Krisen frühzeitig erkennen

Landwirtschaft

Die Staatengemeinschaft will frühe Krisenanzeichen schneller entdecken

65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Der Bürgerkrieg in Syrien dauert bereits sechs Jahre. Hätten die Auswirkungen verhindert werden können? Die Welt ist durch Handel und Kommunikation zusammengeschnurrt, so dass der in China umgefallene Sack Reis mittlerweile doch jeden bewegt. Seit rund 20 Jahren gibt es den Begriff der zivilen Krisenprävention. Der Blick auf die Krisenherde aber zeigt, dass Frühwarnsysteme offenbar noch nicht funktionieren.

Syrien galt lange als gut situiertes Land mit guter eigener Lebensmittelversorgung. Vor Ausbruch des Bürgerkrieges hat eine Dürre in sechs aufeinanderfolgenden Jahren die Versorgung in eine Schieflage gebracht und die Verteilungskämpfe wurden nach Ansicht des deutschen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt ideologisch überfrachtet und waren „einer der Faktoren für die Radikalisierung“. Hätte rechtzeitige Hilfe Schlimmeres verhindert?

Am 01. Dezember hat Deutschland die G20-Präsidentschaft übernommen und will die Themen Friedenssicherung und Afrika  auf der Agenda nach ganz oben setzen. Zeitgleich hat Schmidt Experten zu einem Dialog in das Ministerium eingeladen, um die Rolle der Landwirtschaft in der Krisenbewältigung zu beleuchten.

Die Vereinten Nationen und die FAO haben die Vorgeschichte des syrischen Bürgerkrieges zwar erkannt, konnten aber keine ausreichende Hilfe mobilisieren. Die Staatengemeinschaft hat sogar bei der Versorgung der Flüchtlingslager versagt, so Schmidt, und nicht die erforderlichen Summen für die Versorgung der Menschen sicher gestellt. Dabei sorge eine „starke Landwirtschaft vor Ort für eine Bleibeperspektive“. Schmidt hinterfragt, ob die Weltgemeinschaft überhaupt die richtigen und ausreichenden Kriterien für eine Krisenfrüherkennung besitze?

Ralf Südhoff, Direktor des UN-Welternährungsprogramms für die Schweiz, Deutschland und Österreich, mahnte, vorhandene Anzeichen ernster zu nehmen. Bei Klima- und Wetterprognosen funktionieren Vorhersagen besser als bei Konflikten. Anzeichen für eine Krise sind schwer zu identifizieren, räumte Dr. Bettina Rudloff von der Stiftung Wissenschaft und Politik ein. Nicht jede Krise führe zu einer Migration und dann in eine Flucht. Die Kipppunkte, wann aus einem Versorgungsproblem ein Konflikt wird, sind kaum zu bemessen. Oft sind es zunächst einmal gefühlte Verteuerungen von Lebensmitteln, die zu Unzufriedenheit führen.

Die Landwirtschaft alleine wird aber weder Flucht noch Migration verhindern. Nach Rudloff sind es oft Betriebsnachfolger, die mit dem elterlichen Hof keine Perspektive mehr sehen und in die Städte ziehen. Selbst wenn ein Betrieb mit Hilfe einer Kooperation mehr Einkommen erzeugt, entspreche das nicht unbedingt den Erwartungen der Menschen vor Ort. Die Landwirtschaft gilt als wenig attraktiv. Zudem muss sie im Gesamtkontext einer Entwicklung des ländlichen Raumes gesehen werden. Auch für Südhoff ist die Landwirtschaft allein kein Jobmotor. Die Arbeitsplätze müssten jedoch auf dem Land geschaffen werden, weil die Städte kaum mehr dazu in der Lage seien.

Nach wie vor sind Zugang zu Land, zu Mikrokrediten und die Vermeidung von Nachernteverlusten wesentliche Treiber der ländlichen Entwicklung.  Und das ist vornehmlich die Aufgabe der Regierungen vor Ort. Die Welthandelsorganisation WTO bestehe zwar auf Reziprozität, also der wechselseitigen Handelserleichterung in den Abkommen, doch neben Schmidt spricht sich auch Thomas Wrießnig, Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, für asymmetrische Abkommen aus. Der Süden habe ein Recht auf Schutz bestimmter Sektoren. Dort kann er eine eigene Wirtschaft aufbauen. Ghana beispielsweise hat im Rahmen der Handelsgespräche mit der EU die gleichen hohen Zölle auf Geflügelfleischimporte wie vor dem Abkommen durchsetzen dürfen. Nigeria verfahre sogar noch restriktiver und hat ein Importverbot verhängt. Doch in beiden Ländern kommt der eigene Geflügelsektor nicht voran, beklagt Rudloff. Das zeige, dass der Handel nicht der erste Ansatzpunkt für die Entwicklung sein müsse.

Roland Krieg

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