französische Schwesterorganisation investiere sogar bereits 80 Prozent ihres Budgets in die Gemeinden.
Der zweitwichtigste Exportrohstoff der Welt ist Kaffee, der 100 Millionen Menschen von der Plantage bis zum Vertrieb beschäftigt. Der www.kaffeegarten-ruhr.de im Grugapark bietet Informationen, Workshops für Kinder und Röstseminare, um alles von der roten Krische bis zum Kaffeepulver zu erfahren. |
Monika Dülge von VENRO wird auch noch einmal konkret: Bei globalen Themen wie dem Klimawandel findet ein globales Lernen statt und die Betroffenen vor Ort wissen am besten, was ihnen weiterhilft. Hier wie dort müssen sich die Initiativen vernetzen, voneinander lernen und Ideen mit „demokratischer Besitzrecht“ realisieren. „Gemeinsam globale Strukturen ändern“, so Dülge.
Grenzen des kommunalen Ansatzes
So plausibel der neue Ansatz ist, so vielfältig sind auch die Grenzen. Gerade in Afrika ist Europa nicht der einzige Wirtschaftsteilnehmer. Bruno Wenn sieht bei den Afrikaner eine Wahlmöglichkeit, auch wenn er China und Indien nicht namentlich erwähnt hat. Chinas Engagement erscheint Afrikanern offenbar vielfach pragmatischer, wie der Erfolg des gemeinsamen Entwicklungsbüros zeigt.
Netzwerke auf kommunaler Ebene werden nicht die hohen Zölle des Süd-Süd-Handels beseitigen, räumt Monika Dülge gegenüber Herd-und-Hof.de ein. Im Durchschnitt beträgt der Importzoll 34 Prozent bei Waren aus anderen afrikanischen Ländern. Sie können jedoch ihre Regierungen immer wieder daran erinnern. Insgesamt ist der kommunale ein Prozess, der auf Zeit setzt. Und auf das Vorhandensein regionaler Strukturen. In Afrika gibt es despotische Staaten, die keine Bürgerinitiativen zulassen. Das, so Dülge weiter, sei dann noch einmal ein anderes Thema.
Auch Armin Laschet grenzt ein: Die Ghanaer in NRW leben bereits unter anderen Lebensbedingungen. Sie können nicht für alle Ghanaer sprechen, nicht für ein Nachbarland und schon gar nicht für ganz Afrika.
Wenn aber, so Helen Zille, die Menschen zu aktiven Mitarbeitern in der Problemlösung werden, dann kann die kooperative Entwicklungsarbeit auch für Afrika funktionieren.
Lesestoff:
Die Leitlinien des Landes NRW finden Sie beim Ministerium: www.mgffi.nrw.de
„Was ist die richtige Entwicklungshilfe?“. Darüber konferierte ein internationales Publikum im Sommer 2007 in Berlin.
NEPAD hatte im Sommer 2008 in Hamburg über Investmentmöglichkeiten getagt.
Roland Krieg; Fotos: roRo; weltwärts: Flyer NRW