Konsumenten könnten es besser wissen

Landwirtschaft

Offene Ställe gibt es landauf und landab

Haben sich die Verbraucher von der Landwirtschaft zu weit entfernt? Das ist natürlich nur eine einseitige Betrachtung, denn der größer werdende Abstand resultiert auch aus der umgekehrten Sicht, dass die Landwirtschaft sich von den Verbrauchern entfernt hat. Die beste Brücke ist die Kommunikation und das gemeinsame Treffen. Die Panorama-Bilder über verletzte Nutztiere haben vor einigen Wochen gezeigt, dass aber das Misstrauen der Verbraucher sehr tief sitzt. Eine Bäuerin, die ganze Schulklassen durch ihren Schweinestall führt, berichtete, Jugendlichen hielten ihren Betrieb für einen „Modellbetrieb“. Das zeigt, wie tief das Misstrauen gegenüber der landwirtschaftlichen Realität sitzt.

Dabei müssten die Konsumenten es besser wissen und Fernsehbilder und Fernsehberichte validieren können. Der Verein information.medien.agrar e.V. (i.m.a.) hat auf der Eurotier im Rahmen des Projektes „EinSichten“ aufgezeigt, dass viele Betriebe landauf und landab ihre Höfe offen halten. Individuell, auch ohne Großveranstaltung. Und dass sie selbstverständlich von vielen Verbrauchern besucht werden.

Die i.m.a. hat gerade die neue Ausgabe des Lehrermagazins „lebens.mittel.punkt“ mit den Themen Honig, wiederentdeckte Getreidearten, Mendel´sche Vererbungsregeln und Artenvielfalt für die Primar- und Sekundarstufe herausgegeben. Lehrer sind wichtige Multiplikatoren. Mit mehr als 70.000 Lehrern fragen rund 10 Prozent der Pädagogen i.m.a.-Material ab.

EinSichten

Das Förderprojekt „EinSichten“ hält Infotafeln bereit. Betriebe können bauliche Veränderungen fördern lassen, um beispielsweise mit einem Fenster in den Stall wirkliche Einblicke in die Nutzviehställe zu geben. 2012 begonnen, ist die Zahl der Projektbetriebe bis heute auf 133 gestiegen. 63 Prozent der Betriebe halten Rinder, 16 Prozent Schweine und 21 Prozent Geflügel. Das Projekt geht in die nächste Runde. Offen ist derzeit nur, ob die Schutzkleidung weiterhin zur Verfügung gestellt wird. Die in Hannover teilnehmenden Betriebe wollen das unbedingt, denn sie sind für die Biosicherheit wichtig. Müssten die Betriebsleiter für Schutzanzüge selbst sorgen, steigt der Aufwand. Und den nehmen viele Betriebsleiter neben der täglichen Stallarbeit unentgeltlich ohnehin schon in Kauf.

Aktiv sein

Allein das Engagement mit den Besucherführungen zeigt, wie aktiv die Landwirte in der Kommunikation sind. Der Betrieb der Familien Enno und Agnes Klostermann im Weserbergland wird bereits in der 11. Generation bewirtschaftet und bietet mehr als Übernachtungen. Führungen gibt es über die 10.000 Quadratmeter große Hofstelle – dann wissen Besucher auch, wie groß ein Hektar ist. Landwirt Thomas Ostendorf appelliert an die Landwirte, analog und digital präsent zu sein. Er selbst ist auf Twitter, Facebook und Instagram aktiv. Die Landwirte sollten sich bewusst sein, dass das Thema eine Daueraufgabe ist: „Wir müssen ständig gegen Windmühlenflügeln kämpfen. Das hat nie ein Ende.“ Verbraucherbetreuung ist die neue Aufgabe der Betriebsleiter.

Der Landwirt ist authentisch

Niemand ist authentischer als der Landwirt. Die Bauern sollten auch regionale Medien als Multiplikator einladen. Wer eine gute Beziehung zu den Medien unterhält, wird im „Krisenfall“ auch als Nachrichtenquelle „angezapft“. Hofführungen zeigen Wirkung. Nach dem Besuch sind viele Besucher positiv überrascht und sehen die Landwirtschaft mit anderen Augen. Das haben Forschungsarbeiten bestätigt, berichtet Patrik Simon von i.m.a.

„Konzepte, Köpfe, Knete“

Hans-Heinrich Berghorn ist Pressesprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Auch er hält authentische Bauern für die einzige hilfreiche Aufklärungsarbeit. Die Bürgerprotestler haben mittlerweile ein professionelles Niveau erreicht und müssen ernst genommen werden. Und sie sind vielfältig geworden. In Münster gibt es nahezu ein Dutzend Protestbewegungen, die sich mit der Landwirtschaft beschäftigen. Beispielsweise die Bewegung für ein „Stopfleberfreies Münsterland“.

Mit Blick auf die Parteienlandschaft hätten nur Bündnis 90/Die Grünen das Thema besetzt. Die anderen Fraktionen hätten der „Agrarwende“ kaum etwas entgegenzusetzen. Ob die Themen Agrar und Ernährung allerdings im nächsten Bundestagswahlkampf auf der oberen Agenda stehen oder wegen der Neuformatierung der Parteienlandschaft unter ferner laufen, wollte Berghorn gegenüber Herd-und-Hof.de nicht prognostizieren. Die Frage, ob das „Pfälzer Modell“ mit der Agrarwirtschaft als Abteilung im Wirtschaftsministerium ein Vorbild für Berlin sein könnte, wusste er elegant zu beantworten: Es hängt vor allem von den Köpfen ab, die das Amt bekleiden. „Der Sektor könne so ein Umfeld mit der Vielfalt an NGO nicht gebrauchen“, sagte er. Dieses zu befrieden sei vor allem eine politische Aufgabe in Berlin.

Konzepte der Landwirte gibt es genug. Sie brauchten Fördergelder für ihre Öffentlichkeitsarbeit: „Konzepte, Köpfe, Knete“ eben. Denn als nächste Themen stehen Boden- und Pflanzenschutz auf der Agenda der Kritiker.

Lesestoff:

www.ima-agrar.de

www.einsichten.de   Adressen für Hofbesichtigungen halten alle 16 Landesbauernverbände in Ihrer Nähe bereit.

www.hof-klostermann.de

Roland Krieg

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