Kongress Biomass to Liquid

Landwirtschaft

Lösungen für die Mobilitätsgesellschaft

Tom Blades, Geschäftsführer der Choren GmbH im sächsischen Freiberg, bringt die gestern begonnene BtL-Tagung in Berlin auf den Punkt: „Teurer, länger, komplizierter – aber immer noch machbar“. Choren produziert in verschiedenen Anlagen den Sun Fuel: Synthesegas aus Biomasse, das direkt in gängigen Fahrzeugmotoren getankt werden kann. Bislang allerdings noch in verschiedenen beta-Anlagen. Im April hat die Bundeskanzlerin die richtige Produktionsanlage symbolisch in Betrieb genommen, doch müssen die Sachsen derzeit noch bis Jahresende die Sicherheitsanlagen erneuern – die Explosion einer texanischen Raffinerie hat weltweit zu neuen Standards geführt. 1.000 Sensoren wurden erneuert, über 90 Pumpen und die gesamte Ventilation. Bis Dezember werden die Vergaser wieder hochgefahren und im dritten Quartal 2009 hofft Blades, den ersten Sprit erzeugen zu können.
Wissenschaftler, Politiker und Berater treffen sich zum 3. BtL-Kongress, um den aktuellen Standort der BtL-Technik (Biomass to Liquid) zu bestimmen.

BtL ist Mobilität
Das Hauptthema ist Mobilität bestimmt Clemens Neumann, Abteilungsleiter aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium und gibt die Richtung vor. Die EU will bis 2020 mit einer Überprüfung im Jahr 2014 zehn Prozent des Treibstoffs aus erneuerbaren Energien ersetzen. Die hohen Meseberger Ziele der Bundesregierung von 20 Prozent werden reduziert und in einem Kompromiss wohl auf die neue Zielmarke von 12 Prozent gesetzt, so Neumann.
Sun FuelSelbst das ist gewaltig. Nach Dr. Frank Seyfried von Volkswagen steigt allein der europäische Ost-West-Verkehr bis 2020 um 125 Prozent. Es nicht mehr Lastwagen und Pkw geben, sondern die gefahrenen Kilometer werden deutlich zunehmen. Wenn BtL den Dieselbedarf in Höhe von 200 Millionen Tonnen in der Größenordnung von 18 Prozent ersetzen kann, dann ist das alleine schon eine Rechengröße, wirtschaftlich auf diesen Treibstoff zu setzen.
Während auf dem BtL-Kongress vor zwei Jahren die Stimmung positiver gewesen ist, erkennen die Praktiker, dass der Pfad für die zweite Generation der Bio-Treibstoffe langsamer als gedacht voranschreitet. So entwickeln Länder unterschiedliche Strategien, um den Treibstoff der Zukunft zu entwickeln. China, so Dr. Seyfried, favorisiert derzeit den Methanolantrieb. Langfristig hätte BtL jedoch die strategischere Bedeutung: Mehr Transportweg vom Hektar und weltweit einheitlicher Standard.

„Pflichtenheft BtL“
Biomasse hat gegenüber Erdöl den Nachteil, dass der molekulare Ausgangsstoff heterogener ist. Den langen Kohlenstoffketten stehen komplizierte organische Moleküle gegenüber, die über den Herstellungsprozess in verschiedenen Zwischenschritten bearbeitet werden müssen. Genau das jedoch macht die BtL-Technik ungeeignet für eine dezentrale Produktion.
Choren hat mittlerweile im brandenburgischen Schwedt das Grundstück für die nächste Anlage zugeteilt bekommen. Hier werden dann jährlich 200.000 Tonnen BtL aus einer Million Tonne Biomasse erzeugt. Ist ein Drittel der Fläche rund um Schwedt kultiviert und zu einem Fünftel mit Energiepflanzen bestellt, dann reicht bei einer Ernte von 15 Tonnen Biomasse je Hektar ein Radius von 56 Kilometer als Einzugsgebiet aus, so Blades.
Aber vorher hat Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) noch ein Pflichtenheft zusammen gestellt, das abgearbeitet werden will.
Weil die Logistik der Biomassebeschaffung eine große Herausforderung ist, sollte der Ausgangsstoff vorbereitet werden. Pelletierung wäre eine mögliche Lösung. Mit dem Abtransport der ganzen Pflanzen verschwinden auch Nährstoffe vom Acker. Die sollten gerade angesichts steigender Düngerpreise vor der Vergasung abgetrennt und wieder dem Nährstoffkreislauf zugeführt werden. Das ist noch ungelöst. Auch prozesstechnische Fragen wie die Gasaufbereitung und -reinigung sind noch nicht optimal gelöst.

