Kormoranverordnung im Vogelschutzgebiet
Landwirtschaft
Pilotprojekt Kormoranvergrämung im Vogelschutzgebiet
Das Jahr 2010 war das Jahr des Kormorans. Zum Vogel des Jahres gewählt, erinnerten die Naturschützer an die erfolgreiche Wiederkehr von Phalacrocorax carbo sinensis , wie er bei den Zoologen bekannt ist. Nach dem Tauchgang sitzt er auf exponierten Plätzen und breitet sein graubraunes Gefieder zum Trocknen aus. Nach dem Tauchgang fehlt aber auch ein Fisch im Teich und schürt den Zorn der Teichwirte.
Vogelschutz und Teichwirtschaft
Der Kormoran versinnbildlicht die Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie. Seit Jahrhunderten wurde der Vogel wegen seiner fischwirtschaftlichen Konkurrenz zum Menschen intensiv bejagt, bis er von der EU durch die Vogelschutzrichtlinie von 1979 unter Schutz gestellt wurde. In den letzten 20 Jahren hat sich der Bestand wieder erholt und stagniert bei 23.000 bis 25.000 Brutpaaren im Jahr.
MIL Brandenburg 2011
Bis zu 20 Meter tief taucht der Vogel und frisst täglich bis zu 450 Gramm Fisch. Am liebsten Aal. Das Brandenburger Agrarministerium hatte schon 2007 beklagt, dass die Fischer nur wenig mehr Aal aus den Gewässern holen als der Kormoran [1].
Phalacrocorax carbo sinensis mag aber auch Karpfen und fügt den Teichwirten große Schäden zu:
Mittlerweile hat fast jedes Bundesland eine Kormoranverordnung, nach der mit Lasergewehren oder Gasknallgeräten die Kormorane verscheucht werden dürfen. Kormorane dürfen auch abgeschossen werden.
Aber: Die Kormoranverordnung gilt so nicht in den Vogelschutzgebieten. Dort ist die Vergrämung oder Vertreibung von Vögeln, die über das Teichgelände hinauswirkt oder bei der Tiere verletzt oder getötet werden, verboten. Als Schutzmaßnahme ist eine Teichüberspannung zwar zugelassen, die kostet allerdings bis zu 20.000 Euro je Teich.
Und in Brandenburg liegen 53 Prozent der Teiche in einem Vogelschutzgebiet.
Fränkisches Pilotprojekt
Neben dem Deutschen Teichkarpfen hat sich der Aischgründer Spiegelkarpfen überregional einen Namen gemacht. Die 85 Kilometer lange Aisch strebt nordwestlich von Erlangen von ihrer Quelle in Marktbergel ostwärts und mündet bei Höchstadt in die Pegnitz. Schlemmer kennen die Region mit ihren mehr als 7.000 Teichen, die von rund 1.200 Teichwirten im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Gerade die extensive Teichbewirtschaftung schafft einen eigenen Naturwert, sagt Dr. Gabriele Kluxen, Referentin für Artenschutz in der Regierung von Mittelfranken. Mit ihr telefonierte Herd-und-Hof.de, weil sie auf dem deutschen Fischereitag in dieser Woche das Pilotprojekt „Kormoranvergrämung in EU-Vogelschutzgebieten“ vorgestellt hat.
Außerhalb der Vogelschutzgebiete ist der Kormoran wegen der erlaubten Kormoranmaßnahmen nur ein „Zünglein an der Waage“ im schwierigen Geschäft der Teichwirte. Neben dem Kormoran drücken nach Analyse des Deutschen Fischerei-Verbandes Probleme der Direktvermarktung, steigende Betriebskosten, sinkende Förderprogramme, steigende Bürokratiekosten und Krankheiten wie das Koi-Herpesvirus die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Unrentable Karpfenteiche werden aus einem ganzen Bündel an Ursachen aufgegeben [2].
Vogelschutzgebiete
Ganz anders hingegen wirkt der Kormoran in den Vogelschutzgebieten. Dort ist er nach Dr. Kluxen zu 90 Prozent für die Schäden verantwortlich. Mit der Ausweitung der Kormoranverordnung auf die Vogelschutzgebiete soll jedoch nicht nur der Vogel in seine Schranken verwiesen werden, sondern die extensiv bewirtschaftete Kulturlandschaft mit fast tausendjähriger Tradition der Teichlandschaften erhalten bleiben. Sie bieten ihrerseits Fauna und Flora ein besonderes Habitat. Durch eine Bewirtschaftung.
Daher hat sich ein Netzwerk aus Teichwirten, Naturschützern, Jägern und Ämtern im Aischgrund gebildet und erstmals nach einer Verträglichkeitsabschätzung geprüft, wie sich der Bestand des Kormorans verändert, wenn nach festen Regeln auch im Vogelschutzgebiet vergrämt werden darf. Demnach dürfen im Rahmen des Pilotprojektes Kormorane im Umkreis von 200 Metern um Teichanlagen und auch in der Zeit vom 15. März bis zum 15. August getötet werden [3].
Es wurde festgelegt, welche Dämme zur Vergrämung betreten, wie viel Schuss insgesamt abgegeben werden dürfen. Die Zahl der Brutpaare und damit der gesetzlich vorgegebene Erhalt der brütenden Population wurde dadurch nicht gefährdet. Gleichzeitig haben die Teichwirte positive Rückmeldung über gesunkene Fischverluste gegeben. In den nächsten drei Jahren soll das Projekt feinjustiert werden. Dabei wollen die Partner prüfen, ob die Auswahl der Dämme zur Begehung und die freigegebenen Schussvorgaben angepasst werden müssen.
Der methodische Ansatz des Pilotprojektes erscheint aber schon richtig und könnte für andere Teichregionen in Vogelschutzgebieten übertragbar sein, sagt Dr. Kluxen. Oberhof in Oberfranken, das ebenfalls als Genussregion mit Karpfen und Forellen wirbt, habe schon Interesse an einem eigenen Projekt angekündigt.
Lesestoff:
Wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Projekt gibt es noch nicht. Interessenten können sich direkt an die Regierung Mittelfranken wenden www.regierung.mittelfranken.bayern.de
[1] Brandenburger Kormoranverordnung wirkt
[2] Fischerzeugung in der Teichwirtschaft – Bedeutung und Perspektiven im Zuge der Entwicklung der modernen Aquakultur; Arbeiten des Deutscher Fischerei-Verbands Heft 89/2011 www.deutscher-fischerei-verband.de
[3] Bekanntmachung der Regierung Mittelfranken im Amtsblatt vom 07. April 2009 Gz. 55.1.3-8645 G 019/09
Roland Krieg