Kompetenzgerangel
Landwirtschaft
Preiseinbruch bei Schweinefleisch
Mit China und Südkorea „klemmt“ ein wichtiges
Exportventil für den Schweinebereich. In den ersten zehn Monaten des letzten
Jahres wurden dorthin rund 20.000 Tonnen Schweinefleisch exportiert. Zudem, so
die Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI), kaufen auch die deutschen Konsumenten
weniger Schweinefleisch. Am Freitag brach bei den Erzeugergemeinschaften der
Schweinpreis endgültig ein und liegt nur noch bei 1,13 Euro je Kilogramm
Schlachtgewicht. Schon zum Jahreswechsel verloren die Schweineerzeuger 23 Cent. Das Jahr 2011 hat den
Schweinehaltern damit mehr als 34 Euro Verlust je Schwein gebracht.
Regional ist bereits ein massives Überangebot an
Schweinen entstanden und der Druck, schlachten zu müssen, steigt. Die Tiere
können nicht weiter ansetzen und müssen aus den Ställen raus. Nach Dr. Dietmar
Weiß von der AMI wird die Zahl der Schweineschlachtungen ansteigen und den
Preis weiter unter Druck setzen. Erst langsam wird sich der Markt wieder
beruhigen.
Umsteller gesucht
Naturland geht derweil in die Offensive. Die Zahl der
Ökoschweine-Halter reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. Daher sucht der
Anbauverband Bauern, die langfristig ihren Betrieb umstellen wollen. „Nicht nur
der aktuelle Dioxin-Skandal, sondern auch die große Sensibilität der
Konsumenten für artgerechte Tierhaltung wird diesen Trend verstärken“,
kommentiert Präsidiumsvorsitzeder Hans Hohenester den aktuellen Markt.
Im Schweinebereich hat der Ökoanbau auch Handlungsbedarf.
Der Anteil am Markt liegt bei nur einem Prozent.
Vertrauen gesucht
Der Markt hat am vergangenen Wochenende einen
neuerlichen Vertrauensverlust hinnehmen müssen. Die Landwirtschaftliche
Bezugsgenossenschaft Damme in Niedersachsen legte nur einen Teil der
Lieferlisten vor. Erneut wurden hunderte Betriebe gesperrt. Nach Angaben der
Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) müssen die
Landwirte zunächst die Kosten der Untersuchungen selbst bezahlen. Die betragen
nach Angaben des Zertifizierungssystems QS etwa 500 Euro je Probe. Zusätzliche
Kosten durch Vermarktungssperren sollen die Bauern genau auflisten und später
als Schadensersatz geltend machen.
Nach Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), beläuft sich die bisherige Schadenssumme im
Dioxin-Skandal auf über 100 Millionen Euro. Angesichts der neuerlichen
Ausweitung auf verheimlichte Lieferlisten bei der LBG Damme forderte er ein
lebenslanges Berufsverbot der Geschäftsleitung.
Kompetenzen gesucht
Die Futtermittelbranche steht vor einem Scherbenhaufen.
Offenkundig wird nicht nur, was in die Futtermittel gemischt wird, sondern auch
die Größe der Warenströme bis zum Futtertrog. Die agrarpolitische Sprecherin
der Linken, Kirsten Tackmann: „Infolge weitverzweigter Lieferbeziehungen sind
tausende Landwirtschaftsbetriebe nahezu schutzlos skrupellosem Profitstreben
ausgeliefert. Bund und Länder müssen endlich konsequent durchgreifen.“
Doch daran mangelt es. Bundeslandwirtschaftsministerin
Ilse Aigner kritisierte bereits am Freitag die „Kakophonie“ zwischen Bund und
Länder. Länderkollege Dr. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern sandte bereits am gleichen Tag die
Warnung an die Ministerin, dass ohne die Länder gar nichts gehe. Angesichts der
verheimlichten Lieferlisten aus Damme forderte Aigner personelle Konsequenzen
in Niedersachsen und bekam Unterstützung von der Grünen-Fraktionschefin Bärbel
Höhn. Im Tagesspiegel vom Sonntag sagte sie: „Man hat ja das Gefühl, dass in
dem Bundesland, wo das meiste Fleisch erzeugt wird, nicht genau hingeguckt
wird, wie das passiert.“
Aigners Parteikollege aus Niedersachsen, Michael
Grosse-Brömer, weist die Kritik heute im Kölner-Stadtanzeiger zurück. Sie habe
„etwas überreagiert“. Das Niedersachsen den Betrug aufgedeckt habe sei im
Gegenteil ein Lob wert. „Ich sehe nämlich keinen Grund, warum in irgendeiner
Form personelle Konsequenten gezogen werden müssen.“ Schwarze Schafe flögen
auf, selbst wenn sie täuschen nd strafrechtlich kriminell seien.
Morgen treffen sich die Länderkollegen mit Ilse Aigner
in Berlin. Die Kompetenzverteilung wird vermutlich im Vordergrund stehen.
Roland Krieg