Krieg um Foie Gras
Landwirtschaft
Ungarn fühlt sich bei Stopfleber falsch verstanden
Jedes Jahr im November beginnen die Vorbereitungen für die St. Martins- und Weihnachtsgans. Wer als Erzeuger in Deutschland seine Gänse auf der Weide hält hat die besten Karten. Die anderen geraten alljährlich in das Visier der Tierschützer. Das sind nicht wenige, denn der Selbstversorgungsgrad bei Gänsen liegt bei lediglich 11 Prozent.
Stopfleber
Im Visier der letzten Gänsesaison geriet Ungarn. Die Gänse aus dem Land der Magyaren sind nicht nur deshalb besonders preiswert, weil sie in hochmodernen Produktionsstätten kostengünstig, aber gemäß der EU-Richtlinien gehalten werden – sondern, weil die Gänse und deren Fleisch vielfach nur Nebenprodukte sind. Vor dem Schlachten werden sie in speziellen Betrieben noch einmal besonders gemästet. Während einer 16tägigen Zwangsernährung wird die Gänseleber von ihrem Normalgewicht von 150 Gramm auf bis zu 800 Gramm gebracht. Weil das Stopfen als Tierquälerei in Deutschland verboten ist, sollten auch die restlichen Gänsebestandteile so gekennzeichnet werden, damit die Verbraucher erkennen können, dass das Fleisch aus der Stopfleberproduktion stammt. Die Stopfleber geht aus Ungarn nach Frankreich und erzielt dort Preise von bis zu 60 Euro je Kilo. Wer also mit der Leber sein Geld verdient, kann die „Restgans“ preiswert als Tiefkühlware nach Deutschland liefern. Das ist die Sichtweise von Jan Pfeiffer von der Aktion Tier in Berlin.
Älteste Delikatesse der Welt |
Hungerit produziert wieder
Im September musste der ungarische Produktionsbetrieb Hungerit nach einer Kampagne der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ zunächst die Produktion einstellen. Ende Januar will er jedoch die Produktion wieder aufnehmen und die zuvor entlassenen 200 Mitarbeiter wieder einstellen. Das kündete Hungerit in der Budapester Tageszeitung „Nepszava“ bereits Ende November an. Die Tierschützer waren deshalb erfolgreich, weil sie deutsche und österreichische Lebensmittelketten mit schwarzen Listen dazu brachten, die Produkte aus den Regalen zu nehmen. Der ungarische Geflügelverband schätzt den dadurch entstandenen Schaden auf fast 27 Millionen Euro. Ungarn will nach französischem Vorbild, die Stopfleber zum „schützenswerten nationalen Traditionsgut“ erklären.
Ungarn erklärt sich auf der IGW
Ungarn wird das IGW-Partnerland 2010 sein und steht derzeit unter heftiger Kritik, weil ein RTL-Fernsehteam, das mit einem Vertreter der Tierschutzorganisation unterwegs gewesen ist, beim Filmen vom öffentlichem Straßenland auf einen Stopfleberbetrieb von einem maskierten Axtträger angegriffen wurde. Die Ungarn haben heute Mittag einen Presstermin anberaumt, um vor allem ihre Stopfleber zu verteidigen.
Auch in Ungarn zeigen Schriftdenkmäler, dass Stopfleber schon seit über vierhundert Jahre produziert wird. Aus diesem Grund hat das ungarische Parlament einen Beschluss gefasst, Gänse- und Entenstopfleber unter traditionellen Schutz zu stellen, wie es die Franzosen bereits getan haben. Derzeit gilt das Stopfen nicht als tierquälerisch. Vor dem Beitritt in die EU hatten die Ungarn das Stopfen, so der österreichische Pressedienst, 2003 umgestellt: Von einer Eisenstange auf maschinelle Stopfung.
Lasslo Barany vom ungarischen Geflügelverband schätzt den Verlust bei Aufgabe der gesamten Produktion auf bis zu 100 Millionen Euro. Jährlich würden sechs Millionen Gänse weniger gezüchtet und 15.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Ungarn stellt derzeit etwas 80 Prozent der weltweiten Gänsestopfleberproduktion. Dr. Miklos Süth, Chefveterinär Ungarns und Stellvertretender Staatssekretär aus dem Landwirtschaftsministerium, fürchtet, dass die Produktion nach China auswandern würde, wo es dann schlechtere Bedingungen gäbe. Der Absatz an Stopfleber habe in den letzten Jahren nicht nachgelassen und Barany wies auf die zahlreichen Restaurants hin, die Stopfleber als Delikatesse auf dem Speiseplan haben.
Ungarn zeigte sich verblüfft ob der Angriffe der Tierschutzorganisationen. Es könne sicherlich zu Fehlern kommen, so Barany, aber die Mehrheit der Betriebe würde den Tieren kein Leid hinzufügen.
Diese Erkenntnis basiert auf einer Arbeit von Prof. Dr. Peter Sotonyi und Dr. Gabor Loraszko, die zusammen mit Tierschützern und Gerichtsmedizinern Obduktionen durchgeführt haben. Eine Zusammenfassung der Studie soll demnächst auf der Seite des Ministeriums (www.fvm.hu) erscheinen. Derzeit gibt es aber nach Recherchen von Herd-und-Hof.de keine Zitationen der Studie. Verweise auf wissenschaftlichen Suchmaschinen führen nur zu ungarischen Textstellen.
Dr. Süth erklärte, das der Tierschützer wegen des Studienergebnisses die Tierschutzorganisation verlassen habe, es aber auch bereits Gerüchte gegengestreut werden, dass er wegen der Teilnahme entlassen wurde.
Dr. Süth erklärte auch, dass ungarische Recherchen ergeben hätten, dass der Angriff auf das RTL Team inszeniert worden wäre. Die Autorin warf darauf hin dem Podium vor, ihre journalistische Arbeit zu verleumden und blieb auch nach dem Pressegespräch bei ihrer Darstellung. Sie lud Dr. Süth ein, dass Rohmaterial zu sichten.
Die Suche nach dem Weg
Mehr als einen Zwischenergebnis konnten die Ungarn nicht präsentieren. Es gibt seit Ende 2008 eine Kennzeichnungspflicht für Stopfleber, aber nur auf ungarisch für den Binnenmarkt. Importeure aus anderen Ländern können das übernehmen, müssen es aber nicht. Das liege in deren eigenen Verantwortung, so Dr. Süth. Bei Importeuren aus den Ländern, in denen der die Stopfleber als Tierquälerei angesehen wird, scheint das Etikett zu verschwinden, denn sonst würden die Tierschutzorganisationen per DNA-Analyse trotz gegenteiligen Versprechens der Lebensmittelhändler, nicht Produkte aus der Stopfleberproduktion finden.
Polen hatte 1997 die Stopfleberproduktion aufgegeben. Aber das ist nicht der ungarische Weg. In Polen ist der Maisanbau, mit dem die Tiere gemästet werden, nicht verbreitet gewesen und es habe sich nur eine kleine Produktion ohne Tradition herausgebildet. Bleibt also nur der französische Weg. Doch wann die Gesetzesvorgabe umgesetzt ist, steht noch nicht fest. Schneller wird wohl die Übersetzung der ungarischen Studie auf der Internetseite des Ministeriums erscheinen. Die wird dann wissenschaftlich exakt nachgeprüft.
roRo; Fotos: roRo (Dr.Miklos Süth)
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