Zuwendungsbescheid an Karlsruhe
Das Forschungszentrum in Karlsruhe (FZK) geht einen anderen Weg, die industrielle Großraffinerie mit dezentralen Ansätzen zu verbinden. Die regional verteilte Biomasse wird bis zu einer Entfernung von einer Traktorstunde in 25 Kilometer Entfernung zu einem energiereichen Zwischenprodukt angereichert. Der Energiewert pro Kubikmeter steigt bei Stroh dabei von 1,5 auf 25 Gigajoule. Das so genannte Zwischenprodukt BioSynCrude wird dann zur zentralen Kraftstoffproduktion verbracht. Bei 250 km Entfernung per Bahn, bei 2.500 km auch per Schiff. Das mehrstufige Verfahren in einer Pilotanlage des patentierten Bioliq-Verfahrens wird 2011 abgeschlossen sein. Für die nächsten Stufen erhielt Prof. Dr. Eckhard Dinjus während der Pressekonferenz einen Zuwendungsbescheid in Höhe von 12,5 Millionen Euro.

Kosten steigen
Ende 2006 wurde ein Realisierungsstudie für BtL erstellt. Die beiden letzten Jahren sind sich durch die Diskussion um Teller und Tank sowie steigende Lebensmittelpreise geprägt gewesen. Herd-und-Hof.de wollte wissen, wie die Version für 2008 ausfiele.
Im Wesentlichsten haben sich die Anlagenkosten, die damals noch mit bis zu 650 Millionen Euro beziffert wurden „deutlich erhöht“, so Dr. Schütte. Das beziehe sich nicht nur auf die Rohstoffe, sondern auf alle mit dem Anlagenbau verbundenen Dienstleistungen.
Derzeit liegt er Ölpreis schon wieder bei 78 US-Dollar je Barrel. Damit könne BtL nicht konkurrieren. Langfristig steige der Preis jedoch wieder, so dass die Rentabilitätsberechnungen weiterhin Bestand haben werden. Dr. Seyfried ist zuversichtlich, dass BtL für 0,90 Euro je Liter abgegeben werden kann.
Jede Form von Biomasse kann für den Sun Fuel verwendet werden. Jedoch machen verschiedene Ausgangsstoffe große Rentabilitätsunterschiede. Zum einen sind Rest- und Abfallstoffe günstiger als spezielle Energiepflanzen. Zum anderen schlagen Kohlendioxidaufwendungen für Pflegeaufwand und Düngungskosten negativ zu Buche.
Fläche und Verwendung der Pflanzen nähern sich in Deutschland der maximalen Nutzung. Veronique Hervouet, Vorsitzende des europäischen Steuerungskomitee für Biomasse, stellte fest, dass die Europäer gegenüber den Nord- und Südamerikanern nur eine geringe Verfügbarkeit an Biomasse je Einwohner haben. Ohne Biomasse-Importe kommt Europa nicht aus. Clemens Neumann will künftig Importe nur zulassen, wenn diese auf ihre Nachhaltigkeit hin zertifiziert worden sind. Und Dr. Seyfried weiß, dass ohne Befreiung von der Mineralölbesteuerung große BtL-Anlagen in Deutschland keine Chance haben.

Teil II am Freitag

Roland Krieg; Foto: roRo

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